Die NRW-Umweltwirtschaft boomt. Zwei Kölner entwerfen und bauen jetzt Maschinen, mit denen wiederaufladbare Batterien hergestellt werden können.
Umweltwirtschaft NRW boomtWie in Köln die Batterien der Zukunft entstehen
Die Idee verblüfft im ersten Moment: Der Kölner Christoph Baum und sein Kompagnon Toni Voebel wollen Maschinen bauen und verkaufen, mit denen individuell gestaltbare Batterien hergestellt werden können. Nach jahrelanger Mitarbeit beim renommierten „Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologogie IPT“ haben sie jetzt eine eigene Firma gegründet.
„Es gibt tolle Erfindungen in der Wissenschaft“, sagt der 31-jährige Voebel. Ob es am fehlenden Unternehmergeist, mangelnder finanzieller Unterstützung durch Investoren oder politischer Dummheit wie beim Verlust der Solarindustrie an China liegt. „Das Problem in Deutschland ist, vielversprechende Forschungsergebnisse in eine Kommerzialisierung und Vermarktung zu bringen“, ergänzt der 46-jährige Baum.
Wertschöpfung von 52,8 Milliarden Euro
Die nordrhein-westfälische Umweltwirtschaft hat das Jahrzehnt mit einem Wachstumsschub eröffnet. Die jährliche Bruttowertschöpfung stieg zwischen 2020 und 2023 um 9,2 Milliarden auf knapp 52,8 Milliarden Euro. Die Anzahl der Erwerbstätigen erhöhte sich um 21.600 pro Jahr. Aktuell sind rund 600.000 Menschen in NRW in der Branche tätig. Ein Vergleich zeigt die Bedeutung: In der Hochphase des Steinkohlebergbaus fanden dort 500.000 Menschen eine Beschäftigung.
Mit ihrem Start-up „Manugy“ wollen die Kölner Gründer zukünftig Geräte anbieten, mit denen Unternehmen Akkus herstellen können, die es bisher noch nicht gibt. „Für eine neue Drohne beispielsweise, eine Bohrmaschine oder etwa im Bereich der Medizintechnik“, erläutert Voebel. Design, Leistung oder die verwendeten Materialien: „Dies alles soll mit unseren Angeboten selbst bestimmt und dann mit deutlich weniger Energie als in derzeit bestehenden Anlagen hergestellt werden können“, sagt Baum.
Neuartige Batterien, selbst hergestellt
Für besondere Techniken, am Fraunhofer-Institut von ihnen teilweise mitentwickelt, haben die Gründer die Lizenzen erhalten. Viel wolle und dürfe er über die Erfindungen nicht verraten, so Voebel. Unter anderem jedoch, das könne er sagen, könnten verschiedene Batterietypen und -größen auch bei speziellsten Anforderungen mit der gleichen Manugy-Maschine gefertigt werden. Wohl ein deutlicher Wettbewerbsvorteil für die Pioniere der Branche, die auf ein günstiges Wettbewerbsumfeld treffen.
Denn der weltweite Markt für Batterien wächst rasant. Bis 2030 wird die Nachfrage laut Studien von heute 700 Gigawattstunden (GWh) um jährlich 30 Prozent auf dann 4700 GWh wachsen. Die Umsätze steigern sich auf über 400 Milliarden US-Dollar im Jahr 2030. Bisher steht und fällt die mobile Welt zwar mit dem Lithiumionen-Akku. Aber die Batterie der Zukunft wird anders aussehen. Längst schon gibt es vielversprechende Forschungen etwa zu Feststoff-Akkus, einer Natrium-Ionen-Technologie, zu Magnesiumionen-Batterien, Zink-Wasserstoff-Akkus oder Lithium-Schwefel-Batterien, die durch Nanotechnologie gegen Austrocknung geschützt werden sollen.
800.000 Euro vom Land NRW
„Auch die Energiewende wird ohne leistungsfähige Speichermöglichkeiten nicht gelingen“, sagt Baum: „Akkus etwa in Wohnungen oder Häusern wären dann sinnvoll, um bei regenerativer Energie mit Sonne und Wind die Phasen mit wenig Power im Netz auszugleichen.“ Womöglich auch ein Markt für das im Juni 2024 gegründete Startup, das bereits acht Mitarbeiter, einen Kunden und „zwei konkrete Kundenanfragen“ hat.
Das Land NRW jedenfalls hat das Unternehmen im vergangenen Jahr im Wettbewerb „Grüne Gründung“ ausgezeichnet und mit 800.000 Euro gefördert. Unterstützt werde die Entwicklung eines „Prototypen für ein innovatives modulares Maschinensystem, das umweltfreundliche Energiewandler und Energiespeicher produziert“, heißt es in der Begründung für die Auszahlung der öffentlichen Geldern.
Wertschöpfung von 52,8 Milliarden Euro
2023 exportierte die nordrhein-westfälische Umweltwirtschaft Güter im Wert von rund 14,5 Milliarden Euro. Damit bestritt sie bereits 6,5 Prozent aller Ausfuhren. Neben der wirtschaftlichen ist auch die ökologische Bedeutung der Sparte groß. Öko-Produkte und Leistungen aus NRW sparen laut einem aktuellen Bericht der Landesregierung weltweit circa 63 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen ein. Die so genannte „ökologische Dividende“, dazu zählten etwa vermiedene Umweltschäden oder der Erhalt von Biodiversität, betrage umgerechnet rund 28,9 Milliarden Euro, heißt es in dem Bericht.
Der Bereich habe sich „sowohl während der Corona-Pandemie als auch in den multiplen Krisen danach als krisenfest erwiesen und zur Stabilisierung der Volkswirtschaft beigetragen“, sagte Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die „Green Economy“ sei zum „neuen Motor der Wirtschaft in unserem traditionell geprägten Industrieland geworden“.
Zur Umweltwirtschaft werden alle Unternehmen gerechnet, deren Produkte und Dienstleistungen einen Beitrag zum Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz leisten. Sie reicht von der Land- und Forstwirtschaft über die großen industriellen Schlüsselbranchen des Landes wie etwa die Elektroindustrie oder den Maschinen- und Fahrzeugbau bis hin zu technologieorientierten Dienstleistungsfeldern. Ihre Unternehmen und Betriebe finden sich in klassischen Bereichen wie der Abwasser- und Abfallentsorgung ebenso wie in den neueren Feldern umweltfreundlicher Mobilität oder erneuerbarer Energie.
Recycelte Paletten, CO2 für grünen Wasserstoff oder Mörtel aus Lehm
Entwickelt und gebaut werden beispielsweise klimafreundliche Energieerzeugungsanlagen, effiziente Wärmetechnik oder verbesserte Anlagentechnik für die Abfallwirtschaft. Obwohl die Umweltwirtschaft in der Metallindustrie und in der der Chemie- und Kunststoffbranche bislang mit rund fünf Prozent nur einen geringeren Stellenwert einnimmt, gibt es selbst hier bereits erste Erfolge: Effizientere und umweltverträglichere Rohre für das Wasser- und Abwassernetz beispielsweise, Dämmmaterialien und die Produktion ökologischer Pflanzenschutzmittel.
Die Angebote sind vielfältig wie die beteiligten Branchen. Und die Ideen sind oft überraschend. Ein Unternehmen aus Frechen beispielsweise verkauft extrem haltbare Mehrwegkästen und -palletten aus Kunststoff, die auch nach dem Gebrauch bei Bedarf auch repariert und gereinigt werden. Ein Betrieb aus Hünxe bereitet mit einem neuen Verfahren mineralische Abfälle zu hochwertigen Sekundärbaustoffen für den Hoch- und Tiefbau auf. Ein Startup in Essen hat eine Anlage entwickelt, die CO2 aus der Luft filtert und mit grünem Wasserstoff verbindet, um das Gemisch dann problemlos in das bestehende Erdgasnetz einzuspeisen. Eine Firma aus Attendorn hat 2022 ein umfangreiches System für die optimale Bewässerung von landwirtschaftlichen Flächen auf den Markt gebracht. Über Sensorik auf dem Feld und weitere Daten wie Wettervorhersagen bringt das System Transparenz in den Verbrauch und Bedarf, so dass zielgenau bewässert werden kann.
Umweltminister Krischer: „Die Unternehmen sind der Schlüssel zum Erfolg“
In Viersen werden Baustoffe wie Mörtel und Trockenbauplatten aus Lehm produziert. Einem Rohstoff, der in Deutschland in großen Mengen verfügbar sowie ein geeigneter Ersatz für weniger umweltfreundliche Stoffe wie Gips und Kalkstein ist. Eine Firma aus Dortmund bietet deutschlandweit das bisher einzige biobasierte Mehrwegsystem an. Die nachhaltigen Becher und Bowls, die in gastronomischen Betrieben und bei Veranstaltungen zum Einsatz kommen, speichern mehr CO2, als sie wiegen. Das Material wird aus einem Abfallprodukt der Zuckerproduktion gewonnen, wodurch für die Herstellung keine Pflanzen eigens gesetzt, bewässert und gedüngt werden müssen. Und ein Unternehmen aus der Eifel hat eine ressourceneffiziente Membranfiltertechnologie für die Abwasseraufbereitung in Kläranlagen entwickelt. Eine Gemeinde mit wenigen tausend Einwohnenden kann dadurch hunderttausende Euro an Stromkosten sparen. Der hoch automatisierte Produktionsprozess funktioniert darüber hinaus ohne Chemikalien.
„Wir waren das erste Bundesland, das die Umweltwirtschaft bereits vor zehn Jahren fokussiert und gefördert hat“, betont Minister Krischer: „Überdurchschnittlich hohe Anteile an globalen Patentanmeldungen erzielt NRW zum Beispiel in den Technologiebereichen Mess-, Steuer- und Regeltechnik.“ Auch „im Technologiebereich Wasser- und Abwassernetz“ zähle das Bundesland „zu den globalen Innovationsführern“. Der Erfolg der Unternehmen zeige heute, dass zwischen Umwelt und Wirtschaft kein „oder“ gehöre. Der Bereich sei vielmehr profitabel und „absolut wettbewerbsfähig“. Die hiesigen Unternehmen hätten erkannt, dass es sich lohne, „Innovationen zu wagen und damit in die Zukunft unseres Landes zu investieren“, so der Grünen-Politiker: „Sie sind der Schlüssel zum Erfolg.“