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Kommentar

Ron DeSantis' Kandidatur
Die Pose des Erneuerers ist komplett verlogen

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Floridas Gouverneur Ron DeSantis hat seine Präsidentschafts-Kandidatur angekündigt.

Floridas Gouverneur Ron DeSantis hat seine Präsidentschafts-Kandidatur angekündigt.

Das Denken des republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten ist nationalistisch, zynisch und rückwärtsgewandt.

Monatelang hat er abgewartet, geduldig die Lage gepeilt, sorgsam Freund und Feind beobachtet. Jetzt hat der Republikaner Ron DeSantis, 44, Gouverneur von Florida, den Zündschlüssel rumgedreht. Seine Wahlkampfmaschinerie läuft. Und sie läuft gut. In den USA gibt es eine Maßeinheit für die Zugkraft von Präsidentschaftskampagnen: Spendenaufkommen pro Zeiteinheit. DeSantis kommt seit dem Kickoff auf eine Million Dollar pro Stunde.

Noch ist Donald Trump bei den Republikanern der einflussreichere Mann. Doch der 76-Jährige Ex-Präsident muss damit rechnen, als erster von DeSantis entmachtet zu werden. Sollte sich DeSantis als Kandidat der Republikaner durchsetzen, könnte er bei der Wahl am 5. November 2024 den nächsten alten Mann von der Bühne fegen: den Demokraten Joe Biden, der sich im Alter von 80 Jahren eine zweite Kandidatur und weitere vier Amtsjahre vorgenommen hatte.

Protestierende gegen Ron DeSantis in Florida

Protestierende gegen Ron DeSantis in Florida

Trump und Biden sind ein kurioses Paar. Im Grunde stabilisieren sei einander, allen politischen Differenzen zum Trotz. Biden vertraut darauf, dass die Republikaner am Ende Trump aufstellen. In diesem Fall könnte Biden tatsächlich erneut gewinnen. Was aber, wenn DeSantis diese Rechnung jetzt durchkreuzt?

Live, modern, cool - und gelogen

Jetzt rächt sich, dass Trump und Biden in ihren Parteien die Altersfrage tabuisiert und damit eine nicht ganz echte Debattenlage geschaffen haben. Nur unter vorgehaltener Hand räumen viele Republikaner und Demokraten ein, dass sie sich eigentlich nach einem jüngeren Kandidaten sehnen. Diese Blase bringt DeSantis jetzt zum Platzen, in aller Höflichkeit: schon durch seine bloße Kandidatur.

Das Altersthema ausdrücklich anzusprechen überlässt DeSantis anderen, etwa seinem milliardenschweren Förderer Elon Musk. Der rechnete schon im Jahr 2022 vor, Trump wäre am Ende einer möglichen zweiten Amtszeit 82 Jahre alt – „zu alt um irgendwo CEO zu sein, geschweige denn Präsident der Vereinigten Staaten“. Ohne Bidens sogar noch höheres Alter zu erwähnen, fügte Musk hinzu: „Wenn DeSantis 2024 gegen Biden antritt, wird DeSantis mit Leichtigkeit gewinnen – er muss nicht mal Wahlkampf machen.“

Fast scheint es, als werde in diesen Tagen ein von Musk skizziertes Drehbuch umgesetzt. Der 51-jährige Unternehmer, Eigentümer von Twitter, Tesla und SpaceX, bleibt dabei nicht etwa im Regiestuhl sitzen, sondern hilft auch auf der Bühne nach Kräften mit. Dass der Milliardär den Bewerber DeSantis dazu bringen konnte, seine Kandidatur live in einem Twitter-Space zu verkünden, spricht Bände. Immer wieder mokierte sich DeSantis bei diesem Auftritt über die „alten Medien“ (“legacy media“), die ihn oft kritisierten. Viel schöner ist es natürlich, wenn man über Twitter „ungefiltert“ Botschaften raushauen kann.

„Biden hat die Grenzen im Süden der USA geöffnet“, empörte sich DeSantis beispielsweise. Dass das einfach nicht stimmt, brachte niemand zur Sprache, dazu war die Runde mit Musk viel zu modern und zu cool – und außerdem war ja alles live.

Eine schlechte Nachricht für Europa

Für Europa und die Deutschen ist die DeSantis-Kandidatur eine schlechte Nachricht. Der Mann, der der nächste Präsident der USA sein will, redete auf Twitter in ununterbrochenen, teils quälend langen Monologen über dieses und jenes, nicht zuletzt auch über floridianische Schulbücher mit aus seiner Sicht allzu expliziten Sexualkundekapiteln.

Den Rest der Welt aber, die Ukraine zum Beispiel, ließ er unerwähnt. In einem historischen Moment, in dem der Westen durch das Zusammenrücken Russlands und Chinas herausgefordert ist wie noch nie, deutet sich mit DeSantis eine Neuauflage von amerikanischem Isolationismus an, wie in den unheilvollen Dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Den Ukrainekrieg tut DeSantis als regionalen territorialen Konflikt ab, um den sich doch bitte die Europäer selbst kümmern sollen. Diese Haltung ist nationalistisch, zynisch und rückwärtsgewandt. Doch das wird von vielen amerikanischen Wählerinnen und Wählern so nicht wahrgenommen. Denn der junge Kandidat aus Florida kommt im Gestus des Erneuerers auf die Bühne. Genau darin liegt das Drama, für die USA und für die Welt.