Vor vier Jahren galt Donald Trump als politisch erledigt – am Montag kehrt er stärker denn je ins Weiße Haus zurück. Der Protest gegen ihn ist weitgehend verstummt.
„Schockwelle“ angekündigtWas der neue US-Präsident zum Amtsantritt plant
Im Grunde läuft alles bestens. Die Millionenspenden sprudeln wie nie zuvor. Die Ministerkandidaten werden ohne Murren vom Kongress abgenickt. In Gaza schweigen nach 15 Monaten endlich die Waffen. Und selbst die Sache mit der Flagge auf dem Kapitol ist geklärt.
Wegen der Staatstrauer für den verstorbenen Ex-Präsidenten Jimmy Carter müsste die Fahne eigentlich nämlich auf halbmast wehen. „Niemand will das sehen“, hat sich Donald Trump empört. Also hat der republikanische Parlamentschef Mike Johnson für diesen Montag brav das Gedenken an den 39. Präsidenten der USA kurzerhand ausgesetzt. Nun flattert das rot-weiß-blaue Tuch am Montag in höchster Höhe für das 47. Staatsoberhaupt.
Nur das Wetter hat der selbstbewusste Regent noch nicht im Griff. Schön sonnig soll es werden, haben die Meteorologen vorausgesagt. Das wäre ideal für prächtige Bilder von der Mall, auf der sich nach Trumps Darstellung garantiert so viele Menschen drängeln würden wie nie zuvor. Doch eisige minus acht Grad und ein arktischer Wind könnten die Stimmung trüben und die Menge sichtbar dezimieren. Also hat der Mann aus dem sonnigen Florida seine Amtseinführung kurzfristig nach innen verlegt – zum ersten Mal seit 40 Jahren. Für die Fans, die ihm draußen gerne zugejubelt hätten und nun vor dem Bildschirm hocken müssen, ist das eine Enttäuschung. „Das wird eine sehr wunderbare Erfahrung für die große Fernsehgemeinde sein“, preist der ehemalige Reality-TV-Star Trump ungerührt die Programmänderung an.
Trump wird kein Präsident aller Amerikaner
Donald Trump duldet keinen Widerspruch. Weder von Toten noch von den Institutionen, die ihn eigentlich kontrollieren sollen. Und er besitzt die Fähigkeit, selbst objektive Rückschläge zu seinem Vorteil zu nutzen. Zwei Amtsenthebungsverfahren, vier Strafprozesse und ein Schuldspruch konnten ihm nichts anhaben: Am Montag um 11.47 Uhr US-Zeit (17.47 Uhr MEZ) wird der 78-Jährige zum zweiten Mal vereidigt – ausgerechnet in jener Rotunde, die seine marodierenden Anhänger vor vier Jahren stürmten, um die Bestätigung des Wahlsieges seines Vorgängers Joe Biden zu verhindern.
Die Countrysängerin Carrie Underwood wird „America the Beautiful“ anstimmen, und Trumps Lieblingsknödeltenor Christopher Macchio die Nationalhymne schmettern, wenn der neue Präsident den Schwur mit der Hand auf einer Bibel seiner Mutter ablegt. Doch so feierlich der Rahmen wirken und so salbungsvoll die Worte klingen mögen, die seine Redenschreiber ihm in die Ansprache schreiben mögen: Ein Präsident aller Amerikaner wird Trump niemals sein.
Eintrittskarten von bis zu einer Millionen Dollar
Schon der Ablauf der Inauguration kontrastiert deutlich von den Vorgängerzeremonien. Biden hatte am Vorabend seiner Vereidigung vor den Reflecting Pools am Lincoln Memorial ein überparteiliches Gedenken für die Opfer der Corona-Pandemie abgehalten. Trump trat am Sonntag zusammen mit seinem Buddy Elon Musk auf einer dröhnenden Kundgebung vor Tausenden Fans auf, als befinde sich das Land noch mitten im Wahlkampf. Zur Amtseinführung lässt er sich bei einem „Candlelight-Dinner“ und drei Galabällen feiern, deren Eintrittskarten bis zu einer Million Dollar kosten.
Traditionell sind ausländische Staaten bei der Amtseinführung durch ihre Botschafter vertreten. Dieses Mal hat Trump ausdrücklich politische Führer der Rechten aus aller Welt und selbst den chinesischen Autokraten Xi Jinping eingeladen. Der argentinische sogenannte Kettensägen-Präsident Javier Milei, Italiens Premierministerin Giorgia Meloni und der britische Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage haben zugesagt. Dagegen werden Michelle Obama, die beliebte Ehefrau des Ex-Präsidenten, und Nancy Pelosi, die mächtige Grand Dame der Demokraten, der Veranstaltung anders als vor acht Jahren demonstrativ fernbleiben.
Trumps politisches Geschäftsmodell basiert auf Hass und Spaltung. Inmitten präsidialer Erfolgsmeldungen pöbelt er auf seinem Propagandakanal „Truth Social“ über den „Gestank des geistesgestörten (Sonderermittlers, d. Red.) Jack Smith und seiner Schläger“. Er verhöhnt den kanadischen Premierminister Justin Trudeau als „Gouverneur“ eines 51. US-Bundesstaates und droht Dänemark und Panama mit Gewalt, wenn sie sich seinen imperialistischen Wünschen nicht beugen. Seit dem Ausbruch der verheerenden Brände in Kalifornien hat er kein Wort der Anteilnahme für die Betroffenen geäußert. Umso heftiger beschimpft er in wilden Tiraden die demokratische Bürgermeisterin von Los Angeles und den demokratischen Gouverneur, die er für die Katastrophe verantwortlich macht.
Trumps Comeback im XXL-Format
Alles das schadet Trumps Ansehen nicht. Im Gegenteil: Laut Umfragen sind seine Popularitätswerte in der amerikanischen Bevölkerung so hoch wie noch nie. Seine Rückkehr an die Macht an diesem Montag kontrastiert scharf mit seiner ersten Vereidigung vor acht Jahren, als es im Land lautstarken Protest gab und sich die „Washington Post“ quasi als Schlachtruf des Widerstand die Mahnung „Democracy Dies in Darkness“ (Die Demokratie stirbt in der Dunkelheit) auf die Titelseite druckte. 2021 schien der missglückte Putschversuch das Schicksal des Republikaners endgültig zu besiegeln. Selbst enge politische Vertraute erklärten, sie seien „fertig“ mit dem Polit-Hasardeur, der kurz darauf von Twitter verbannt wurde.
Vier Jahre später legt Trump ein Comeback im XXL-Format hin: Der mehrheitlich republikanische Kongress hat sich ihm förmlich unterworfen. Das hat gerade die Anhörung seines Verteidigungsministerkandidaten Pete Hegseth gezeigt, gegen den glaubhafte Vergewaltigungs-, Belästigungs- und Alkoholmissbrauchsvorwürfe erhoben werden und der keinerlei Erfahrung in der Führung einer Behörde – geschweige denn eines gigantischen Militärapparats mit drei Millionen Menschen – hat: Trotz spürbarer Bedenken knickten alle Republikaner ein. Kurz darauf genügte ein Wink von Trump, um das Schicksal von Mike Turner, dem Chef des mächtigen Geheimdienstausschusses, zu besiegeln. Der Republikaner, ein vehementer Unterstützer der Nato und der Ukraine-Hilfen, muss für einen Trump-Loyalisten weichen.
Derweil stehen vor Trumps protziger Residenz Mar-a-Lago in Florida seit Wochen Techmilliardäre, Konzernbosse und selbst TV-Moderatoren Schlange, um ihre Aufwartung zu machen. X-Eigner Musk betätigt sich als Trumps dröhnendster PR-Lautsprecher. Meta-Chef Mark Zuckerberg spendiert einen eigenen VIP-Empfang zur Inauguration. Und Amazon-Chef Jeff Bezos zahlt, nachdem er seiner „Washington Post“ einen Maulkorb verpasst hat, schlappe 40 Millionen Dollar für die Rechte an einem Filmporträt über Melania Trump. Die Präsidentschaft ist für Trump ein glänzendes Geschäft: Insgesamt 170 Millionen Dollar hat er alleine für seine Amtseinführung eingesammelt. Das ist freilich ein Klacks im Vergleich zu den Milliarden, die er buchstäblich über Nacht seit Freitag mit der überraschenden Herausgabe eines neuen Krypto-Coins verdient haben dürfte.
Rechte Denkfabriken haben dicke Programme ausgearbeitet
Vor acht Jahren verliefen Trumps erste Monate im Weißen chaotisch. Der schlecht vorbereitete Präsident stolperte durch eine bizarre Reality-TV-Show, die von Inkompetenz, Indiskretionen und einem rasanten Personalverschleiß gezeichnet war. Dieses Mal ist der Amtsantritt generalstabsmäßig vorbereitet: Rechte Denkfabriken haben dicke Programme erarbeitet. Im Kabinett werden nur Frauen und Männer sitzen, die bedingungslose Loyalität zum Präsidenten bewiesen haben. Systematisch wird auch die Ministerialbürokratie gesäubert. „Wir haben schon 1000 Leute eingestellt“, schrieb Trump vor wenigen Tagen auf seiner Plattform „Truth Social“ und fügte an: Man möge ihm bitte niemanden empfehlen, der für seinen ehemaligen Stellvertreter Mike Pence, seine Ex-UN-Botschafterin Nikki Haley, seinen Ex-Verteidigungsminister James Mattis oder dessen Nachfolger Mark Esper gearbeitet habe. Alle diese Republikaner hatten es gewagt, dem Paten der Partei zu widersprechen.
Trumps narzisstisches Naturell legt nahe, dass er den Einzug ins Oval Office mit einem gewaltigen Knall zelebriert. Der republikanische Senator John Barrasso hat die Öffentlichkeit schon einmal auf eine „Schockwelle“ in den ersten Tagen eingestellt: „Es wird einen Blizzard von präsidialen Verordnungen geben.“ Dem neuen Präsidenten dürfte es vor allem darum gegen, seiner Basis Härte und Handlungsfähigkeit im rechten Kulturkampf zu beweisen. So hat er ausdrücklich versprochen, schon „in den ersten Stunden“ seiner Amtszeit die verurteilten Teilnehmer des Kapitolsturms zu begnadigen.
Die ebenfalls für die ersten 24 Stunden angekündigte Beendigung des Ukraine-Krieges dürfte hingegen etwas länger dauern. Stattdessen könnte sich Trump auf die politisch symbolträchtige Rücknahme von Vorgaben zur Energiewende stürzen. „Drill, baby, drill!“ – also die möglichst unregulierte Förderung von heimischem Öl und Gas – ist einer seiner Lieblingsslogan.
Schon am Dienstag soll es Festnahmen geben
Besonders drastisch aber dürfte der Aufschlag in der Einwanderungspolitik ausfallen. Der neue Kongress hat mit Unterstützung auch einiger Demokraten bereits ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Ausweisung irregulärer Migranten auch bei kleineren Eigentumsdelikten oder selbst Verkehrsverstößen ermöglicht. Schon am Dienstag soll es nach Medienberichten in Chicago und anderen Städten in großem Umfang Festnahmen geben, die die von Trump angekündigte Massenabschiebung von Einwanderern einleiten sollen.
Trotz dieser Aussichten ist es bemerkenswert ruhig im Land. Es wirkt, als wäre die liberale Zivilgesellschaft kollektiv in Apathie, Erschöpfung oder Resignation verfallen. Bei Trumps erster Amtseinführung vor acht Jahren waren in Washington beim Women‘s March spontan eine halbe Million Menschen auf die Straße gegangen. Zu der Kundgebung des People‘s March, der inzwischen die Proteste von Frauen, Linken, LGBTQ-Angehörigen, Gaza-Unterstützern und Antirassisten vereint, zogen am Samstagnachmittag gerade mal 20.000 bis 50.000 Menschen vor das Lincoln Memorial.
Auf mitgeführten Plakaten geißelten viele Protestler Faschismus und Rassismus, andere forderten den Erhalt der Abtreibungsrechte und den Kampf gegen die Klimakrise oder veralberten den neuen Präsidenten als „Musks Pudel“. Zwei Stunden lang wurden Reden geschwungen. Die ersten Teilnehmer gingen währenddessen nach Hause.
„We will win!“ (Wir werden gewinnen), rief irgendwann eine Aktivistin von der Bühne. „We will win!“ antwortete tapfer die Menge. Doch an diesem Wochenende fühlte es sich in der amerikanischen Hauptstadt ganz und gar nicht so an.