In einem Interview schildert Robert Habeck eine „Zäsur“ in seiner Karriere – und attackiert Markus Söder mit scharfen Worten.
Als Habeck seinen Rückzug erwog„Da brach das Politische voll in meinen Schutzraum ein“
Der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, sieht sich als Außenseiter im Wettbewerb um die Kanzlerschaft. „Klar bin ich der Underdog“, sagte Habeck der „Zeit“. Habeck gab sich dennoch optimistisch. „Das Rennen ist noch nicht gemacht. Vor uns liegt ein sehr kurzer, intensiver, letztlich offener Wahlkampf.“ In Umfragen lagen die Grünen zuletzt zwischen 10 und 14 Prozent und damit hinter CDU/CSU, AfD und SPD.
Habeck gestand ein, dass er vor knapp einem Jahr einen Rückzug aus der Politik erwog. Der Grünen-Politiker sprach von einer „Zäsur“. „Das war Anfang des Jahres, als ich mit meiner Familie auf der Hallig Hooge war und bei der Rückkehr von wütenden Demonstranten gehindert wurde, die Fähre zu verlassen.“
Robert Habeck erwog Rückzug: „Die Antwort von uns allen war: Nein“
Hooge sei für ihn immer Heimat und Rückzugsort gewesen. „Da brach das Politische voll in meinen privaten, familiären Schutzraum ein.“ Im Kreise der Familie sei anschließend über einen Abschied aus der Politik diskutiert worden. „Die Antwort von uns allen war: Nein. Jetzt erst recht.“
Am 4. Januar 2024 hatte es eine Protestaktion von Landwirten wegen geplanter Subventionsstreichungen am Fähranleger im schleswig-holsteinischen Schlüttsiel gegeben. Habeck war auf der Rückkehr von einer Privatreise zur Hallig Hooge. Aus Sicherheitsgründen legte das Schiff damals wieder ab und fuhr zurück nach Hooge. Habeck konnte erst mehrere Stunden später nachts in Schlüttsiel an Land gehen.
Aufgeheizte Stimmung zu Jahresbeginn in Schlüttsiel
Die Stimmung vor Ort wurde von Augenzeugen damals als „sehr aufgeheizt“ beschrieben. „Wir blieben möglichst weit hinten an Deck, um die Kinder zu schützen“, erzählte eine Frau, die mit Mann und Kindern an Bord der Fähre war, damals gegenüber Reportern. „Die Kinder haben richtig Angst bekommen, es war wirklich unheimlich.“
Die Demonstranten hätten in Richtung Habeck gerufen: „Komm’ raus, du Feigling“. Auf einem Schild sei ein aufgemalter Galgen zu sehen gewesen. Die Familie beschrieb die Situation als extrem bedrohlich. „Protestieren ja, aber das war kaum auszuhalten“, sagte der Vater. „Das war so feindselig.“
Habeck bekräftigt Kanzler-Ambitionen
Habeck selbst hatte zuvor bereits auf die Blockade der Fähre reagiert. „Protestieren in Deutschland ist ein hohes Gut. Nötigung und Gewalt zerstören dieses Gut. In Worten wie Taten sollten wir dem entgegentreten“, erklärte der Grünen-Politiker nach dem Vorfall im Januar. „Was mir Gedanken, ja Sorgen macht, ist, dass sich die Stimmung im Land so sehr aufheizt“, fügte der scheidende Bundeswirtschaftsminister an.
Nun geht Habeck als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf – und bekräftigt im Gespräch mit der „Zeit“, dass er Kanzler werden will. „Wenn man Kanzler werden möchte, muss man sich prüfen, ob man das wirklich will, denn das Amt hat einen hohen Preis“, erklärte Habeck. Er habe sich geprüft, am Ende habe eine „sehr bewusste Entscheidung“ gestanden: „Ja, ich will das. Ich traue mir das zu.“
Kritik an Markus Söder: „Kein Neben-Regierungsmitglied in Bayern“
Das Interview nutzte der Grünen-Politiker derweil auch für eine scharfe Attacke auf Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Der CSU-Politiker kritisierte die Grünen und speziell Habeck in den letzten Monaten mit hoher Frequenz. Söder schade der Debattenkultur und damit der Regierungsfähigkeit seiner eigenen Partei massiv, erklärte Habeck nun.
Sollte der Unions-Kandidat Friedrich Merz Kanzler in der neuen Regierung werden, dürfe es „kein Neben-Regierungsmitglied in Bayern geben, das immer alles torpediert. Dann hätten wir das Kernproblem der Ampel in die nächste Regierung verlängert.“ (mit dpa)