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Gesundheit, Umwelt, InfrastrukturWie sich NRW gegen den Klimawandel wappnen will

Lesezeit 4 Minuten
Blick von der Rheinbrücke Rodenkirchen auf Köln an einem der heißesten Tage des Jahres 2023. Die anhaltende Trockenheit ließ den Rheinpegel Köln auf 186 cm sinken.

Niedrigwasser auf dem Rhein 2023: Die allgegenwärtigen Auswirkungen des Klimawandels zwingen die NRW-Landesregierung auch zum Handeln.

Das Land will vorausschauende Schutzmaßnahmen ergreifen. Was konkret geplant ist.

Die Brisanz des Themas unterstrich NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) mit deutlichen Hinweisen. „Die Klimakrise ist in NRW angekommen.“ Er sprach von „nicht enden wollenden Hochwasserereignissen“, zunehmenden Hitze- und Dürreperioden, all den Wetterkapriolen, „die in letzter Zeit über uns hereingebrochen sind“. Krischer sagte: „Was früher extrem war, ist heute das neue Normal“ – und begründete so die Notwendigkeit der „Klimaanpassungsstrategie NRW“, die er am Dienstag vorstellte.

Was ist die Strategie? Was genau soll passieren? Was sagen die Opposition und die Umweltverbände in NRW? Wir geben Antworten zu den wichtigsten Fragen.

Worum geht es?

Die „Klimaanpassungsstrategie NRW“ ist ein Katalog von 110 Maßnahmen, die Mensch und Infrastruktur vor den Folgen des Klimawandels schützen sollen. Mit der Strategie erfüllt das Land die Vorgabe des Anfang Juli in Kraft getretenen Bundesgesetzes zur Klimaanpassung, wonach jedes Bundesland dazu verpflichtet ist, eine eigene Klimaanpassungsstrategie vorzulegen.

Die für NRW geplanten Maßnahmen sind in vier übergeordnete Bereiche (Mensch, Umwelt, Planung und Bau, Wirtschaft) und 16 Handlungsfelder unterteilt. Themen von der Wasserwirtschaft über die Landwirtschaft und den Katastrophenschutz bis hin zur städtischen Entwicklung spielen eine Rolle. Die Landesregierung kündigte an, dass diese Strategie bis 2029 für sie „handlungsleitend“ sein solle und ihre Umsetzung laufend überprüft werde.

Umweltminister Oliver Krischer ist im Porträt zu sehen.

„Die Klimakrise ist in NRW angekommen“, sagte Umweltminister Oliver Krischer bei Vorstellung der Klimaanpassungsstrategie NRW.

Die Klimakrise produziere schon jetzt enorme Schäden, sagte NRW-Umweltminister Oliver Krischer am Dienstag. Und da noch kein Ende der Klimaerwärmung in Sicht sei, lautete seine düstere Prognose: „Das, was wir jetzt erleben, ist nur der Anfang dessen, was auf uns zukommen wird.“

Es sei richtig, Klimaschutz zu betreiben, „das ist DIE Menschheitsaufgabe“, betonte er. Genauso wichtig sei aber eine Klimaanpassung, weshalb an der für die Zeit von 2024 bis 2029 geplanten Strategie in der Landesregierung ressortübergreifend gearbeitet worden sei. Es gehe darum, künftige „Schäden zu reduzieren und die Klimakrise für den Menschen erträglicher zu machen“.

Starkregenereignisse in Mittelgebirgen: Sturzfluten drohen

Welche Daten sind die Grundlage?

Im Fachbericht „Klimaentwicklung und Klimaprojektionen in Nordrhein-Westfalen“ des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) werden die bevorstehenden Auswirkungen des Klimawandels für die unterschiedlichen Gebiete in NRW beschrieben. Für die am dichtesten besiedelten Bereiche NRWs entlang von Rhein und Ruhr, die bereits heute zu den wärmsten Regionen Deutschlands zählen, werde sowohl der Anstieg der Durchschnittstemperaturen als auch der heißen Tage und Tropennächte eine besondere Relevanz haben.

Für die Mittelgebirgsregionen dagegen werde das Auftreten von Starkregenereignissen eine wesentliche Rolle spielen. Hier geht das Lanuv von einer steigenden Gefahr von Sturzfluten sowie Bodenerosionen bis hin zu abrutschenden Hängen aus. Dagegen werde bei längeren Trockenperioden vor allem im Münsterland und in Ostwestfalen-Lippe die Gefahr bestehen, dass es durch Nutzungskonkurrenzen Einschränkungen bei der Wasserversorgung gibt.

Welche Maßnahmen sind vorgesehen?

In der Strategie gehe es um kleine Dinge wie Trinkwasserbrunnen in den Städten als Vorsorge für Hitzeperioden, erklärte Krischer. Um größere Projekte wie die Entsiegelung von Schulhöfen, um Hitzeinseln in den Städten abzubauen. Und auch um Großaufgaben wie die Starkregenvorsorge, den Hochwasserschutz oder den Moorschutz und die Wiedervernässung von Gebieten, um mehr Kühleffekte durch Verdunstung zu ermöglichen. Als weitere Maßnahmen im Detail nannte Krischer die Schließung von Entwässerungsgräben in Wäldern, um diese vor Dürre zu schützen. Oder die Beteiligung an der Entwicklung von niedriggängigen Schiffen für die Binnenschifffahrt, damit diese auch bei Niedrigwasser aufrechterhalten werden kann.

SPD im Landtag: „110 Punkte lange Mogelpackung“

Was sagt die Opposition?

Nichts Gutes. Die Strategie sei eine „110 Punkte lange Mogelpackung“ der schwarz-grünen Landesregierung, monierte René Schneider, der umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag NRW: „Das liest sich gut, ist aber durch keinen konkreten Plan für die Umsetzung hinterlegt. Finanziell wird in der Liste vollmundig angekündigt, was zeitgleich im Haushalt 2025 bereits still und leise weggekürzt wird.“

So gebe es etwa für den Hochwasserschutz mit 84 Millionen Euro deutlich weniger Geld, als Experten für nötig erachteten, teilte Schneider mit, und die Versiegelung des Landes gehe ungebremst weiter. „Das tatsächliche Agieren der Regierung macht Teile von Krischers Maßnahmen schon jetzt zur Makulatur“, sagte Schneider.

Was sagen die Umweltverbände in NRW?

Der Bund für Umwelt und Naturschutz NRW (BUND NRW), der Landesverband NRW des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) und die Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU NRW) als Vertreter vieler kleinerer Verbände waren mit ihrem Abgesandten Rainer Polke im zuständigen Beirat an der Erstellung der Klimaanpassungsstrategie NRW beteiligt. Man habe auf 20 Seiten zusammengefasste Empfehlungen erarbeitet, sagte Polke dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Viele davon finde er in der Strategie wieder, „das liest sich alles gut“.

Das große Problem sei nun jedoch die praktische Umsetzung, betonte das Vorstandsmitglied des Bergischen Naturschutzvereins: „Ich stelle nicht fest, dass die Dinge in den kommunalen Planungen Niederschlag finden.“

Polke kritisierte zudem eine zu starke Aufteilung der Zuständigkeiten. Klimaanpassung ist dem NRW-Umweltministerium zugeordnet, Klimaschutz dagegen dem Wirtschaftsministerium. Er wünscht sich eine bessere übergreifende Zusammenarbeit bei allen Klima-Notwendigkeiten. Insgesamt bereite ihm Sorgen, dass der Klimaschutz zunehmend im Schatten anderer Krisen ausgebremst werde. „Wir können es uns aber nicht leisten, zu warten“, sagte Polke: „Der Klimawandel erfordert ein unmittelbares Handeln, da führt allein aufgrund der Schäden kein Weg dran vorbei.“