Der Ärger um die Grundsteuererklärung geht in die nächste Runde. Während bei den ersten Steuerpflichtigen in NRW die Bescheide der Finanzämter eingehen, formiert sich bereits eine Klagewelle.
Umstrittene NeuregelungWelle von Einsprüchen bei Grundsteuer belastet NRW-Finanzämter
Die FDP im Düsseldorfer Landtag fordert NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) auf, Musterklagen gegen die umstrittene Grundsteuer zuzulassen. „Millionen von Grundstückseigentümern in NRW erhalten bald ihre Bescheide zur Feststellung des Grundsteuerwertes“, sagte Ralf Witzel, Finanzexperte der Liberalen, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Steuerpflichtige sollten ihre Bescheide sachkundig prüfen lassen und im Zweifel großzügig mit Einsprüchen dagegen vorgehen, rät der FDP-Politiker.
Viele Einsprüche seien berechtigt und notwendig. „Um eine Klagewelle zu vermeiden, muss der Finanzminister zusichern, die Ergebnisse von Musterverfahren für alle Steuerpflichtigen zur Anwendung zu bringen, so Witzel.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Auch knapp einen Monat nach dem Fristablauf Ende Januar haben viele Steuerpflichtige noch gar keine Erklärung abgegeben. Namhafte Experten hatte verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Verfahren erhoben. Bis zu einer Klärung durch das Bundesverfassungsgericht werden wohl noch Jahre vergehen. Bürger, die Einspruch einlegen wollen, müssen vorerst selbst vor den zuständigen Finanzgerichten Klage einreichen. „Das alles kostet die Steuerzahler Zeit und Geld und belastet die Finanzverwaltung mit unzähligen Einsprüchen und die Justiz mit gerichtlichen Massenverfahren“, kritisierte Witzel.
Die FDP forderte zudem, dass die Finanzbehörden auf eine Bestrafung der Säumigen verzichtet. „Wir brauchen konkrete Hilfen der Finanzämter statt Sanktionen, um den Rücklauf zu erhöhen. Der Finanzminister darf jetzt nicht noch Geld verdienen an seinem Scheitern, ein verständliches und akzeptiertes Modell auf den Weg zu bringen“, so der FDP-Politiker.
Finanzämter mit Musterverfahren entlasten
Auch die Deutsche Steuergewerkschaft (DSTG) in NRW forderte die Landesregierung auf, Musterverfahren zuzulassen. „Es gibt jetzt bereits eine Welle von Einsprüchen gegen die Bescheide“, sagte der Vorsitzenden Manfred Lehmann dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Um die Mitarbeiter in den Finanzämtern zu entlasten, sollte Schwarz-Grün in Abstimmung mit den Finanzgerichten Regelungen zum Umgang mit Musterverfahren treffen. „Bürger und Verwaltung brauchen eine klare Ansage, wie mit Bescheiden und Einsprüchen umzugehen ist“, so Lehmann.
Der Gewerkschaftsvorsitzende teilt die Kritik vieler Steuerzahler an der Komplexität des Abgabeverfahrens. „Ein Grund dafür mag sein, dass die Abgabe von vielen Bürgern als lästig empfunden wird. Begrifflichkeiten wie ,Zähler und Nenner‘ sind für die meisten Bürger nur schwer zu verstehen. Hier hätte der Gesetzgeber, in NRW auch die Vorgängerregierung, die Steuererklärung sicherlich einfacher gestalten können“, so Lehmann.
NRW verzichtete auf eigenes Gesetz
Das NRW-Finanzministerium hatte bereits direkte Kosten der Grundsteuererhebung in zweistelliger Millionenhöhe eingeräumt. Anders als die Nachbarländer Hessen und Niedersachsen hatte NRW die Möglichkeit der Länderöffnungsklausel nicht genutzt, um ein eigenes Grundsteuermodell zu beschließen. Stattdessen wurde das „Scholz-Modell“ des Bundes übernommen, das eine möglichst genaue Wertermittlung für 6,7 Millionen Immobilien in NRW anstrebt.
Die Oberfinanzdirektion NRW sagte unserer Zeitung auf Anfrage, in NRW müssten 6,7 Millionen Grundstücke aufgrund der Grundsteuerreform neu bewertet werden. „Bisher sind rund fünf Millionen Erklärungen (73 Prozent) in den nordrhein-westfälischen Finanzämtern eingegangen“, so ein Sprecher. Die Finanzverwaltung werde Anfang kommender Woche damit beginnen, die Eigentümer, die ihre Grundsteuererklärung nicht fristgerecht abgegeben haben, an die Abgabe zu erinnern. „Ist dies erfolglos, werden die Finanzämter die Besteuerungsgrundlagen schätzen“, so der Sprecher.