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Kampf um die SPD-SpitzeUnterwegs mit Norbert Walter-Borjans zum Flughafen Köln/Bonn

Lesezeit 6 Minuten

Endspurt im Kampf um den SPD-Parteivorsitz: Norbert Walter-Borjans auf dem Weg zu Markus Lanz.

  1. Zusammen mit Saskia Esken kämpft Norbert Walter-Borjans um die SPD-Spitze.
  2. Wir haben den 67-Jährigen von Köln-Klettenberg auf dem Weg zur Talkshow von Markus Lanz begleitet.
  3. Gleichzeitig haben wir den SPD-Ortsverein in Bornheim besucht und dort gefragt, was sich die Basis von der neuen SPD-Spitze wünscht.

Köln/Bornheim – Zusammenrücken sind sie gewohnt bei der Bornheimer SPD. Und dass sich kaum ein Bürger zu den Veranstaltungen des Ortsvereins verirrt, da kann das Thema noch so auf den Nägeln brennen. Wie Dienstagabend im Rathaus. Ein Kasten Wasser reicht bei der offenen Mitgliederversammlung, bei der sich alles um bezahlbares Wohnen dreht. Ein Problem, das auch in Bornheim, im Speckgürtel zwischen Köln und Bonn, längst angekommen ist. Die große Tischrunde wird nicht gebraucht. Fürs „Zukunft gestalten“ in Bornheim reichen 20 Plätze.

„Ich sehe fünf Gesichter, die ich so bei uns noch nie gesehen habe. Ich bin positiv überrascht.“ Die Ortsvereinsvorsitzende Anna Peters, die mit ihren 33 Jahren in der SPD fast schon exotisch anmutet, weiß sehr genau, wie es um ihre Partei steht. Darüber hat sie gerade erst mit ihrem Heizungsinstallateur gesprochen. „Auf die Frage, was wir konkret tun können, konnte er mir keine Antwort geben.“ Das sei „eher eine Imagefrage. Viele haben das Gefühl, mit der SPD, das passt gerade nicht.“

So will die Bornheimer SPD die Bürger erreichen

Wie es wieder passen könnte mit der SPD, das leben sie in Bornheim vor. Eine neue Führungsriege, der Anna Peters und Frank W. Krüger seit September als Doppelspitze vorstehen, etliche junge Gesichter, frische Ideen. Im Februar 2020 wird die Bornheimer SPD ihr Programm für die Kommunalwahl im Herbst in einer Bürgerwerkstatt entwickeln, die für alle offen ist. Anna Peters ist sicher, dass ein Wasserkasten dann nicht reichen wird. Eine Online-Umfrage läuft bereits. Thema: „Ihre Ideen für das Bornheim von morgen.“

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Anna Peters, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Bornheim, bei der Mitgliederversammlung im Rathaus.

Welche Doppelspitze die gute alte SPD auf Bundesebene führen soll, darüber ist man im Ortsverein Bornheim uneins. Die Jungen sind für Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, die Alten für Olaf Scholz und Klara Geywitz. „So ungefähr sieht das hier aus“, sagt Anna Peters. „Ich habe fürs Team Eskabo mit Saskia Esken gestimmt, weil ich glaube, dass die nicht einfach so weitermachen werden. Die sind offen für Neues, werden einiges umkrempeln.“ Ob mit oder ohne Fortsetzung der Großen Koalition spiele keine Rolle. „Der große Fehler war, dass wir da überhaupt reingegangen sind. Das hätte nicht passieren dürfen.“

„Müssen wieder eine deutlich linkere Politik machen“

Nichts wie raus. Julia Grüneberg (33), deren Großvater für die SPD schon im Bundestag saß, ist da radikaler. „Jeder Tag länger in der GroKo kostet uns weitere Stimmen. Wir müssen in die Opposition und wieder eine deutlich linkere Politik machen. Völlig egal, was bei Neuwahlen passiert.“

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Der SPD-Ortsvereins Bornheim bei der Mitgliederversammlung im Rathaus.

Das unterscheidet sie von Rainer Züge (54), dem Vize im Ortsverein. Die GroKo sei nicht so schlecht wie ihr Ruf. „Wir neigen in der SPD leider dazu, Erfolge klein zu reden. Allein die Grundrente ist doch ein Erfolg.“ Für ihn muss ein SPD-Bundesvorsitzender auch das Zeug zum Kanzler haben. Diesen Anspruch dürfe die Partei nicht aufgeben, „auch wenn das derzeit natürlich belächelt wird. Und da traue ich Olaf Scholz deutlich mehr zu.“

Mit Norbert Walter-Borjans unterwegs

Der Mann, den sich Züge als Kanzler nur schwer vorstellen kann, auf den aber viele Genossen große Hoffnungen setzen, steht am Mittwochnachmittag mit einem kleinen Koffer an der KVB-Haltestelle Sülzburgstraße in Köln-Klettenberg. Gleich kommt die Linie 18, die ihn zum Hauptbahnhof bringt, von dort geht es mit der S-Bahn weiter Richtung Flughafen.

Am Abend hat er in Hamburg einen Auftritt in der Talk-Show von Markus Lanz. Das ZDF habe die Anreise organisiert. „Normalerweise fahre ich immer Zug“, sagt der Kölner, den man in NRW unter seinem Spitznamen „Nowabo“ kennt. Knapp 12.000 Kilometer habe er mit der Bahn zurückgelegt, seit er sich zur Kandidatur entschlossen hat, sagt der frühere NRW-Finanzminister. Nach 23 Regionalkonferenzen kommt es jetzt zum Showdown. „Wenn wir alle Stimmen der Linken aus dem ersten Wahlgang bekommen, haben Saskia Esken und ich gute Chancen.“

Gerhard Voogt Walter-Borjans

Redakteur Gerhard Voogt hat Norbert Walter-Borjans zum Flughafen begleitet.

Noch erkennen den 67-Jährigen nur wenige Menschen in der Bahn. Erst am Flughafen, kurz vor der Sicherheitsschleuse, fragt ein Fan nach einem Selfie. Das könnte sich bald ändern.

„Nowabo“: Die Groko ist eine falsche Verbindung

Viele GroKo-Gegner erwarten von „Nowabo“ den Ausstieg. Bevor das Bündnis mit der Union platzt, will der Kandidat für den Parteivorsitz aber nachverhandeln: „Wir brauchen ein Update des Koalitionsvertrags. Ohne Milliardeninvestitionen in Infrastruktur und Klimaschutz, der Ausweitung von Tariflöhnen und einem Mindestlohn von zwölf Euro geht es wohl nicht weiter.“

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Gut möglich, dass die Union den hohen Preis zahlt, um Neuwahlen zu vermeiden. Wäre eine Fortsetzung unter Führung von Walter-Borjans/Esken nicht eine Mogelpackung? „Aus meiner Sicht ist die GroKo eine falsche Verbindung. Wenn man aber drin ist, muss man abwägen. Für mich hängt der Verbleib davon ab, wie weit die Union sich in unsere Richtung bewegt.“

Kein neues „Hauen und Stechen“

Nach der Urwahl soll die neue Parteispitze beim Bundesparteitag am 6.  Dezember in Berlin ins Amt gewählt werden. Sollte das Ergebnis knapp ausfallen, könne es dort zu einem „Hauen und Stechen“ kommen, fürchtet man bei den Genossen. Sebastian Hartmann (42), SPD-Landesvorsitzender, der auch dem Ortsverein Bornheim angehört, mahnt zur Disziplin. Es dürfe „keine dritte Halbzeit“ geben, sagt er.

DER FAHRPLAN

Die Abstimmung um den Parteivorsitz zwischen den beiden Teams Saskia Esken/Norbert Walter-Borjans und Klara Geywitz/Olaf Scholz läuft noch bis zum kommenden Freitag, 29. November, 24 Uhr. Sie hat am 19. November begonnen und war erforderlich, weil bei der ersten Abstimmung kein Team die absolute Mehrheit erreicht hatte. Deshalb kam es zur Stichwahl zwischen den beiden Erstplatzierten. In der ersten Runde kamen Geywitz/Scholz auf 22,68 Prozent. Esken/Walter-Borjans landeten mit 21,04 Prozent nur knapp dahinter. Das Abstimmungsergebnis wird am kommenden Samstag, 30. November, 18 Uhr, im Willy-Brandt-Haus in Berlin verkündet.

Das Gewinnerteam wird vom Parteivorstand zur Wahl auf dem SPD-Bundesparteitag vorgeschlagen, der vom 6. bis 8. Dezember in Berlin stattfinden wird. Die Wahl soll am 6. Dezember stattfinden. (pb)

Die SPD sei lange genug führungslos gewesen, deshalb müsse die neue Spitze die Strategie vorgeben. „Wichtig wäre, dass die Kommunen von Altschulden befreit werden“, so Hartmann. Auch die Grundrente müsse noch durch den Bundestag. Hartmann setzt darauf, dass es für die SPD in Berlin weitergeht. „Ich kenne keine Fußballmannschaft, die in der Halbzeit aus Angst in der Kabine bleibt.“ Unabhängig vom Wahlausgang sei NRW mit Rolf Mützenich als Chef der Bundestagsfraktion und Schatzmeister Dietmar Nietan aus Düren an der Parteispitze gut vertreten.

Thomas Kutschaty will auf das Wahlergebnis keine Wetten abschließen. „Es ist gut, dass jetzt bald die Richtung klar ist und es endlich losgehen kann“, sagt der Fraktionschef der SPD im Landtag. „Es wird spannend. Nach Adam Riese würde ich sagen: Fifty-fifty.“

Der Markenkern der Sozialdemokraten

Zwei Stunden diskutieren die Bornheimer Genossen im Rathaus über die Zukunft des Wohnens. Mit einem Referenten, der sich mit explodierenden Mieten, Immobilienpreisen, mit der Lage im Rheinland wie kein Zweiter auskennt. Es sei höchste Zeit, die Exzesse auf dem Wohnungsmarkt zu stoppen, sagt Michael Schleicher, ehemaliger Leiter des Kölner Wohnungsamts.

Entscheidend sei allein der politische Wille. Da ist er, einer der Markenkerne sozialdemokratischer Politik, nach denen die Genossen suchen. Jetzt müssen sie die nur noch unters Volk bringen.