Der grüne Spitzen-Kandidat und Wirtschaftsminister hat in Köln etliche Fragen von Leserinnen und Lesern beantwortet. Eine Auswahl.
Robert Habeck in Köln„Friedrich Merz hat ganz bewusst sein Wort gebrochen – trotz Warnung“
In Köln haben am Wochenende Zehntausende Menschen demonstriert, weil sie in gemeinsamen Abstimmungen der Union mit der AfD einen Tabubruch sehen. In den Umfragen spiegelt sich das bislang nicht wider, die CDU hat zunächst nicht verloren. Dabei war das in den Augen vieler ein kapitaler Fehler von Merz, auf den die politische Konkurrenz im Wahlkampf spekuliert hat – ähnlich wie bei Armin Laschets Lacher im Wahlkampf 2021. (Frage der Redaktion)
Was Friedrich Merz gemacht hat, hat eine ganze andere Dimension als Laschets Fauxpas damals. Laschet ist das Lachen rausgerutscht, es war ein unglücklicher Moment. Rückblickend wäre er wahrscheinlich ein ordentlicher Kanzler geworden. Friedrich Merz aber hat ganz bewusst gehandelt. Er hat sein Wort, dass er im Bundestag keine Mehrheiten mit der AfD bildet, gebrochen. Trotz Warnung. Das war kein Versehen. Das ist eine Zäsur in der politischen Debatte und Kultur der deutschen Nachkriegsgeschichte. Deshalb ist jetzt ein entscheidender Moment – nicht nur für diese Wahl, sondern für die Geschichte der Republik. Das meine ich wirklich. Und ich kann nur mit all dem, was mich politisch ausmacht, sagen: Wenn das nicht wieder zurückgenommen wird, dann werden wir eine andere Republik bekommen. Denn die AfD greift nach meiner festen Überzeugung die Grundlagen unserer Verfassung an. Diese rassistische, putinfreundliche Partei darf nicht wie andere behandelt werden.
Warum können Sie als demokratische Partei nicht die CDU unterstützen mit dem Vorschlag von Herrn Merz, das Thema Migration radikaler anzugehen? Das ständige „geht nicht, weil…“ und „wir müssen jetzt prüfen“ feuert nur die AfD-Wähler an. (Constanze Geers, Erftstadt)
Erstens: Wir haben in der letzten Legislaturperioden unter oft schwierigen Debatten die Regeln verschärft, inklusive einer Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, die jetzt gemeinsam europäisch umgesetzt werden muss. Die Zahl der Asylanträge geht zurück, die Zahl der Abschiebungen steigt, und an den Grenzen wird zurückgewiesen, nicht pauschal, sondern so, wie es das Europarecht ermöglicht. Zweitens: Es muss mehr geschehen, um die Sicherheit im Land zu erhöhen. Es geht darum, die Probleme gründlich und effektiv anzugehen. Ich habe konkrete Vorschläge gemacht. Ich bin letzte Woche auf Friedrich Merz zugegangen, meine Kolleginnen und Kollegen haben genauso das Gespräch mit CDU/CSU gesucht. Aber wie soll man verhandeln, wenn die Drohung bestehen bleibt, mit der AfD zu stimmen? Es gilt weiter: Meine Hand ist ausgestreckt, aber für Gespräche ohne Androhung einer Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten. Wenn die Union diesen Kurs fortsetzt, wird es immer schwieriger, in der Mitte zusammenzukommen. Dann stehen wir – ich muss es so sagen – vor amerikanischen Verhältnissen. Und was in den USA passiert, das sehen wir ja
Mir gehen gegenüber meinen Freunden und Bekannten die Argumente aus, warum ich die Grünen wählen will, denn das Thema Migration muss natürlich dringend angegangen werden. Wie wollen die Grünen dafür sorgen, dass kriminelle Migranten und Clans Deutschland endlich verlassen? (Renate Heinen, Bergisch Gladbach)
Nichtdeutsche Schwerkriminelle und Gefährder verwirken ihr Aufenthaltsrecht. Wer kein Bleiberecht hat, muss das Land zügig verlassen. Das Recht muss effektiv durchgesetzt werden, auch gegenüber unseren europäischen Partnern. Sie müssen die Menschen zurücknehmen, für deren Asylverfahren sie zuständig sind. Unterlaufen sie systematisch europäisches Recht, sollten wir in letzter Konsequenz auch die Möglichkeit eines Vertragsverletzungsverfahrens nutzen. Und die Asylverfahren dauern viel zu lange, weil es den Behörden an Personal fehlt und an digitalen Hilfsmitteln. Da muss sich ein Kanzler konsequent dahinterklemmen und das verbessern. Insgesamt müssen wir die Sicherheit stärken: In Deutschland sind 170.000 Haftbefehle nicht vollzogen, 14.000 davon gegen Gewaltverbrecher. Es braucht eine Vollstreckungsoffensive. Es gibt also viel zu tun, aber man muss es konkret umsetzen, den Vollzug verbessern und sich auch die Mühe machen, die komplizierten Dinge anzugehen.
Robert Habeck: „Man darf keine affektgeleitete Politik machen“
Die Menschen sind nach dem Kindermord von Aschaffenburg aufgewühlt. (Redaktion)
Ich auch. Ich kann jeden verstehen, der zornig und verbittert denkt: Jetzt muss auch mal Schluss sein. Aber dieser verständliche Affekt muss von den Politikern, die Verantwortung für das Land haben, zu Ende gedacht werden. Man darf keine affektgeleitete Politik machen. Wenn man den Anspruch hat, das Land zu führen, muss man die Dinge zu Ende denken. Alleingänge führen in Europa komplett in die Sackgasse.
Würden die Grünen einen Antrag auf Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 130 Km/Stunde wieder zurückziehen, nur weil die AfD Zustimmung signalisiert? (Michael Kopp)
Ja! Wir würden es mit den Stimmen der AfD nicht machen.
Die CDU sagt, ein Zustimmen der AfD ist keine Zusammenarbeit. Was sagen Sie?
Friedrich Merz hatte selbst im November noch im gesagt, es dürfe kein einziges Mal eine zufällig oder herbeigeführte Mehrheit mit Rechtsaußen geben. Dieses Wort hat er leider gebrochen.
Die Grünen sind in der AfD-Verbotsfrage gespalten. Es gibt gute Gründe dafür und dagegen. Auf welcher Seite stehen Sie?
Die Hürden im Grundgesetz für ein Parteiverbotsverfahren sind zu Recht sehr hoch, und nur das Bundesverfassungsgericht kann diese Entscheidung treffen. Sollte aber sicher nachgewiesen werden, dass eine Partei das Land in einen faschistischen Staat verwandeln will, gehört sie verboten, egal, wie stark sie ist. Darin besteht große Einigkeit. Klar ist, dass die AfD politisch bekämpft werden muss. Es ist nicht ganz einfach zu sagen, wie man sie erfolgreich bekämpft, aber es ist sehr einfach, zu sehen, wie man sie nicht erfolgreich bekämpft: indem man ihre Politik zu seiner macht. Das ist in ganz Europa schief gegangen.
Wieso nennen Sie sich Kanzlerkandidat, wenn Ihre Partei zwischen 12 und 15 Prozent dümpelt, Sie also keine Chance auf die Kanzlerschaft haben? (Detlev Sachse, Köln)
Die Sozialdemokraten stehen ähnlich da in den Umfragen wie wir. Aber klar: Ich bin der Underdog.
Robert Habeck: „Es braucht Kompromisse. Und ich will immer bereit sein, Brücken zu bauen“
Ich möchte wissen, wie Sie sicherstellen, dass Sie nach der Wahl konstruktiv zusammenarbeiten. Es ist ja klar, dass eine Koalition notwendig ist. (Rita Hämig-Gath, Brühl)
Ja, keine Partei wird Ihr Wahlprogramm einfach durchziehen können. Es braucht Kompromisse. Und ich will immer bereit sein, Brücken zu bauen. In den vergangenen Wochen wurden im Parlament zwischen den Parteien der Mitte, also auch uns und der Union, ungefähr bei 20 Gesetze geeint: Im Energiebereich, im sozialen Bereich, im steuerlichen Bereich, im wirtschaftlichen Bereich. Wir haben auch ein Gewalthilfegesetz verabschiedet, um Frauen besser zu schützen. Das zeigt: Es geht.
Unter welchen Bedingungen könnten Sie mit dieser CDU nach der Wahl eine Koalition eingehen? Oder ist die Option Schwarz-Grün schon geplatzt? (Frage der Redaktion)
Mich besorgt am meisten, dass wir jetzt auf eine Rutschbahn geraten, die am Ende nur dazu führt, dass mit der AfD dauerhaft zusammengearbeitet oder vielleicht am Ende koaliert wird. Schwarz-blau darf es nicht geben, in keiner Form. Deswegen verbietet es sich – für die SPD und für die Grünen -, prinzipiell zu sagen, wir würden nie mit der Union als demokratischer Partei zusammenarbeiten. Aber natürlich ist das viel schwieriger geworden durch die letzte Woche.
Wie stellen Sie sich strategisch auf, und mit welcher Haltung begegnen Sie dem US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump? (Ann-Kathrin Otto, Köln)
Wir müssen gegenüber den USA mit eigener Stärke auftreten. Und diese Stärke haben wir aber nur gemeinsam als geschlossenes Europa. Europa wird aber nur dann geschlossen sein, wenn Deutschland solidarisch ist. Das heißt auch: Wir können nicht sagen, bei Migrationsproblemen Germany First, aber wenn die Amerikaner etwas gegen uns machen, dann wollen wir Europe United haben. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wir müssen sehen: Ein schwaches Europa ist im Interesse Trumps, Chinas und Russlands sowieso. Wenn es denen gelingt, Europa zu spalten, leidet unser Land am stärksten darunter, weil wir die stärksten Profiteure des EU-Binnenmarkts sind. Auf Zölle, die Trump gegen europäische Produkte verhängen könnte, sind wir mit Gegenzöllen vorbereitet. Die Amerikaner müssen wissen: Ein Handelskrieg ist eine ganz schlechte Alternative. Zölle machen die Produkte teurer, auch für US-Unternehmen und Verbraucher in den USA. Auch die Inflation steigt. Das werden wir den Amerikanern deutlich machen: Auch ihr habt etwas zu verlieren. Aber wenn das nicht gelingt, dann können wir uns ja nicht rumschubsen lassen.
Was wollen Sie konkret gegen das Gebaren von Trump, sich Grönland und Panama einzuverleiben, unternehmen? Wie werden Sie Dänemark als EU- und NATO Partner unterstützen? (Birgit Handy, Bergisch Gladbach)
Die europäische Geschlossenheit ist zentral. Wir stehen in engem Kontakt mit unseren dänischen Partnern und stimmen uns europäisch ab. Jede Drohung gegen ein Nato-Mitglied ist inakzeptabel. Das gilt auch hier.
Der Milliardär und X-Besitzer Elon Musk mischt sich permanent in den deutschen Wahlkampf ein. Wann kündigen/deaktivieren Sie Ihren X Account? (Gernot G. Herrmann, Köln)
Ich bin für den Wahlkampf wieder auf X zurückgegangen. Der Gedanke ist, dass wir diesen Raum, über den ja auch eine politische Kommunikation stattfindet, nicht einfach Rechtsextremisten überlassen können. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass die diejenigen, die über die Algorithmen herrschen, Meinungen steuern. Europa muss hier Grenzen setzen. Deshalb ist es wichtig, dass die EU-Kommission hier genau hinschaut. Sie muss unsere Regeln durchsetzen.
Wie vereinbaren Sie die Aufforderung nach 3,5 Prozent für den Wehrhaushalt mit dem Friedenswunsch von vielen Grün-Wählern? (Georg Lücke, Leichlingen)
Das ist eine schwierige Debatte, aber ich habe mir in diesem Wahlkampf vorgenommen, auch den unangenehmen Fragen nicht auszuweichen. All mein Handeln leitet sich von einem Gedanken ab: den Frieden in Deutschland, in der Europäischen Union zu schützen. Um das zu können, müssen wir die Bedrohungslage ernst nehmen. Ich wünschte, ich müsste das nicht sagen, aber Putin hat wieder und wieder bewiesen, dass er die Schwäche der Nachbarn ausnutzt und immer den nächsten Konflikt sucht, die nächsten Grenzstreitigkeiten. Deshalb müssen in die Sicherheitsfähigkeit unseres Landes investieren. Ich sage bewusst Sicherheitsfähigkeit – das Wort „Kriegstüchtigkeit“ von Boris Pistorius mag ich gar nicht, denn es erweckt einen falschen Eindruck. Es geht darum, dass keiner wagt, uns anzugreifen.
Wie soll das Rentenversicherungssystem stabilisiert und den künftigen Rentnern eine auskömmliche Rente nach 45 Jahren gesichert werden? (Christian Schmidt, Köln)
Ich will das Rentenniveau dauerhaft bei mindestens 48 Prozent garantieren. Die bisherige Grundrente sollten wir weiterentwickeln, damit Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, die jahrzehntelang in die Rentenversicherung eingezahlt haben, eine Rente oberhalb der Grundsicherung bekommen. Eine Lösung, um das zu finanzieren, haben wir in modifizierter Form von der FDP übernommen. Der Gedanke, dass der Staat Geld am Kapitalmarkt anlegt, ist gut. Wir würden aus Krediten und Eigenmitteln des Bundes einen Bürgerfonds gründen, der dieses Geld anlegt, die Erträge in die Rentenkassen gibt und so die Beiträge stabilisiert. Wenn man einen Teil dieser Anlagen noch in deutsche und europäische Start-Ups steckt, kann man das auch noch als Hebel für mehr Wachstum in Deutschland nutzen.
Robert Habeck: „Familien müssen von Anfang an unterrichtet werden“
In der Ampel-Koalition hatte die Kindergrundsicherung für die Grünen hohe Priorität. Seit dem Ampel-Aus habe ich davon nicht mehr viel gehört. Ist sie für die Grünen noch auf der Tagesordnung und als „wichtig“ für eine nächste Regierung genannt, oder wurde sie stillschweigend beerdigt? (Thomas Pinell, Köln)
Erstmal muss man sagen: Die intensive Kommunikation zu dem Thema hat Kinder aus Familien mit wenig Geld schon mal etwas gebracht: Inzwischen beantragen deutlich mehr Familien als in den letzten Jahren den Kinderzuschlag. Allein 2024 hat sich die Zahl der EmpfängerInnen um 30 Prozent auf 1,3 Millionen Kinder erhöht. Für die Zukunft gilt: Wir wollen das Antragsverfahren weiter automatisieren, Familien müssen von Anfang an unterrichtet werden.
Ich bin 19 Jahre alt und lebe mit Trisomie 21. Ich habe große Sorge, dass mit dem Erstarken der rechten Parteien die Bemühungen um Inklusion wieder zurückabgewickelt werden, wie das zurzeit in den USA passiert. Wird Ihre Partei zur UN-Behinderten-Rechtskonvention über die Teilhabe von Menschen mit Behinderung stehen, diese verteidigen und weiterentwickeln? (Jonas und Hubertus Halbfas, Bergisch Gladbach)
Kurze Antwort: Ja, unbedingt!
Umwelt
Was tun die Grünen, um innerstädtischen Flächenfraß zu verhindern? (Birgit Bossbach, Köln)
Wir müssen es schaffen, in Zukunft weniger Flächen zu versiegeln und trotzdem genug Flächen für notwendige Projekte – vor allem für bezahlbaren Wohnraum in den Städten – zur Verfügung zu stellen. Wir müssen mehr bauen, gerade im unteren Mietpreissegment. Hierfür möchte ich vorrangig das vorhandene Potenzial bereits versiegelter Flächen effizienter nutzen, indem Gebäude aufgestockt, ungenutzte Büroflächen zu Wohnraum umgewandelt oder Dachböden ausgebaut werden können.
Wirtschaft
Welche neuen wertschöpfenden Industrien (z.B. Batterie-Recycling, Energieerzeugung, Ausbildung, Agrartechnologie) soll es in Deutschland nach dem vorhersehbaren Ende der Auto-Ära geben, und wie locken wir sie in unser Land bzw. wie machen wir unseren Standort international attraktiv? (Thomas R. Bietz, Pulheim)
Erstens: Deutschlands Auto-Industrie bleibt zentral für Deutschland, sie muss sich aber erneuern – hin zu wettbewerbsfähiger E-Mobilität, Digitalisierung. Zweitens: Deutschland muss einen starken Fokus auf Innovation setzen. Wir brauchen mehr Mut zu neuen Technologien und Rahmenbedingungen, die sie befördern. Deutschland ist ein Land mit starker Forschung und exzellent ausgebildeten Menschen. Aber wir sind zu selten der Ort, an dem neue Spitzenunternehmen entstehen. Deshalb müssen wir den Transfer aus der Forschung in den Markt verbessern, Gründungen von neuen Unternehmen weiter vereinfachen, den Zugang zu Wagniskapital verbessern. Drittens: Wir müssen Unternehmen weiter von Bürokratie befreien und Investitionen anreizen. Deshalb setze ich mich für eine Investitionsprämie ein. Und wir müssen mehr in den Standort investieren – die Infrastruktur, Bildung, Forschung. Diese Investitionen haben die höchste Rendite für uns als Volkswirtschaft.
Die Kontrolle von Fördergeldern, die an Großfirmen wie Thyssen-Krupp (Essen) gezahlt werden, z.B. für die Wasserstoff- Anwendung in der Hochofentechnologie, sind mir zu lasch! Und warum unterstützen Sie nur die großen Unternehmen, wohingegen der Mittelstand das meiste Steuergeld bezahlt? (Hans Georg Schnabel, Bornheim)
Zum einen wird die Verwendung der Steuergelder genau kontrolliert, die Europäische Kommission macht für Förderungen strenge Vorgaben, die die Unternehmen einhalten müssen, und wir prüfen. Zum anderen haben wir in dieser Legislaturperiode auch viel für den Mittelstand getan, auch mit eigenen Förderprogrammen zur Unterstützung der Transformation, wie die Bundesförderung Industrie und Klimaschutz. Mit dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) haben wir ein großes Programm gerade für kleine und mittlere Unternehmen. Und die Streichung der EEG-Umlage hat vor allem auch kleine und mittlere Unternehmen entlastet, vorher waren nur große Unternehmen von der Zahlung ausgenommen.
Energie
Wie sollen Eigenheimbesitzer ab dem 01.01.2027 die erhöhte Grundsteuer, den Umbau auf neue Heizungen, nachträgliche zusätzliche Isolierungen und dann noch die freigegebene CO2-Steuer (die die Energiepreise nahezu verdoppelt) bezahlen? Wovon sollen Rentner, die keinen Kredit mehr bekommen, dies bezahlen? Wenn Brüssel das alles fordert, dann soll Brüssel das auch bezahlen! Die hiesigen Politiker haben sich darüber ja noch keine Gedanken gemacht. (Eckhart Lissek, Bergheim)
Das Leben muss wieder bezahlbar werden, ja. Deswegen poche ich so sehr darauf, dass der Heizungstausch weiter gefördert wird – derzeit bekommt man ja bis zu 70 Prozent Förderung. Eine klimafreundliche Heizung wie die Wärmepumpe ist im Betrieb auch günstiger als fossile Energie, gerade wenn man den CO2-Preis sieht. Ich setze mich auch dafür ein, dass Strom deutlich günstiger wird. Die Stromsteuer sollte faktisch abgeschafft werden, der Staat die Netzentgelte für die Übertragungsnetze übernehmen. Damit kann eine Familie bis zu 400 Euro im Jahr sparen.
Was haben Sie und ihre Partei geplant zur Energiewende zu tun, speziell im Bereich der Speichertechnologie und dem Netzausbau? (Christian Schmidt, Köln)
Wir haben in den letzten drei Jahren sehr viel erreicht: Fast 60 Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms kommen aus den Erneuerbaren. Auch den Stromnetzausbau haben wir massiv beschleunigt: Wir haben fünfmal so viele Trassenkilometer genehmigt wie 2021. Der Ausbau von Stromspeichern läuft erfolgreich. Wichtig ist für die Zukunft: Erstens den Ausbau vorantreiben. Zweitens die Digitalisierung und Flexibilisierung intensivieren. Drittens brauchen wir den Zubau von steuerbaren Kapazitäten.
Verkehr
Was gedenken Sie gegen die deutlich größere Gefahr von Tod und Verletzung im Straßenverkehr (gegenüber dem Terror von Flüchtlingen) zu unternehmen? (Christian Althoff, Köln)
Ich würde einen solchen Vergleich nicht ziehen. Die Garantie der Inneren Sicherheit, der Schutz vor Gewalt- und Straftaten ist eine Kernaufgabe des Staates. Hier muss mehr getan werden, zum Beispiel durch eine bessere Ausstattung unserer Sicherheitskräfte und die bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden. Auch im Verkehr möchte ich mit den vielen Toten und Verletzten nicht abfinden. Deshalb setze ich mich für ein Tempolimit ein und den besseren Schutz von Radfahrern und Fußgängern. Vor allem müssen die Kommunen alle Freiräume haben, vor Ort die Entscheidungen zu treffen, die am besten passen.
Robert Habeck: „Werde mich weiterhin für ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen einsetzen“
Seit einem Vierteljahrhundert erzählen uns die Grünen das Märchen vom Tempolimit: 120/80/30 km/h. Sie hätten es längst einführen können, gerade auch mit Blick auf die E-Mobilität und den daraus wachsenden Stromverbrauch. Werden Sie ein Tempolimit einführen, wenn Sie in Regierungsverantwortung kommen? (Hans-Jörg Faroß, Rösrath)
In der letzten Koalition wurde ein Tempolimit von der FDP kategorisch ausgeschlossen. Ich werde mich aber weiterhin für ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen einsetzen.
Klima
Der wissenschaftlich nachgewiesene menschengemachte Klimawandel ist die derzeit größte Bedrohung unserer Zukunft. Gegen Ende des Jahrhunderts wird es bei derzeitigem CO2-Ausstoß am Äquator für die dort lebenden 2,3 Milliarden Menschen keinen Lebensraum mehr geben, alle Säugetierarten werden dort aussterben. Die landwirtschaftliche Produktion wird weltweit betrachtet deutlich zurückgehen. Auch in Deutschland wird es an 1 bis 10 Tagen Risiken für die menschliche Gesundheit aufgrund von Hitze-Luftfeuchtigkeit geben. Was gedenken Sie dafür zu tun, dass Deutschland und Europa die festgelegten Klimaziele einhalten, die übrigens zu wenig ambitioniert für das Pariser Klimaabkommen sind? (Christian Althoff, Köln)
Die Klimakrise ist eine enorme Bedrohung weltweit. Leider erleben wir, dass beim Klimaschutz wirklich ein Rollback droht. Dagegen kämpfe ich an und sage klar:. Kurs halten. Denn wir haben in den letzten drei Jahren wirklich etwas erreicht: Erstmals sind wir in Deutschland bei den Klimazielen für 2030 auf Kurs. Die CO2-Emissionen sinken. Da müssen wir konsequent fortsetzen, was wir angefangen haben: Runter mit den CO2-Emissionen in allen Bereichen.
Bürokratieabbau
Was wollen Sie gegen eine (meiner Ansicht nach) überbordende Bürokratie tun, die in Teilen ihren Aufgaben nicht mehr gerecht wird? (Reinhard Knoff, Troisdorf)
Die Bürokratie ist in Teilen überbordend und hindert die Menschen und Unternehmen daran, sich auf das konzentrieren zu können, was ihnen wichtig ist. Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) leiden besonders unter aufwendiger Bürokratie und oft zu komplizierten Regeln. Wir haben in dieser Legislaturperiode schon einiges erreicht, beim Ausbau Erneuerbare Energien und der Stromnetze haben wir von Schneckengeschwindigkeit auf Turbo umgestellt. Zentrales neues Instrument sind Praxis-Checks – und die brauchen wir jetzt flächendeckend. Bei jeder Gesetzgebung muss zudem die einfache Umsetzbarkeit im Vordergrund stehen. Zentrale öffentliche Dienstleistungen für Unternehmen müssen an einer Stelle gebündelt werden und Daten nur einmal eingereicht werden müssen. Und wir sollten die Schwellenwerte für die Definition von KMU anheben, dann profitieren mehr Unternehmen von den Ausnahmen und Erleichterungen.
Soziale Gerechtigkeit
Mich interessiert, wie Sie sich mit gezielten und realistisch Maßnahmen für soziale Gerechtigkeit und bezahlbaren Wohnraum einsetzen wollen. Leider wird im aktuellen Wahlkampf viel über Migration und Wirtschaft gestritten, aber nicht geklärt, wie der soziale Frieden in Deutschland sichergestellt werden soll. Dazu gehören bezahlbarer Wohnraum, bezahlbare Energie und Lebensmittel, gerade für die unteren und mittleren Einkommensschichten. (Yvonne Entenmann, Hürth)
Ja, die sozialen Fragen spielen für unsere friedliches Zusammenleben eine Schlüsselrolle. Ich meine, dass spürbare Entlastung dringend nötig istr. Mit unseren Vorschlägen zu Senkung der Energiekosten kann eine vierköpfige Familie ungefähr 400 Euro einsparen. Der Preis des Deutschlandtickets sollte langfristig bei 49 Euro bis 2030 garantiert sein. Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sollen außerdem kostenfrei mitfahren dürfen. Und wir wollen die Menschen bei der Steuer entlasten, vor allem die mit kleinen und mittleren Einkommen. Damit diese Entlastungen nicht durch immer weiter steigende Mieten aufgefressen werden, setzen wir uns dafür ein, die Mietpreisbremse zu verlängern und zu schärfen.
Robert Habeck: „Auch mich besorgt die zu große Macht einzelner Milliardäre“
Im Januar haben sich 370 Superreiche in Davos zu einem Weltwirtschaftsforum getroffen und in einem offenen Brief an Staats- und Regierungschefs höhere Besteuerung für Superreiche gefordert. Ihre Begründung: Extremer Reichtum sei eine Gefahr für die Demokratie. Werden Sie dieser Forderung nachkommen? (Gabriele Stroh)
Auch mich besorgt die zu große Macht einzelner Milliardäre, wie wir sie gerade in den USA erleben. Ich unterstütze deshalb ausdrücklich die Initiative, eine international abgestimmte Milliardärssteuer zu erheben.
Renten
Ich bin Rentnerin und habe mein Leben lang gearbeitet. Jetzt wird mir, obwohl ich schon mein Gehalt versteuert habe, auch noch einmal meine Rente versteuert. Steht in einem Programm, das diese Ungerechtigkeit beendet wird? Möchte ich in selbständiger Arbeit etwas dazu verdienen, ist mein Einkommen mit 3000 Euro im Jahr gedeckelt, jenseits davon muss ich hier auch noch Steuern zahlen. (Anne Linde, Leverkusen)
Die nachgelagerte Besteuerung der Renten wurde 2005 beschlossen. Im Gegenzug wurden die Aufwendungen für die Rentenvorsorge ebenfalls schrittweise steuerfrei gestellt. Wir haben in der Ampel den Anstieg der Besteuerung abgeflacht. Was ich dringend will, sind bessere Möglichkeiten, neben der Rente noch dazuzuverdienen. Hier möchte ich großzügigere Lösungen finden, damit es attraktiver wird.
Bildung
In Deutschland hängt 20 Jahre nach Pisa der Bildungserfolg eines Kindes immer noch maßgeblich vom Elternhaus ab. Trotz eklatantem Fachkräftemangel erlaubt sich Deutschland, dass jährlich ca. 50.000 Jugendliche keinen Schulabschluss machen. Die Schulgebäude sind marode, es fehlen Tausende Lehrkräfte. Bildungsexperten konstatieren: Die Schule brennt! Wären Sie als Kanzler bereit, Bildung zur Chefsache zu machen? Und welche Lösungen würden Sie forcieren, um in Deutschland für mehr Bildungsgerechtigkeit zu sorgen und die Zukunftskompetenzen von Kindern und Jugendlichen zu fördern? (Désirée Frese, Köln)
Ja. Ich teile Ihre Analyse. Es braucht eine für eine gemeinsame Bildungsoffensive. Mit einem Zukunftsinvestitionsprogramm wollen wir gemeinsam mit Ländern und Kommunen bundesweit für mehr Chancengerechtigkeit sorgen. Schulen sind neben den Familien der Mittelpunkt für Kinder und Jugendliche, für manche sind sie vermutlich mehr als das. Deshalb müssen diese Orte im besten Sinne „funktionieren“ – alle sollten sich dort gut aufgehoben fühlen können und eine zeitgemäße Bildung erhalten. Wir brauchen mehr Lehrkräfte für unser kostbarstes Gut und größtes Potenzial – unsere Kinder!