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Attentat auf Robert FicoFünf Schüsse, ein geleaktes Tätervideo – und Spuren nach Russland?

Lesezeit 5 Minuten
Polizisten nehmen Juraj C. fest, nachdem der slowakische Ministerpräsident Fico nach einer Kabinettssitzung in der Stadt Handlova angeschossen und verletzt worden war.

Polizisten nehmen Juraj C. fest, nachdem der slowakische Ministerpräsident Fico nach einer Kabinettssitzung in der Stadt Handlova angeschossen und verletzt worden war.

Robert Fico befindet sich weiterhin in einem „sehr ernsten Zustand“. Doch welches Motiv hatte der Täter? Bisher ergibt sich kein klares Bild.

Der Angriff auf den slowakischen Regierungschef Robert Fico erschüttert die Slowakei und hat international Entsetzen ausgelöst. Bei dem auf ihn verübten Attentat erlitt Fico laut Angaben von Ärzten mehrere Schusswunden, in lokalen Medien ist von fünf Schüssen die Rede, die den Ministerpräsidenten am Mittwochnachmittag in der Kleinstadt Handlova trafen. Nach stundenlangen Operationen befinde sich Fico am Donnerstag immer noch in einem „sehr ernsten“ Zustand, erklärte Vize-Regierungschef Robert Kalinak bei einer Pressekonferenz.

„Leider ist der Zustand immer noch sehr ernst, da die Verletzungen kompliziert sind“, fügte Kalinak, der zugleich Verteidigungsminister ist, hinzu. Nach Angaben der Krankenhauschefin Miriam Lapunikova musste sich Fico einer fünfstündigen Operation unterziehen. Er befinde sich weiterhin in einem „wirklich sehr ernsten“ Zustand und bleibe auf der Intensivstation.

Slowakei unter Schock: Entsetzen nach Attentat auf Robert Fico

In der Slowakei herrscht nach der Attacke auf den Regierungschef unterdessen Entsetzen. „Kurz bevor ich ihm die Hand geben wollte, habe ich vier Schüsse gehört. Robert fiel auf den Boden“, sagte ein Augenzeuge am Mittwoch auf dem Platz vor dem Kulturhaus in Handlova im öffentlich-rechtlichen Sender RTVS. „Das ist etwas Schreckliches, das waren Schüsse von hinten“, fügte er hinzu. Über den Schützen sagte eine Frau dem Sender: „Der Mann stand dort von Anfang an. Er hat nur noch gewartet.“

In lokalen Medien kursieren unterdessen mehrere Videos, die sowohl die Schüsse auf Fico als auch die ersten Rettungsmaßnahmen seiner Personenschützer zeigen sollen. Auf einem der Videos ist Fico zu sehen, wie er sich dem mutmaßlichen Täter nähert. Dieser soll Augenzeugen zufolge kurz vor den Schüssen in Richtung Fico gerufen haben: „Robo, komm her!“

Attentat auf Robert Fico: Welche Motive hatte der Täter?

Über die Motive des mutmaßlichen Täters herrscht derweil noch Unklarheit. Laut Behördenangaben handelt es sich um einen 71-jährigen Amateur-Schriftsteller aus der Kleinstadt Levice. Kurz nach seiner Festnahme in Handlova kursierte in slowakischen Medien eine Videoaufnahme. Dort sagt der benommen wirkende mutmaßliche Attentäter: „Ich stimme der Regierungspolitik nicht zu.“

Als Beispiel nannte er mit undeutlicher Stimme die von der Regierung geplante Medienreform, gegen die seit Wochen Tausende Menschen demonstrieren. Auch die Frau des mutmaßlichen Täters wurde nach Medienberichten von der Polizei verhört.

Mutmaßlicher Attentäter soll Waffe legal besessen haben

Der Sohn des Schriftstellers sagte gegenüber slowakischen Medien derweil, sein Vater habe legal eine Schusswaffe besessen. Die Tat könne er sich jedoch nicht erklären. Dass sein Vater bei den letzten Wahlen nicht Fico gewählt habe, der einen pro-russischen Kurs eingeschlagen hat und die Ukraine nicht weiter unterstützen will, könne er aber bestätigen, erklärte der Sohn demnach. Bei den slowakischen Behörden war nach einer ersten Vernehmung lediglich von einem „politischen Motiv“ die Rede – worauf genau sich das bezogen haben könnte, blieb am Donnerstag zunächst unklar.

Leibwächter bringen den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico in einem Auto vom Ort des Geschehens in Sicherheit. Fico war nach einer Kabinettssitzung in der Stadt Handlova angeschossen und verletzt worden.

Leibwächter bringen den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico in einem Auto vom Ort des Geschehens in Sicherheit. Fico war nach einer Kabinettssitzung in der Stadt Handlova angeschossen und verletzt worden.

Hinweise aus der Vergangenheit des Täters ergaben zunächst kein konsistentes Bild. So sei der Schriftsteller Mitglied in einem „linken Literaturclub“ gewesen, berichtete das Investigativ-Medium „Dennik N“. Die Direktorin einer Bibliothek, die Juraj C. regelmäßig besucht haben soll, charakterisierte den mutmaßlichen Täter demnach als „normal“, er sei „in jungen Jahren rebellisch, aber nicht aggressiv“ gewesen, sagte die Frau gegenüber „Dennik N“.

Mutmaßlicher Täter: Hinweise auf Verbindungen zu pro-russischer Miliz

Gleichzeitig tauchten kurz nach dem Attentat allerdings auch Hinweise auf, die in eine andere politische Richtung deuten. So berichtete der ungarische Investigativjournalist Szabolcs Panyi im Kurznachrichtendienst X von früheren Treffen von Juraj C. mit einer pro-russischen Miliz namens „Slovensky branci“ („Slowakische Wehrpflichtige“) und veröffentlichte Fotos, die von der Gruppe im Jahr 2016 auf ihrer Facebook-Seite gepostet worden waren. Auf den damals veröffentlichten Fotos ist der mutmaßliche Attentäter eindeutig zu erkennen.

Zu den Fotos veröffentlichte die pro-russiche Gruppierung zudem Statements des Schriftstellers, in denen Juraj C. erklärte, warum er die Gruppe unterstützt, berichtete „Dennik N“ weiter. So könne eine solche Gruppierung „ohne staatliche Ordnung handeln“, lobte C. demnach und warnte vor „Hunderttausenden Migranten“, die nach Europa kommen würden. Vor diesen Migranten solle die „patriotische“ pro-russische Gruppierung die Slowakei schützen, führte der nun festgenommene 71-Jährige damals aus.

Attentat auf Robert Fico: Kein klares Bild, aber ein „politisches Motiv“

In einem weiteren Beitrag warnte er demnach vor „kriminellen Elementen“ und davor, dass der Staat seine Bürger nicht schützen könne – und diese das selbst in die Hand nehmen müssten. In den von ihm veröffentlichten Werken sollen sich zudem rassistische Aussagen über Roma und Sinti befinden, hieß es bei „Dennik N“ weiter. Eine konsistente politische Haltung lässt sich jedoch erneut nicht erkennen: Nur wenige Monate nach seinen Wortmeldungen für die pro-russische Miliz soll C. eine erfolglose Partei mit dem Namen „Bewegung gegen Gewalt“ gegründet haben.

Wladimir Putin bei einer Motorradtour mit den rechtsradikalen „Nachtwölfen“. Der mutmaßliche Attentäter von Robert Fico soll Verbindungen zu einer pro-russischen Miliz im Dunstkreis des rechtsradikalen Motorradclubs gehabt haben. (Archivbild)

Wladimir Putin bei einer Motorradtour mit den rechtsradikalen „Nachtwölfen“. Der mutmaßliche Attentäter von Robert Fico soll Verbindungen zu einer pro-russischen Miliz im Dunstkreis des rechtsradikalen Motorradclubs gehabt haben. (Archivbild)

Die Gruppierung „Slovensky branci“ löste sich unterdessen im Jahr 2022 auf. Zuvor habe die Gruppe regelmäßig „kremlfreundliche Propaganda“ verbreitet, hieß es bei „Dennik N“ und beim Investigativ-Medium „VSquare“. Demnach habe die Gruppe regelmäßig Wladimir Putins Russland verteidigt, den Westen und die Europäische Union scharf kritisiert und gegen Migranten gehetzt.

Pro-russische Miliz mit Kontakten zu Wladimir Putins „Nachtwölfen“

Die Verbindungen der Gruppe nach Russland gingen jedoch über reine Propaganda offenbar weit hinaus, das berichtete „VSquare“ bereits im Jahr 2018. So sei der Anführer der slowakischen Miliz von ehemaligen russischen Soldaten ausgebildet worden sein. Zudem habe die Gruppe enge Verbindungen zum russischen Motorradclub „Nachtwölfe“ gehabt, die als rechtsradikale Hardliner und große Unterstützer von Wladimir Putin gelten. Der Kremlchef hatte in der Vergangenheit bereits gemeinsame Motorradtouren mit den rechtsradikalen Bikern unternommen und den Anführer Alexander Saldostanow persönlich getroffen.

Die damaligen Recherchen standen demnach auch im Zusammenhang mit den Untersuchungen, die der Journalist Ján Kuciak zuvor über die Verbindungen zwischen hochrangigen Politikern zu kriminellen Geschäftsleuten und der organisierten Kriminalität angestrengt hatte. Im Zuge der damaligen Recherchen spielte auch der Name Robert Fico immer wieder eine Rolle.

Am 21. Februar 2018 wurden Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova in seinem Haus bei Trnava in der Westslowakei erschossen. Die genauen Hintergründe der Ermordung des Journalisten, die die Slowakei in eine politische Krise stürzte, gelten bis heute als überwiegend unklar. Nun steht das Land erneut nach einem politischen Mordversuch unter Schock. (mit afp/dpa)