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Solidarität mit Ukraine zum 8. Mai - Scholz-Reise offen

Lesezeit 4 Minuten

Berlin – Beim deutschen Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa vor 77 Jahren rückt die Solidarität mit der Ukraine in den Mittelpunkt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) verurteilte Russlands Angriffskrieg gegen das Land erneut scharf.

Er will an diesem Sonntag eine Fernsehansprache zum Jahrestag des 8. Mai 1945 halten. Im Rahmen der deutschen Präsidentschaft schalten sich zudem die Staats- und Regierungschefs der G7-Länder zu einer Konferenz zusammen, an der auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teilnehmen soll. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wird zu einem Besuch in Kiew erwartet. Mögliche Reisepläne von Scholz blieben vorerst offen.

Der Kanzler sagte am Samstag in einer Videobotschaft zum Parteitag der hessischen SPD in Marburg, der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin begonnene Krieg gegen die Ukraine sei brutal und durch nichts zu rechtfertigen. „Putin, beende diesen Krieg. Die Waffen müssen schweigen, ziehe deine Truppen zurück.”

Lindner: Besuch braucht Vorbereitung

Nach wochenlangen Diskussionen um Besuche deutscher Spitzenpolitiker reist Bas auf Einladung von Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk nach Kiew. Sie könnte dort möglicherweise auch Selenskyj treffen. Der ukrainische Präsident hatte am Freitag wiederum Scholz für diesen Montag eingeladen - am 9. Mai feiert Russland den sowjetischen Sieg über das nationalsozialistische Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Scholz könne einen „sehr starken politischen Schritt” unternehmen und am 9. Mai in die ukrainische Hauptstadt kommen, sagte Selenskyj bei einer Veranstaltung der Londoner Denkfabrik Chatham House.

Ob und wann Scholz reisen könnte, blieb unklar. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte der Deutschen Presse-Agentur am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Kiel, er habe größten Respekt vor einer solch spontanen Einladung. Ein derartiger Besuch benötige aber Vorbereitung. Er vermute, dass die Sicherheitsbehörden das so kurzfristig nicht realisieren könnten. Zur Frage, ob Scholz generell in die Ukraine reisen sollte, sagte Lindner: „Das entscheidet der Bundeskanzler selbst. Ich weiß, dass er seine Entscheidungen immer in unterschiedlicher Hinsicht sorgsam abwägt.”

Scholz hat schon Termine

Die Bundesregierung verwies auf Anfrage weiterhin auf schon bekannte Termine des Kanzlers, andere kurzfristige Termine habe man vorerst nicht mitzuteilen. Am Montag wird der französische Präsident Emmanuel Macron zum Antrittsbesuch nach seiner Wiederwahl in Berlin erwartet.

Aus Kreisen des französischen Präsidentenpalastes hieß es am Freitag, Staatschef Macron werde dann nach Kiew reisen, wenn dies nützlich sei. Dass er mit Kanzler Scholz, möglicherweise im Anschluss an das Treffen der beiden, dorthin fahre, sei nicht geplant. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist dies überhaupt nicht vorgesehen.” Sobald eine Reise in Vorbereitung sei, wolle der Élyséepalast darüber informieren.

Zwischen Kiew und Berlin hatte es wochenlang Verstimmungen gegeben, weil ein Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Ukraine nicht erwünscht war. Scholz hatte die Ausladung als Hindernis für eine eigene Reise bezeichnet. Steinmeier und Selenskyj räumten die Irritationen in einem Telefonat aus. Scholz kündigte danach an, dass Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bald reisen werde.

„Besonderer 8. Mai”

Die Fernsehansprache des Kanzlers soll am Sonntagabend ausgestrahlt werden. Die Bundesregierung hatte dazu vorab erklärt, es sei „ein sehr besonderer 8. Mai in diesem Jahr”. Dass zwei Länder, die im Zweiten Weltkrieg Opfer deutscher Aggression geworden seien, jetzt miteinander im Krieg stünden, sei „ein sehr bedrückender Umstand”. Scholz hatte sich bereits kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar mit einer Ansprache an die Bevölkerung gewandt.

Bei der Videokonferenz der sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte (G7) am späten Sonntagnachmittag soll es laut Bundesregierung insbesondere um die Lage in der Ukraine gehen. Angesichts des historischen Datums des 8. Mai sei der Zusammenhalt der G7 so wichtig wie nie zuvor. Der G7-Gruppe gehören Deutschland, Kanada, Frankreich, Italien, Japan, die USA und Großbritannien an.

Am 8. Mai wird an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa durch die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht erinnert. Der Tag markiert damit auch die Befreiung Europas vom Nationalsozialismus. Im pazifischen Raum ging der Krieg noch weiter. Dort endete er erst mit der Kapitulation Japans am 2. September 1945.

SPD-Chef Lars Klingbeil kündigte eine Neubesinnung seiner Partei in der Russland-Politik an. „Wenn im Grundsatzprogramm der SPD steht, dass Sicherheit in Europa nur mit Russland zu erreichen sei, dann sehen wir: Das stimmt vor dem aktuellen Hintergrund des Krieges nicht mehr”, sagte er der „Welt am Sonntag”. Neue Grundsätze sollten im Rahmen einer parteiinternen Kommission bestimmt werden. „Künftig müssen wir viel stärker mit den osteuropäischen Staaten kooperieren.”

© dpa-infocom, dpa:220507-99-195161/6 (dpa)