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Zu hohe Hürden für direkte DemokratieFast jedes zweite Bürgerbegehren in NRW ist unzulässig

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Ein Stift mit der Aufschrift „Ich will abstimmen!“ liegt auf Zetteln mit Bürgerbegehren auf einem Schreibtisch.

Ein Stift mit der Aufschrift „Ich will abstimmen!“ liegt auf Zetteln mit Bürgerbegehren auf einem Schreibtisch.

Bürgerbegehren können ein Ventil für die Unzufriedenheit mit kommunalpolitischen Entscheidungen sein. Oft scheiterte die direkte Demokratie jedoch.

In keinem anderen Bundesland scheitern so viele Bürgerentscheide am Zustimmungsquorum wie in Nordrhein-Westfalen. Das erklärte Achim Wölfel, Landesgeschäftsführer des Vereins „Mehr Demokratie in NRW“ am Mittwoch vor Journalisten in Düsseldorf. Einer Erhebung zufolge verfehlten 40,3 Prozent aller Bürgerentscheide das Zustimmungsquorum und waren ungültig. „Im bundesweiten Vergleich ist der Wert erschreckend hoch“, sagte Wölfel.

Seit fast genau 30 Jahren haben Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit, Entscheidungen auf kommunaler Ebene durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheide aktiv mitzugestalten. Haben genug Bürger ein Bürgerbegehren mit ihrer Unterschrift unterstützt, ist dieses formell zulässig. Wird es dennoch vom Rat mehrheitlich abgelehnt, kommt es zum Bürgerentscheid. Bis heute gab es insgesamt 994 Verfahren. Zu den häufigsten Themen gehören Abstimmungen über Schulstandorte, öffentliche Infrastruktureinrichtungen (wie zum Beispiel Rathausneubau) und Verkehrsprojekte. Einen deutlichen Zuwachs habe es in den vergangenen Jahren bei Bürgerbegehren für eine bessere Fahrrad-Infrastruktur gegeben, bilanzierte Wölfel. Die meisten eingeleiteten Verfahren gab es in Bonn (20), Essen (17), Bielefeld und Wuppertal (je 15).

Laut dem Verein „Mehr Demokratie“ sollten die Zustimmungsquoren für Bürgerbegehren deutlich abgesenkt werden. Diese richten sich nach der Gemeindegröße. Bei bis zu 50 000 Einwohner müssen 20 Prozent der Wahlberechtigten zustimmen. Diese Hürde sei „frustrierend hoch“, sagte Wölfel. Er schlug eine Absenkung auf zehn Prozent vor.

Ventil für Unzufriedenheit

Die Zulassung von mehr direkter Demokratie könnte ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den politischen Extremismus sein, glaubt der Landesgeschäftsführer. „Bürgerbegehren sind ein Ventil für die politische Unzufriedenheit, die so eingefangen werden kann“, sagte Wölfel. Direkte Demokratie trage zur Befriedung des politischen Systems mit bei.

Den Bürgerentscheid mit der höchsten Beteiligung gab es in Hövelhof (Kreis Paderborn). Dort wurde 2021 über den Neubau eines Hallenbads entschieden. Die Stimmbeteiligung lag bei 75,4 Prozent. In Raesfeld (Kreis Borken) nahmen 74,1 Prozent an der Abstimmung über die Frage teil, ob ein Jugendhaus zur Flüchtlingsunterkunft umgewandelt werden sollte – und verhinderten entsprechende Pläne. In Oelde (Kreis Warendorf) stimmten 70,7 Prozent bei einem Bürgerentscheid über einen finanziellen Zuschuss zu einem Kunstrasenplatz ab.

Der Verein „Mehr Demokratie“ setzt sich dafür ein, dass die Unterschriftensammlungen künftig auch digital erfolgen können. Die Wahlbeteiligung könnte verbessert werden, wenn die Abstimmungsunterlagen direkt mit der Post an alle Abstimmungsberechtigten geschickt würden. „In Gemeinden, die das bereits machen, steigt die Beteiligung um rund zehn Prozent“, sagte Wölfel.