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„Vergeltungsmaßnahme“Moskau weist zwei ARD-Mitarbeiter aus Russland aus – WDR protestiert

Lesezeit 4 Minuten
ARCHIV - 24.02.2024, Nordrhein-Westfalen, Winterberg: ILLUSTRATION - Ein Sportreporter der ARD hält ein Mikro mit dem Logo des WDR und das Erste in der Hand bei der Bob-WM. (zu dpa: «Moskau weist zwei ARD-Mitarbeiter aus») Foto: Robert Michael/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Moskau weist hat zwei WDR-Mitarbeiter aus Russland ausgewiesen.

Russland weist als Reaktion auf die angebliche Schließung eines russischen Senders in Deutschland zwei ARD-Journalisten aus. Berlin protestiert.

Russland weist zwei ARD-Mitarbeiter aus. Das teilte das russische Außenministerium am Mittwochnachmittag mit. Es handelt sich um einen WDR-Korrespondenten und einen Mitarbeiter. Die Ausweisung sei eine Reaktion auf die Schließung des deutschen Büros von des russischen Senders Perwy Kanal (Erster Kanal), sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass bei einem Briefing. Sacharowa sprach von einer „Vergeltungsmaßnahme“ für ein „Arbeits- und Aufenthaltsverbot“, das Deutschland gegen Korrespondenten des russischen Senders Perwy Kanal verhängt habe.

Das Auswärtige Amt in Berlin widersprach: Russlands Angaben seien „falsch“, die Ausweisung der ARD-Mitarbeiter sei „inakzeptabel“. Russische Journalisten könnten in Deutschland ungehindert arbeiten. Die Bundesregierung habe - anders als von Russland behauptet - das Büro des russischen Senders Perwy Kanal in Deutschland „nicht geschlossen“, erklärte das Auswärtige Amt. Allerdings habe es im Fall von zwei Mitarbeitern von Perwy Kanal „aufenthaltsrechtliche Entscheidungen“ durch die zuständigen Landesbehörden gegeben.

Bundesregierung: Russische Sendermitarbeiter müssen wegen „aufenthaltsrechtliche Vorgaben“ Deutschland verlassen

Unklar blieb zunächst, um welche Art von Entscheidungen es sich handelt, in deren Folge die beiden russischen Sendermitarbeiter Deutschland möglicherweise verlassen müssen. Ein Sprecher der Bundesregierung verwies auf die Zuständigkeit der Berliner Landesbehörden. Diese ließen eine AFP-Anfrage zu dem Vorgang zunächst unbeantwortet.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit sieht nach eigenen Angaben keinen Zusammenhang zu der journalistischen Tätigkeit der beiden russischen Medienmitarbeiter. „Wenn man aufenthaltsrechtliche Vorgaben nicht erfüllt, dann nützt es auch nichts, sich als Journalist beruflich zu betätigen, sondern man muss schon die Auflagen erfüllen“, sagte er. „Das ist, glaube ich, überall auf der Welt ähnlich.“

Mitarbeiter von Perwy Kanal müssen aus Deutschland ausreisen

Der Berlin-Korrespondent des Fernsehsenders Perwy Kanal, Iwan Blagoj, hatte zuvor berichtet, er müsse mit seinem Kameramann Dmitri Wolkow in der ersten Dezemberhälfte aus Deutschland ausreisen. Die deutschen Behörden hätten die Schließung des Korrespondentenbüros angeordnet. Demnach wird der russische Sender in einem Dokument der deutschen Behörden als Bedrohung für die Sicherheit Deutschlands und als gefährliches Propagandaorgan bezeichnet.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin sagte dazu: „Die russischen Behauptungen sind falsch, die Bundesregierung hat das Büro nicht geschlossen.“ Gegen die aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen der zuständigen Landesbehörde könnten Rechtsmittel eingelegt werden, schrieb das Amt im Onlinenetzwerk X - und fügte hinzu: „Das ist der Unterschied eines rechtsstaatlichen Verfahrens zur russischen Willkür.“ Die Ausweisung der beiden ARD-Mitarbeiter kritisierte das Amt „auf das Schärfste“.

WDR-Korrespondent Frank Aischmann muss Russland verlassen

Der WDR reagierte empört auf die Ausweisung seines Korrespondenten Frank Aischmann und eines weiteren Mitarbeiters. „Das ist ein drastischer Schritt“, erklärte WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn. „Damit wird unsere Möglichkeit, aus Moskau zu berichten, erneut eingeschränkt.“ Der WDR ist innerhalb der ARD für die Russland-Berichterstattung zuständig. Es werde nun geprüft, wie die Arbeit am Standort Moskau fortgesetzt werden könne.

„Seit bald drei Jahren haben wir es mit Einschüchterungen und Einschränkungen unserer Berichterstattung aus Moskau zu tun“, erklärte Schönenborn. „Die Kolleginnen und Kollegen halten unter schwierigsten Bedingungen die Berichterstattung aufrecht.“

Die russische Außenamtssprecherin Sacharowa formulierte Bedingungen für die Akkreditierung von Nachfolgern für die ausgewiesenen ARD-Mitarbeiter. Russland würde dies nur in Betracht ziehen, falls die deutschen Behörden den vollständigen Weiterbetrieb des Büros von Perwy Kanal in Berlin ermöglichten. Sacharowa kritisierte die Behandlung der Sendermitarbeiter in Deutschland als „weiteren unfreundlichen Akt Berlins gegenüber den russischen Medien“.

Der russische Sender Perwy Kanal ist eines der Medien, die den russischen Angriffskrieg in der Ukraine verteidigen. Der Sender verbreitet eine antiwestliche Rhetorik und ruft zu Atomschlägen gegen den Westen auf.

Sender Perwy Kana inszeniert Kremlchef Putin

Senderleiter Konstantin Ernst ist eine zentrale Figur in der russischen Medienlandschaft. Mit der Inszenierung von Zeremonien und Militärparaden versucht er immer wieder, Kremlchef Wladimir Putin ins rechte Licht zu rücken. Die Europäische Union hat gegen Ernst Sanktionen verhängt.

Auf ein deutsches Verbot des russischen Senders RT kurz vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 hatte Moskau mit der Schließung des deutschen Auslandssenders Deutsche Welle reagiert. RT gilt in Europa weithin als Desinformations- und Propagandaorgan des Kreml.

Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs ist der Druck auf westliche Journalisten in Russland weiter gestiegen: Für sie stehen nur noch eine begrenzte Zahl von Visa zur Verfügung, zudem müssen sie ihre Aufenthaltserlaubnis alle drei Monate verlängern lassen. Laut der Internetseite des russischen Außenministeriums sind derzeit rund 20 deutsche Medien in Russland akkreditiert. Mehrere westliche Reporter mussten das Land verlassen. (mit afp)