SPD-Vorstoß in NRWPolinnen in der häuslichen Pflege sollen legal arbeiten
Düsseldorf – Die NRW-SPD will einen sozialen Neustart in der Gesundheits- und Pflegepolitik zu einem zentralen Thema bei der Landtagswahl im Mai 2022 machen. In dem Aktionsplan „Maximal Mensch statt maximal Gewinn“, den Fraktionschef Thomas Kutschaty in Düsseldorf vorstellte, steht die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der Pflege ganz oben auf der Agenda. Dabei will die SPD auch ein heikles Thema angehen: Die häusliche Betreuung von Senioren durch billige Arbeitskräfte, die vornehmlich aus Polen, Rumänien und Bulgarien kommen.
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Josef Neumann, Gesundheitsexperte der SPD, schätzt, dass in NRW rund 80.000 Frauen aus Osteuropa in der Seniorenbetreuung tätig sind. Sie versorgen die Pflegebedürftigen oft rund um die Uhr, erhalten dafür aber meist nur einen Monatslohn von rund 1200 Euro. Professionelle Anbieter vermitteln die Kräfte, die nur in ihren Heimatländern angemeldet werden.
Die Branche bewegt sich in einer Grauzone. Wegen des Pflegenotstands wurde der Bruch der arbeitsrechtlichen Regeln in Deutschland stillschweigend akzeptiert. „Das Modell der illegal Beschäftigten aus dem Ausland hat sich auch deswegen etabliert, weil die Pflegeversicherung die Kosten für eine umfangreiche, intensive ambulante Versorgung nicht ausreichend abdeckt“, so Josef Neumann.
Polinnen steht Mindestlohn zu
Nun hat ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts die Vorzeichen neu gestellt. Danach müssen Betreuer, die 24 Stunden ab Abruf zur Verfügung stehen, auch für 24 Stunden bezahlt werden - und zwar nach Mindestlohn. Das bedeutet für viele Familien, dass sich die Betreuungskosten vervielfachen. Die Angehörigen sind zum Teil verzweifelt, weil sie sich eine Bezahlung nach deutschem Tarif nicht leisten können. Ohne die Unterstützung der Osteuropäerinnen droht den Pflegebedürftigen vielfach die Heimeinweisung - die durch die illegale häusliche Betreuung eigentlich vermieden werden sollte.
SPD-Experte Neumann will die verfahrene Situation jetzt durch die Übernahme eine Modells aus Österreich lösen. Dort wurde der Beruf des „Personenbetreuers" geschaffen, der unter bestimmten Voraussetzungen eine 24-Stunden-Betreung für rund 2000 Euro im Monat ermöglicht.
„Gemeindeschwestern" sollen beraten
In NRW wird der Anteil der über 65-Jährigen bis zum Jahr 2030 auf 27 Prozent ansteigen. Damit werde auch der Anteil an Information und Beratung über Pflegeangebote steigen. Die SPD fordert ein Modellprojekt mit „Gemeindeschwestern" als niedrigschwellige Ansprechpartner für Gesundheits- und Pflegefragen in den Kommunen. Das Gemeindeschwester-Modell ist ebenfalls Teil des Aktionsplans für ein besseres Gesundheits- und Pflegesystem.
Zum Start der Initiative kegelte Fraktionschef Thomas Kutschaty vor dem Landtag symbolisch 17 Hürden um, die Missstände im Gesundheitssystem verdeutlichen sollten: darunter Fachkräftemangel, unterfinanzierte Krankenhäuser und „Zwei-Klassen-Medizin“.