Drei Tatverdächtige wollten mutmaßlich 15 Millionen Euro von Michael Schumachers Familie erpressen. Nun stehen sie vor Gericht.
Sie wollten 15 Millionen EuroSchumacher-Prozess startet – Wie die Erpresser vorgingen
Der Anrufer ließ keinen Zweifel an seinen Absichten. Am 3. Juni 2024 kontaktierte Mehmet L. (Name geändert), 53, die Geschäftsführerin der Schweizer Firma „Michael Schumacher Office“. Der türkische Türsteher soll behauptet haben, über Fotos und Videos zu verfügen, die den Gesundheitszustand des bei einem Skiunfall vor elf Jahren verunglückten mehrfachen Formel-1-Weltmeisters dokumentierten. Falls die Familie Schumacher nicht an dem Material interessiert sei, werde er die Aufnahmen im Darknet veröffentlichen.
Zwei Tage später meldete sich Mehmet L. erneut. Zum Beweis seiner Angaben wollte er eine Probe an die Firmenchefin schicken. Sein Sohn soll für diese Aktion eigens einen E-Mail-Account dehnt-1@gmx.de angelegt haben, um zu verhindern, dass die Spur zum Vater hätte zurückverfolgt werden können. Über diesen Account wurden vier Fotos von der Rennfahrer-Ikone in die Schweiz versandt. Zudem soll der Absender behauptet haben, 1500 Fotos und 200 Videos zu besitzen, die Michael Schumacher häufig nach dem Skiunfall zeigten.
Vorbestrafter Kleinkrimineller aus Wuppertal forderte 15 Millionen Euro
Mehmet L. ist ein vielfach vorbestrafter Kleinkrimineller aus Wuppertal. In einem Telefonat am 17. Juni soll er die Höhe seiner Geldforderung konkretisiert haben: 15 Millionen Euro, zahlbar in zwei Tranchen, sollten die Schumachers aufbringen. Im Gegenzug sollten beide Festplatten wieder in den Besitz der Familie gelangen.
Doch der Coup scheiterte kläglich. Corinna Schumacher hatte längst die Polizei eingeschaltet, den deutschen Behörden gelang es, die Erpresser mit digitalen Fahndungsmethoden in Wuppertal zu orten. Am 19. Juni kamen Vater und Sohn in Untersuchungshaft. Insgesamt wurden laut Staatsanwaltschaft 900 Bild- und 580 Videodateien beschlagnahmt. Von Dienstag an müssen sich die beiden Tatverdächtigen sowie ein mutmaßlicher Hintermann wegen versuchter Erpressung vor dem Schöffengericht in Wuppertal verantworten.
Mutmaßlicher Drahtzieher des Erpressungsversuchs ist Werner M. (Name geändert) aus Wülfrath. Von März 2012 bis Frühjahr 2021 arbeitete er bei einer Security-Firma, die das Anwesen der Schumachers in der Schweiz bewachte. Der 53-jährige Angeklagte begleitete seinerzeit auch Krankentransporte des Ex-Weltmeisters. Zu den Aufgaben des IT-Experten M. zählte überdies die Digitalisierung von Fotos und Videos der Rennfahrer-Familie. Vor dreieinhalb Jahren endete der Job. Sein Chef warf ihn raus.
In jenem Zeitraum soll Werner M. brisantes Material bis hin zur Medikamentenliste für den verunglückten Formel-1-Piloten abgeschöpft haben. Die Bilder stammten Focus online zufolge häufig aus den Krankenakten. Nach seiner Kündigung kontaktierte der mutmaßliche Datendieb laut Staatsanwaltschaft Mehmet L.. Die beiden kannten sich schon lange, arbeiteten in früheren Zeiten gemeinsam als Türsteher einer Diskothek in Konstanz am Bodensee. L. sollte die gestohlenen Dateien bei der vermögenden Familie Schumacher versilbern. Der Millionenerlös sollte nach Erkenntnissen der Ermittler geteilt werden.
Wollten die Männer sogar noch weitere Kopien zu einem späteren Zeitpunkt zu Geld machen?
Mehmet L. soll dann ein seltsames Spiel gespielt haben. In den Telefonaten mit der Schumacher-Seite gab er sich als seriöser Geschäftsmann aus. Von Erpressung könne keine Rede sein, soll er beteuert haben, nannte die Aktion einen „sauberen Deal“. Sollte die Gegenseite das Gefühl haben, unter Druck gesetzt zu werden, dann würde er das Ganze beenden und das Material an seinen Lieferanten zurückgeben. Alles solle sauber ablaufen, hieß es. Es gebe auch keine Kopien.
Tatsächlich soll es laut Staatsanwaltschaft aber anders gewesen sein. L. soll außer den beiden Festplatten auch vier USB-Sticks mit zahlreichen Bilddateien versteckt haben. Diese Sticks, so der Verdacht, sollten erst später eingesetzt werden. Womöglich für eine weitere Erpressung. Derzeit ist noch unklar, ob sich diese Ermittlungsthese erhärtet.
Fakt ist, dass die beiden Haupangeklagten ständig im Austausch standen. In Handy-Posts prahlte Mehmet L. damit, bald sein eigener Herr zu sein. Werner M. wünschte ihm viel Glück dabei. Letztlich lief das Unternehmen komplett schief. Nach seiner Festnahme legte L. ein Geständnis ab. Zudem lieferte der Beschuldigte den Ermittlern den Hinweis zu seinem Hintermann in Wülfrath.
Geständnis und Hinweis auf Mittäter
Am 3. Juli verhafteten die Strafverfolger auch Werner M.. Der Sicherheitsunternehmer wurde vor zwölf Jahren wegen Betrugs zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Sein Verteidiger Harald Benninghoven erklärte gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass sein Mandant sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert habe. Ob sich dies in der Hauptverhandlung ändern wird, ließ er offen.
Die Schumachers haben Anwälte benannt, die sie als Nebenkläger vertreten sollen, über die Zulassung der Juristen muss die Richterin am Dienstag aber erst befinden.
Seit dem Skiunfall versucht die Familie, Details zum Gesundheitszustand des einstigen Formel-1-Titelträgers aus den Medien herauszuhalten. Folglich werden die Opfer-Anwälte in erster Linie darauf dringen, dass die Erpresservideos und Fotos als Beweismittel nicht in öffentlicher Sitzung zu sehen sind. Wie das Gericht entscheidet, wird sich weisen.