Experte rechnet durchWas kostet Putin der Krieg pro Tag?
Rund zehn Wochen ist es inzwischen her, dass Wladimir Putin seinen Truppen den Befehl gab, in die Ukraine einzumarschieren. Geheimdienstinformationen zufolge soll der russische Machthaber mit einem schnellen Erfolg gerechnet und eine große Siegesfeier für den „Tag des Sieges“, den 9. Mai, geplant haben.
Doch der Widerstand der ukrainischen Truppen bleibt nach wie vor groß, Russland muss sich auf einen langen Krieg einstellen, während die eigene Wirtschaft durch Sanktionen zunehmend geschwächt wird. Stellt sich die Frage: Was kostet Putin die Invasion, und geht ihm möglicherweise in absehbarer Zeit das Geld aus?
Genaue Berechnung aufgrund fehlender unabhängiger Angaben nicht möglich
Um die zweite Frage beantworten zu können, muss man zunächst einmal der ersten auf den Grund gehen. In eine Berechnung der Kosten müssen unzählige Faktoren mit einfließen. Munition, Kraftstoff, Söldner – die Liste der Kostenpunkte ist lang. Genau hier liegt ein großes Problem: Da unabhängige Zahlen zu eingesetzten Soldaten, Kriegsfahrzeugen sowie zu Verlusten nicht existieren, ist eine exakte Berechnung nicht möglich.
Der Autor Tomi Ahonen versucht sich deswegen in einer detaillierten Rechenanalyse auf Twitter den realen Zahlen anzunähern – mehr als das kann aufgrund der genannten Unwägbarkeiten ohnehin nicht der Anspruch sein. Dafür hat er verschiedenen Quellen ausgewertet und zunächst einmal die Zahl der russischen Soldaten in der Ukraine auf 190.000 geschätzt.
In einem zweiten Schritt nennt Ahonen die nach seiner Analyse annehmbaren Zahlen für Panzer, Artillerieeinheiten und weiterer Militärfahrzeuge- sowie Ausrüstung. Diese Zahlen bilden die Grundlage für seine Kostenaufstellung.
Munition großer Kostenfaktor
Demnach sind die Munitionskosten einer der größten Kostenpunkte für Putin. Die Artillerie verbrauche davon mit Abstand am meisten. In seiner Berechnung kommt Ahonen auf geschätzte 3800 Artillerie-Einheiten, die insgesamt bei maximaler Auslastung knapp 30.000 Tonnen Munition verbräuchten. Hinzu kommen abgefeuerte Raketen.
Ende April veröffentlichte das „Forbes Magazine“ eine Kalkulation, die bis zum 28. April von Munitionskosten für Raketen von mindestens 7,5 Milliarden Dollar ausgeht.
Das ergibt heruntergerechnet 120 Millionen Dollar pro Kriegstag. Insgesamt beziffert Ahonen auf der Grundlage all dieser Rechenanstellungen die täglichen Maximalkosten für Munition auf 720 Millionen Dollar – an einem Tag.
Geschätzte 270 Millionen Dollar pro Tag für Munition
In der Realität dürften die tatsächlichen Kosten allerdings niedriger liegen, wie der Autor einräumt, da sie vor allem davon abhängen, wieviel tatsächlich geschossen wird. Um dieser Verzerrung Sorge zu tragen, veranschlagt Ahonen in seiner Berechnung für die Munitionskosten – mit Ausnahme der Kosten für Raketen – nur ein Viertel der Maximalsumme und kommt am Ende auf einen Wert von 270 Millionen Dollar.
Der Kraftstoff für Panzer, Flugzeuge und Schiffe fällt da verhältnismäßig gering ins Gewicht. Auf Grundlage von einer Tankfüllung pro Fahrzeug pro Tag und einem Spritpreis von einem Dollar pro Liter errechnet Ahonen einen Wert von rund 6,3 Millionen Dollar.
Ahonen rechnet mit 10 Millionen Dollar täglich für Sprit
Hinzu kommen gemessen an den bislang schätzungsweise geflogenen Einsätzen 2,3 Millionen für Kampfflugzeuge und 5,9 Millionen für alle weiteren Kampffahrzeuge. Insgesamt summieren sich die Kosten demnach auf gut 15 Millionen Dollar. Für realistisch hält Ahonen zwei Drittel der mit Maximalverbrauch berechneten Spritkosten, also 10 Millionen Dollar pro Tag.
Doch damit endet Ahonens aufwendige Rechenanalyse noch nicht. Knapp 25 Millionen Dollar pro Tag veranschlagt der Technologie-Experte für die Bezahlung von Söldnern sowie für die Entschädigung getöteter und verletzter Soldaten. Auch hier legt er Referenzangaben für Entschädigungssummen sowie pro Tag im Schnitt getötete russische Soldaten zugrunde.
Teuerster Krieg aller Zeiten?
Um ein vielfaches teurer sind die Auslagen für verlorenes Kriegsgerät. Alleine das versenkte Kriegsschiff „Moskwa“ soll 750 Millionen Dollar gekostet haben. Schätzungen zu Verlusten an Ausrüstung und Fahrzeugen auf russischer Seite gehen bis zu einem Wert von 10 Milliarden Dollar. Ahonen kommt in seiner Berechnung auf tägliche Maximalkosten von 230 Millionen Dollar.
Am Ende seines Versuches, den tatsächlichen Kriegskosten Putins nahe zu kommen, kommt Ahonen auf tägliche Gesamtkosten von 539 Millionen Dollar. Kosten von mehr als einer halben Milliarde Dollar pro Tag würden Putins Invasion in der Ukraine zum teuersten Krieg aller Zeiten machen. Auf 70 Kriegstage hochgerechnet käme man auf knapp 38 Milliarden Dollar (umgerechnet knapp 36 Milliarden Euro). Nicht mit eingerechnet wurden in dieser Kalkulation Gehälter von Berufssoldaten, da diese ja auch in Friedenszeiten anfielen.
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Die Berechnung entspricht sicher nicht den tatsächlichen Ausgaben, gibt aber einen Eindruck davon, wie teuer der Krieg für Putin in etwa sein könnte.
Derartige Aufwendungen belasten den Staatsetat, ob beziehungsweise wann Russland in ernsthafte finanzielle Nöte geraten könnte, lässt sich allerdings aus der Ferne nicht fundiert beantworten.