„Macht mich wütend“Polizistin kritisiert Politik wegen Rassismusvorwürfen
- Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat der Polizei einen latenten Rassismus unterstellt. Bei den Beamten kommt dieser Vorwurf natürlich gar nicht gut an.
- Tania Kambouri ist Polizistin in Bochum - und kritisiert nun die Vorgehensweisen der Politik.
- Im Interview verrät sie außerdem, wieso sie sich heftige Krawalle wie zuletzt in Frankfurt und Stuttgart auch in NRW vorstellen kann.
Bochum/Köln – Vor fünf Jahren hat sie den Bestseller „Deutschland im Blaulicht“ veröffentlicht, darin schildert Tania Kambouri, 37, aus Bochum, wie schwierig sich der Streifendienst im Umgang mit aggressiven, jungen Migranten auf der Straße gestaltet.
Im Interview kritisiert die Polizeioberkommissarin mit griechischen Wurzeln die Politik scharf wegen pauschaler Rassismusvorwürfe und stellt klar: Solche Krawalle wie in Stuttgart oder Frankfurt drohen auch in NRW-Städten. Orte, an denen man sich sicher fühlen kann, würden abnehmen. Migrationshintergrund hält sie für einen wichtigen Faktor, der erfasst werden muss.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat der Polizei einen latenten Rassismus unterstellt, wie kommt das bei Ihnen an?
Kambouri: Das sind schwer zu ertragende Vorwürfe. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie man einer gesamten staatlichen Institution Rassismus unterstellen kann. Polizisten stellen einen Querschnitt der Bevölkerung dar, so dass es auch hier zu Fehlverhalten einzelner kommen kann. Uns unter Generalverdacht zu stellen, macht mich sehr wütend.
Immer wieder wird der Vorwurf des Racial Profiling laut, wie erleben Sie dies im Alltag?
Die Kontrollen dieser Personen kommen nicht von ungefähr. Wir schauen nicht auf die Hautfarbe oder die Herkunft, sondern auf das Gesamtbild. Wie ist die Körperhaltung, die Mimik. Wir prüfen, ob die Person schon mal polizeilich in Erscheinung getreten ist. Ob das Fahrzeug, das sie fährt, kriminellen Kreisen zuzuordnen ist. Wenn wir beispielsweise eine Person mit afrikanischen Wurzeln anhalten, dann nur auf Grund ihres verdächtigen Verhaltens und nicht etwa aufgrund der Herkunft.
Oft heißt es, die Polizei verfüge über zu wenig Beamte mit Migrationshintergrund, um sich in Zuwanderermilieus zurechtzufinden.
Wir leben in Deutschland. Ich muss nicht die türkische Sprache oder das traditionelle Clandenken verstehen, um in diesen Milieus einzuschreiten. Es herrschen deutsche Gesetze, an die sich alle halten müssen. Es wäre der falsche Weg, wenn sich die Polizei hier anpassen müsste.
In Stuttgart und Frankfurt sollen vor allem junge meist vorbestrafte Männer mit Migrationshintergrund randaliert haben, ein neues Phänomen?
Nein. Bei uns im Ruhrgebiet und auch bundesweit sind viele Straftäter junge Männer mit Migrationshintergrund. Durch die Flüchtlingswelle hat sich das Problem in den Revierstädten nochmals massiv verstärkt. Dass die Presse nach den Krawallen in Stuttgart und Fankfurt häufig fast freundlich von „erlebnisorientierten Jugendlichen“ spricht, ist mir nicht verständlich.
Können sich Szenen wie in Frankfurt auch in NRW-Städten wiederholen?
Absolut. Die Polizei kann der wachsenden Gewaltbereitschaft immer weniger Einhalt gebieten. Angriffe auf Polizeibeamte haben ein erschreckendes Maß erreicht. Durch diese Attacken und eine massive Einsatzbelastung bleiben inzwischen viele junge Kollegen nicht lange auf der Straße. Früher gingen etliche Beamte 25 bis 30 Jahre auf Streife. Heute ist das in den Ballungsräumen eher eine Ausnahme.
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Was läuft da schief?
Diese Klientel lernt schnell, dass sie nahezu tun und lassen kann, was sie will, weil keine ausreichenden oder zeitlich nur sehr verzögerte Sanktionen erfolgen. Wenn diese Leute nach Angriffen auf Polizeibeamte, Raubzügen und sexuellen Übergriffen keine Eingrenzung und Konsequenzen erfahren, ist es doch nur logisch, dass sie ihr Verhalten fortsetzen. Zu befürchten ist, dass es auch bei uns in NRW zu solchen Krawallen und de facto rechtsfreien Räumen in bestimmten Vierteln kommen wird. Wenn wir es nicht schaffen, dies klar zu benennen, müssen wir uns über eine Spaltung der Gesellschaft und ein Wachstum rechtspopulistischer Parteien nicht wundern.
Ist das nicht eine zu düstere Prognose?
Was heißt hier zu düster? Inzwischen gibt es für den Normalbürger in vielen Metropolen in NRW Orte, die man aufgrund der fehlenden Sicherheit meidet, so etwa die Dortmunder Nordstadt. Tagsüber ist es dort schon unangenehm, nachts aber würde ich alleine dort nicht mehr hingehen. Aus meiner Sicht nehmen in vielen Städten jene Bereiche ab, in denen man sich wirklich sicher fühlen kann. Früher war ich als Jugendliche abends häufig allein in der Bochumer Innenstadt unterwegs. Dies würde ich heute nicht mehr tun.
Aber laut Kriminalstatistik gehen die Straftaten in NRW und im Bund zurück.
Die Kriminalstatistik deckt sich in weiten Teilen nicht mit meinem täglichen Erleben und dem meiner Kollegen. Viele bedrohliche Erlebnisse und aggressives Verhalten kommen in dieser Statistik nicht vor. Aus meiner Sicht nimmt das Aggressionspotential immer weiter zu. Und schon kleine Konflikte können zu einer großen Eskalation führen. Im besonderen Maße bei den zuvor genannten Gruppen.