Moskau/Köln – Knapp sieben Monate nach Beginn des Krieges gegen die Ukraine hat Russland eine Teilmobilmachung der eigenen Streitkräfte angeordnet. Er habe diese Entscheidung nach einem Vorschlag des Verteidigungsministeriums getroffen und das Dekret unterschrieben, sagte Kremlchef Wladimir Putin in einer Fernsehansprache am Mittwochmorgen. Die Teilmobilisierung solle sofort beginnen. Russland will dafür nach Angaben von Verteidigungsminister Sergej Schoigu rund 300.000 Reservisten mobilisieren.
Die zwischenzeitliche Ankündigung der TV-Ansprache hatte bereits am Dienstagabend für Verwirrung gesorgt. Mehrere russische TV-Sender hatten die Rede angekündigt, später zogen sie die Ankündigungen zurück. Auch russische Journalisten schienen zunächst nicht genau zu wissen, was der Grund für die spontane Absage war.
Putin-Rede nach Ankündigung von Scheinreferenden
Später meldete „Forbes Russia“ dann, die Rede, die eigentlich für 22 Uhr am Dienstagabend angekündigt gewesen sei, solle laut ihren Quellen in der russischen Präsidialverwaltung nun am 21. September ausgestrahlt werden, „wenn der Ferne Osten aufwacht“. Auch die Chefredakteurin von „RT“, Margarita Simonjan, legte ihren Lesern und Leserinnen beim Messenger-Dienst Telegram am Dienstagabend nahe: „Geht ins Bett!“
Die Rede von Putin gilt als Reaktion auf die von Separatisten angekündigten Fake-Referenden in den selbsternannten, aber von keinem Staat außer Russland anerkannten, „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk, die zum ukrainischen Hoheitsgebiet gehören. Auch in den Regionen Cherson und Saporoschje sollen derartige Scheinreferenden über einen Anschluss an Russland stattfinden.
Angekündigte Scheinreferenden werden verurteilt
Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim im Jahr 2014 waren die Abläufe ähnlich. Auch damals riefen russisch-geprägte Separatisten eine vermeintlich freie Abstimmung über den Anschluss an Russland aus und versuchten so, das Vorgehen Moskaus zu legitimieren.
Die nun angekündigten Scheinreferenden wurden von der internationalen Gemeinschaft bereits kurz nach ihrer Ankündigung verurteilt. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte ebenso an, derartige Fake-Abstimmungen nicht zu akzeptieren, wie Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und US-Präsident Joe Biden. Auch die ukrainische Regierung verurteilte die Ankündigung.
Putins Rede-Ankündigung sorgt für Unruhe in Russland
In Russland schien bereits die Ankündigung der Rede Putins unterdessen für Unruhe zu sorgen. In sozialen Netzwerken war viel von einer möglichen Generalmobilmachung die Rede. Suchabfragen wie „Wie man Russland verlässt“ und „Mobilisierung“ schnellten am Abend in Russland in die Höhe, wie Google Trends belegte. Am Mittwochmorgen zeigte sich nach der Rede Putins dann erneut ein ähnliches Bild.
Angesichts der erfolgreichen ukrainischen Gegenoffensive in den letzten Wochen hatten Beobachter schon länger befürchtet, der Kreml könnte Scheinreferenden zur Legitimation weiterer Schritte nutzen und eine Teil- oder sogar eine Generalmobilmachung anstreben.
Am Abend meldete die russische Zeitung „Gazeta“ jedoch zunächst Gegenteiliges. „Es wird keine Generalmobilmachung geben“, zitierte die russische Zeitung den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses der Staatsduma, Andrej Kartapolow. Die Meldung erwies sich am Mittwochmorgen schließlich als zutreffend – Putin ordnete jedoch dennoch die Teilmobilmachung an.