In Zeiten von Krieg, Klimakrise und Konflikt kommt ein Preis für den Frieden gerade recht: Am Freitag wurde der Friedensnobelpreis vergeben.
NobelkomiteeIranerin Narges Mohammadi erhält Friedensnobelpreis 2023
Der Friedensnobelpreis 2023 geht an die iranische Frauenrechtsaktivistin und Journalistin Narges Mohammadi. Das teilte das norwegische Nobelkomitee am Freitagvormittag in Oslo mit. Sie bekommt den prestigeträchtigen Preis „für ihren Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen im Iran und ihren Kampf für die Förderung der Menschenrechte und der Freiheit für alle“, wie die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen, bei der Preisbekanntgabe sagte.
Mohammadi ist eine der bekanntesten Menschenrechtsaktivistinnen im Iran und wurde bereits mehrfach inhaftiert. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe verbüßt die 51-Jährige eine langjährige Haftstrafe im berüchtigten Ewin-Gefängnis in Teheran. Ende 2022, während der landesweiten Aufstände gegen Irans Machtapparat, brachte Mohammadi einen Bericht ans Licht, der mutmaßliche Folter an Dutzenden Frauen im Hochsicherheitsgefängnis aufdeckte.
Friedensnobelpreis 2023: Iranerin Narges Mohammadi erhält Auszeichnung
Ihre derzeitige Inhaftierung macht eine persönliche Übergabe des Preises, die traditionell im Dezember stattfindet, unwahrscheinlich. Reiss-Andersen sagte dazu während der Verkündung der Verleihung: „Wenn die iranischen Behörden die richtige Entscheidung treffen, werden sie sie freilassen, damit sie diese Auszeichnung erhalten kann.“
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Die Preisverleihung kommt fast genau 20 Jahre nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an die iranische Aktivistin und Juristin Shirin Ebadi. Am 10. Oktober 2003 wurde Ebadi für ihre Bemühungen um Demokratie und Menschenrechte als erste muslimische Frau der Friedensnobelpreis verliehen.
Im vergangenen Jahr hatten der inhaftierte belarussische Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki sowie die Menschenrechtsorganisationen Memorial aus Russland und Center for Civil Liberties aus der Ukraine den Nobelpreis erhalten.
Friedensnobelpreis 2023: Wolodymyr Selenskyj und Greta Thunberg waren unter Kandidaten
Dem Komitee standen genug Kandidaten zur Wahl: 351 Kandidatinnen und Kandidaten waren in diesem Jahr für den Preis nominiert worden, darunter 259 Personen und 92 Organisationen. Mehr Nominierungen gab es nur 2016, damals waren es 376.
Wer zum Kreis der Aspiranten gehörte und leer ausging, wird nach der Preisvergabe nicht öffentlich verraten. Die Nobel-Institutionen halten die Listen 50 Jahre lang geheim – gerade das heizt die Spekulationen vor der Bekanntgabe jedes Jahr an.
Das Rätselraten vor der Verkündung sowie die oft auseinandergehenden Meinungen danach gehören zum Nobelpreis dazu wie ein sattes Preisgeld und die prestigeträchtige Nobelmedaille. Ersteres wurde in diesem Jahr um eine Million auf nun elf Millionen schwedische Kronen (rund 950 000 Euro) pro Kategorie hochgesetzt, Letztere dürfen die Geehrten traditionell am 10. Dezember in Empfang nehmen, dem Todestag des Dynamit-Erfinders und Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896).
Friedensnobelpreis 2023: Das sprach gegen Wolodymyr Selenskyj
Ein britisches Wettbüro führte vor der Bekanntgabe am Freitag den ukrainischen Präsidenten Selenskyj als Topfavoriten, auch der inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny und die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja wurden dort erneut zum Favoritenkreis gezählt.
Friedensforscher zählten diese Namen jedoch nicht zu ihren Topfavoriten. Gegen Selenskyj sprach, dass er und die Ukraine sich weiterhin im Krieg befinden. Dan Smith, Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri, sagte vorab: „Wenn es möglich wird, sein Land in eine friedliche Zukunft zu führen, dann wäre das eine solch enorme Leistung, dass er ein sehr verdienter Kandidat für den Preis wäre. Aber an diesem Punkt ist er noch nicht.“
Menschenrechtlerin Mahbuba Seraj aus Afghanistan auf Favoritenliste
Wer stand sonst für den Nobelpreis zur Wahl? Auf der jährlichen Favoritenliste des Direktors des Osloer Friedensforschungsinstituts Prio, Henrik Urdal, stand neben der letztendlichen Gewinnerin Mohammadi unter anderen die Menschenrechtlerin Mahbuba Seraj aus Afghanistan. „Die Geschichte hat uns gezeigt, dass Respekt für die Menschenrechte untrennbar mit friedlichen Gesellschaften verbunden ist“, so Urdal.
Im Gegensatz zu vielen anderen Frauenaktivistinnen in Afghanistan weigert sich Seraj zu fliehen und betreibt weiterhin mehrere Frauenprojekte in dem Land.
Victoria Tauli-Corpuz und Juan Carlos Jintiach setzen sich für Rechte indigener Völker ein
Auch auf der Liste standen zwei Aktivisten, die für die Rechte indigener Völker einstehen. Die auf den Philippinen geborene Aktivistin Victoria Tauli-Corpuz setzt sich seit vielen Jahren für indigener Völker in der ganzen Welt ein. Sie hat sich außerdem intensiv mit dem Schutz der Tropenwälder und dem Kampf gegen zerstörerische Entwicklungsprojekte, dem Klimawandel, Fragen der sozialen Gerechtigkeit und der Förderung der Rechte indigener Völker und Frauen beschäftigt.
In ähnlicher Weise hat der ecuadorianische Indigenenführer Juan Carlos Jintiach eine Schlüsselrolle dabei gespielt, den Stimmen der indigenen Völker Gehör zu verschaffen.
Myanmar war auch Thema bei Friedensnobelpreis 2023
Die Prio-Favoritenliste widmete sich auch dem Konflikt in Myanmar. Seit dem Staatsstreich vom Februar 2021 hat das Militär Berichten zufolge über 2800 Menschen getötet und mehr als 17.400 inhaftiert. Botschafter Kyaw Moe Tun prangerte den Militärputsch schon bald nach dessen Ausbruch an und forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Junta weder anzuerkennen noch zu legitimieren.
Der Botschafter hätte sich den Preis teilen mit dem National Unity Consultative Council (NUCC) teilen können, das ein Ende der Diktatur in Myanmar und den Aufbau einer föderalen demokratischen Union anstrebt.
Fokus auf Klimawandel
Smith hielt es für eine gute Idee, wenn das Augenmerk diesmal auf den Kampf für Klimaschutz zu halten.
„Ich habe das Gefühl, dass es Zeit dafür ist, den Fokus auf den Klimawandel und seine Verbindungen zu Unsicherheit und Konflikten zu richten. Und auf unseren globalen Bedarf an friedlicheren Beziehungen, damit die Großmächte zusammenarbeiten können, um die Treibhausgase zu verringern und den Klimawandel abzubremsen“, meinte Smith. Schon in der Vergangenheit habe das Komitee Nobelpreise für Umweltschutz verliehen.
Die finale Entscheidung hing am Ende auch immer damit zusammen, wie der Begriff Frieden ausgelegt wurde. Manche Leute führen an, dass es darum gehen sollte, Frieden zu bringen – und dass den Preis deshalb Menschen erhalten sollten, die Kriege beendet haben.
Friedensnobelpreis: Entscheidung hängt von Definition von „Frieden“ hab
Dies würde aber etwa den Kampf für Menschenrechte, die Umwelt und nukleare Abrüstung ausschließen – alles Themen, für die der Preis in der Vergangenheit bereits vergeben wurde, wie Smith zu bedenken gab. „Die Leute haben unterschiedliche Definitionen, was ihrer Meinung nach die Grenzen des Preises sein sollten“, sagte der Direktor des Friedensforschungsinstituts Sipri. „Und das ist eine Art philosophische Diskussion.“
Smith hatte in der Hinsicht einen Vorschlag: Die eine Hälfte des Nobelpreises könnte an die von der schwedischen Aktivistin Thunberg initiierte Klimabewegung Fridays for Future gehen, mit der anderen Hälfte könnte der wichtige Beitrag indigener Völker zu dem Thema geehrt werden, etwa in Person des brasilianischen Häuptlings Raoni Metuktire. „Dies wäre der perfekte Preis, weil er so viele Aspekte abdeckt“, war Smith überzeugt. Der junge Aktivismus würde ebenso berücksichtigt wie eine viel ältere Form der Weisheit, so der Brite. „Ich denke, dass wir ein neues Gleichgewicht mit der Natur finden müssen. Und indigene Völker und Anführer können uns dabei helfen.“ (mcl mit dpa)