Berlin – Bundeskanzler Olaf Scholz will „in Kürze“ zu einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Moskau reisen. Das kündigte der SPD-Politiker am Mittwoch im ZDF-„heute journal“ an - ohne einen genauen Termin nennen. Auf die Äußerungen von Altkanzler Gerhard Schröder zur Ukraine-Krise reagiert Scholz mit einem Machtwort: „Wenn ich die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland richtig verstehe, gibt es nur einen Bundeskanzler, und das bin ich.“
Schröder hatte am Freitag die Forderungen der Ukraine nach Waffenlieferungen als „Säbelrasseln“ kritisiert. Scholz sagte dazu: „Ich habe ihn nicht um Rat gefragt, er hat mir auch keinen gegeben.“ Der Kanzler widersprach auch Darstellungen, dass seine Partei in der Ukraine-Krise keine einheitliche Linie verfolge. „Die SPD ist sehr einig und sie steht hinter der Politik, die der Kanzler verfolgt.“
Kritik der Bündnispartner und Vermisstenanzeigen auf Twitter
Scholz wird vorgeworfen, in der Ukraine-Krise zu zurückhaltend zu agieren. Erst nach langem Zögern legte er die die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 als mögliches Sanktionsinstrument auf den Tisch - und das auch nur verdeckt, ohne sie beim Namen zu nennen. Gleichzeitig erteilte er Waffenlieferungen an die Ukraine eine klare Absage, was ihm nun von der Ukraine und östlichen Nato-Bündnispartnern übel genommen wird. Auch in den USA werden Zweifel an der Verlässlichkeit Deutschlands laut.
Das tagelange Schweigen des Kanzlers dazu hat in sozialen Medien die heiß diskutierte Frage aufgeworfen: „Wo ist Scholz?“ Vor allem über Twitter werden Vermisstenanzeigen geschickt und gefragt: „Hat er auch vergessen, dass er Kanzler ist?“
Zweifel an deutscher Zuverlässigkeit? - „Das geschieht nicht“
Mit dem Interview meldet er sich nun zurück und versucht, aus der Defensive zu kommen. Dass Bündnispartner Deutschland als unzuverlässig ansehen, bestreitet er: „Das geschieht nicht. (...) Unsere Verbündeten wissen ganz genau, was sie an uns haben.“ Der Kanzler verweist auf den deutschen Beitrag zur Abschreckung der Nato gegenüber Russland und auf Finanzhilfen für die Ukraine von fast zwei Milliarden Euro in den letzten Jahren.
Er bekräftigt auch die Strategie der SPD und seiner Regierung in der Ukraine-Krise. Russland droht der Kanzler erneut mit Sanktionen für den Fall eines Einmarsches in die Ukraine und signalisiert gleichzeitig seine Bereitschaft, über Deeskalation zu sprechen. Viele Menschen fürchteten einen Krieg mitten in Europa, sagt Scholz. „Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, mit dieser Doppelstrategie dafür zu sorgen, dass es dazu nicht kommt.“
Macron telefoniert jetzt regelmäßig mit Putin
Um dieser Doppelstrategie gerecht zu werden, reist Scholz am Sonntag nach Washington, um dort am Montag US-Präsident Joe Biden zu treffen. Danach soll es nach Moskau gehen. Andere europäische Bündnispartner waren da allerdings schon schneller als der Kanzler - allen voran der französische Präsident Emmanuel Macron. Er hat in den vergangenen Tagen zwei Mal mit Putin telefoniert. Mittwochabend war ein drittes Gespräch auf der Tagesordnung. Auch eine Reise Macrons nach Moskau ist in Planung.
Der italienische Regierungschef Mario Draghi und der britische Premierminister Boris Johnson haben ebenfalls am Dienstag und Mittwoch mit dem Kremlchef gesprochen. Und Scholz? Er lässt in dem Interview die Frage offen, wann er zuletzt mit Putin telefoniert hat. „Natürlich habe ich auch mit dem russischen Präsidenten gesprochen“, sagt er lediglich.
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Nach den offiziellen Mitteilungen der Bundesregierung fand seit dem Amtsantritt des Kanzlers ein Telefonat mit Putin statt, am 21. Dezember. Auf eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, ob es darüber hinaus Gespräche gegeben habe, antwortete ein Regierungssprecher am Mittwoch: „Über die öffentlich kommunizierten Termine hinaus haben wir gegenwärtig nichts mitzuteilen.“
Keine Begegnung mit Putin in Peking
Während sich die Scholz-Reise nach Moskau konkretisiert, steht ein anderes Ziel vorerst nicht auf dem Reiseplan des Kanzlers: Peking. In den vergangenen Wochen hatte Scholz die Frage, ob er zu den Olympischen Spielen reist, unbeantwortet gelassen. Jetzt sagt er: „Ich habe keine Reisepläne. Deshalb kann man nicht davon ausgehen, dass ich plötzlich da auftauche und sage: Hallo, hier bin ich.“ Zur Eröffnungsfeier am Freitag werden Putin sowie die Staatschefs von Polen, Serbien, Ägypten, Argentinien, Kasachstan und Turkmenistan in Peking erwartet.
Ob überhaupt ein offizieller Vertreter der Bundesregierung an der Feier im Olympiastadion der chinesischen Hauptstadt teilnehmen wird, ist weiter unklar. Das Auswärtige Amt teilte auf dpa-Anfrage mit, dass von seiner Seite sicher niemand dabei sein wird - also auch kein Vertreter der deutschen Botschaft in Peking. (dpa)