Bundeskanzler Scholz wehrt sich gegen Rassismus-Vorwürfe. Nun meldet sich Joe Chialo selbst zu Wort – sowie ein prominenter Zeuge.
Rassismus-VorwurfIn der „Hofnarr“-Debatte um Kanzler Scholz melden sich Joe Chialo – und ein Zeuge
![Berlins Kultursenator Joe Chialo und Bundeskanzler Olaf Scholz](https://static.ksta.de/__images/2025/02/13/fb473966-6776-416b-8826-40028a116d8a.jpeg?q=75&q=70&rect=0,149,3200,1800&w=2000&h=1500&fm=jpeg&s=1c1c644826c1313686add6a83c35ff72)
Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stehen im Zentrum einer Rassismus-Affäre: Scholz soll Chialo bei einer Party als „Hofnarr “bezeichnet haben.
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Gegen Bundeskanzler Olaf Scholz werden mitten in der heißen Wahlkampfphase Rassismus-Vorwürfe erhoben. Der „Focus“ hatte einen Bericht veröffentlicht, nach dem der SPD-Spitzenpolitiker den Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) als „Hofnarr“ bezeichnet habe. Das Ganze soll sich bereits am 2. Februar auf einer privaten Geburtstagsfeier des Unternehmers Harald Christ mit rund 300 Gästen zugetragen haben. Chialo bestätigte den „Vorfall“ und äußerte sich zunächst nicht weiter, Scholz wies die Rassismus-Unterstellung zurück und wehrt sich juristisch dagegen.
Am Donnerstag hat sich Joe Chialo dann doch zu Wort gemeldet: Er habe die Äußerungen von Bundeskanzler Olaf Scholz als „herabwürdigend und verletzend“ empfunden. Das sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in einem schriftlichen Statement. Nach einem Telefonat mit dem Kanzler sei die Angelegenheit für ihn nun aber erledigt.
Joe Chialo: „Ich halte Olaf Scholz nicht für einen Rassisten“
„Im Laufe der Diskussion zum Thema Migration und zu den Abstimmungen im Bundestag fielen hinsichtlich meiner Rolle in der CDU die Begriffe ‚Hofnarr‘ und ‚Feigenblatt‘. Diese Worte haben mich tief getroffen.“
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Scholz habe ihn am Mittwoch angerufen, so Chialo weiter. „Er bedauerte in unserem Gespräch, dass seine Aussagen als rassistisch verstanden wurden und erklärte, dass er das nicht beabsichtigt habe. Ich habe seine Sichtweise zur Kenntnis genommen. Im Übrigen halte ich Olaf Scholz nicht für einen Rassisten. Daran, dass seine Worte herabwürdigend und verletzend waren, ändert dies jedoch nichts.“
Nach sorgfältiger Abwägung und aufgrund des öffentlichen Interesses habe er sich nun entschlossen, sich doch in dieser Angelegenheit zu äußern, so der Politiker.
Scholz wies Rassismus-Vorwurf zurück
Wer nicht weiß, wie Joe Chialo aussieht, versteht den Wirbel nicht. Joe Chialo ist in Bonn geboren. Seine Eltern stammen aus Tansania. Joe Chialo ist Schwarz.
Beim „Focus“ heißt es zu dem entscheidenden Gespräch: „Als CDU-Politiker Joe Chialo einwandte, ob er das wirklich so meine mit dem Rassismus der CDU, jener Partei also, in deren Bundesvorstand er sitzt, fuhr Scholz ihn an, er, der Schwarze, sei nicht mehr als ein Feigenblatt. ‚Jede Partei hat ihren Hofnarren‘, sagt der Kanzler an Chialo gerichtet.“
Von CDU/CSU und FDP hagelte es nach der Veröffentlichung Kritik. Olaf Scholz gab ein Statement heraus, in dem er den Rassismus-Vorwurf als „absurd und konstruiert“ bezeichnete. Der verwendete Begriff sei von ihm nicht rassistisch gemeint – oder so im Sprachgebrauch konnotiert. „Persönlich schätze ich Joe Chialo gerade als eine wichtige liberale Stimme in der Union“, heißt es dort.
In einem Gespräch mit dem „Spiegel“ sagte Scholz am Mittwoch, er sei „aus allen Wolken gefallen, weil alles kann man mir vorwerfen, aber ganz bestimmt nicht, dass ich ein Rassist bin und dass ich irgendjemanden in dieser Hinsicht adressiere, wie das jetzt hier insinuiert wird, um es so zu sagen“.
„Bild“-Reporter Paul Ronzheimer war dabei
An dieser Stelle greift Scholz jetzt „Bild“-Reporter Paul Ronzheimer unter die Arme. Ronzheimer sagt in seinem Podcast, dass er der Journalist gewesen sei, mit dem sich Olaf Scholz auf der Geburtstagsfeier unterhielt, als die Begriffe „Hofnarr“ und „Feigenblatt“ fielen. Die betreffende Podcast-Folge ist am Donnerstag (13. Februar) erschienen.
Darin sagt Paul Ronzheimer zwei entscheidende Dinge. Zum einen habe der Gastgeber Harald Christ mehrfach betont: Das Gesagte bleibt alles in diesem Raum – im Journalismus nennt sich das Hintergrundgespräch. „Daran hab ich mich gehalten“, sagt der „Bild“-Reporter. Zum anderen habe er, Paul Ronzheimer, in dem Austausch von Chialo und Scholz keinen Skandal gesehen. „Man kann sicherlich darüber streiten, ob der Begriff zum Gegenstand der Berichterstattung hätte werden müssen“, sagt Ronzheimer. „Ich habe es in dem Moment nicht als rassistischen Eklat wahrgenommen.“ Aber das müsse Chialo selbst entscheiden.
Warum die Aussage von Olaf Scholz so problematisch ist
Tahir Della ist Pressesprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD). Er sagt: „Die Aussage ist problematisch, aber der Begriff Hofnarr ist nicht mit Schwarzen Menschen assoziiert.“ Della spricht von einem Muster, nach dem Menschen of Color abgesprochen werde, sich zu positionieren – oder sie sogar als Narren bezeichnet würden, die man nicht ernst nehmen müsse. Das sei rassistisch.
Im Hinblick auf die Argumentationslinie „Es war nicht so gemeint, also ist es nicht rassistisch“ vertritt Della die Meinung, dass nur zähle, was beim Gegenüber ankommt. Und wer würde schon zugeben, rassistisch zu sein? „Ich würde mir aber von der Union wünschen, dass sie bei anderen rassistischen Vorkommnissen ähnlich reagiert“, sagt Tahir Della. „Das habe ich bislang noch nie gehört.“
„Wir alle stehen derzeit unter großem Druck“, heißt es in Joe Chialos Statement mit Blick auf den Wahlkampf zur Bundestagswahl am 23. Februar. „Umso wichtiger ist es, dass wir in dieser aufgeheizten Situation mit Bedacht und Anstand miteinander umgehen. Ich hoffe, dass wir zu einem fairen und sachlichen Austausch zurückfinden. Für mich ist diese Angelegenheit damit abgeschlossen.“ (mit dpa)