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Ergebnisse in Thüringen und SachsenWas die Landtagswahlen für die Bundespolitik bedeuten

Lesezeit 4 Minuten

Vor den Landtagswahlen waren viele bundespolitische Themen prägend im Wahlkampf. Nachher bleiben Enttäuschung für die Ampelparteien und die Koalitionsfrage bei der CDU.

Die SPD hat Errungenschaften der Ampelkoalition aufgehängt. An unsichtbaren Drähten schweben sie über der Bühne in der Parteizentrale in Berlin. „Bafög ausgeweitet“, „14,5 Milliarden für bezahlbares Wohnen“, „Paragraf 219a gestrichen“, „Bürgergeld eingefügt“, „Mindestlohn auf 12 Euro erhöht“, „Energieversorgung gesichert“ ist da zu lesen.

Normalerweise treten auf dieser Bühne an einem Wahlabend Parteiobere auf, die den Ausgang kommentieren. Es sind die Momente, in denen dann gejubelt wird – oder eben auch nicht. Am Sonntag nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen mit den einstelligen Ergebnissen will sich die Bundes-SPD die große Runde Betretenheit wohl ersparen.

Kühnert versichert: Die Koalition werde halten

Generalsekretär Kevin Kühnert und Parteichefin Saskia Esken ziehen stattdessen von Fernsehkamera zu Fernsehkamera. Kühnert steht schon kurz nach der ersten Prognose in der ersten Etage der Parteizentrale und müht sich bei ARD und ZDF um irgendetwas Positives. „Es gab die reale Gefahr, aus den Landtagen rauszufliegen“, sagt er. Die Botschaft sei nun: „Kämpfen lohnt sich. Wir werden gebraucht. Und es gibt auch Menschen, die durchaus unsere Politik natürlich wollen.“

Prozentuales Abschneiden und Sitzverteilung der Parteien.  Hochrechnung: 21.30 Uhr (Photo by AFP)

Prozentuales Abschneiden und Sitzverteilung der Parteien. Hochrechnung: 21.30 Uhr

Und dann kommt das Aber: Die SPD-Spitze habe „keine Tomaten auf den Augen“, sagt Kühnert. Es müsse einiges geändert werden. „Ganz vieles kann nicht nachvollzogen werden, auch weil zu wenig oder nicht verständlich genug darüber kommuniziert wird“, sagt Kühnert. Das müsse die ganze Partei, vor allem aber die Spitze und auch der Kanzler verinnerlichen. Die Hauptbotschaft des Abends sei: „Werben, erklären, erläutern, viel mehr als wie wir das bisher tun.“

Eine andere Botschaft setzen Kühnert und Esken gleich mit: Die SPD werde sich in der Ampel nicht mehr von FDP und Grünen auf der Nase herumtanzen lassen. Andere seien „krachend aus den Landtagen jetzt rausgewählt worden“, sagt Kühnert. Für die Grünen trifft das in Thüringen zu, für die FDP in beiden Bundesländern. Bei aller Markigkeit versichert Kühnert: Die Koalition werde halten. Aber die SPD werde ihre Themen klarmachen, wie Esken nennt er Verbesserungen bei der Rente. Kühnert mahnt : „Aber dafür muss jetzt eine andere Körperhaltung angenommen werden, nicht nur beim Bundeskanzler, sondern bei der gesamten SPD-Spitze.“

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat sich da ein paar Kilometer weiter in seiner Parteizentrale schon sehr aufrecht vor die ersten Kameras gestellt. Knapp stärkste Kraft in Sachsen, zweite Position in Thüringen – so sieht es für die CDU da aus. Er schimpft etwas auf die Ampel und bezeichnet die CDU als „Bollwerk“ gegen die AfD.

Prozentuales Abschneiden und Sitzverteilung der Parteien. Hochrechnung: 21.30 Uhr (Photo by Nadine EHRENBERG / AFP)

Prozentuales Abschneiden und Sitzverteilung der Parteien. Hochrechnung: 21.30 Uhr

Für beide Länder hatte die Bundes-CDU ähnliche Ziele verfolgt: Hauptsache regieren. In Sachsen wollten die Christdemokraten das Ministerpräsidentenamt von Michael Kretschmer verteidigen und in Thüringen Voigt in die Staatskanzlei schicken. Dass die CDU mit weitem Abstand zu den Ampelparteien abschneidet, verkaufen die Christdemokraten als Erfolg. „Unser Ergebnis ist sehr gut. Die Ampelparteien sind abgestraft worden“, sagt Linnemann. Von dem Ziel, die AfD-Werte zu halbieren, ist CDU-Chef Friedrich Merz ohnehin abgerückt.

Das Motto der CDU für diese Landtagswahlen: Hauptsache regieren

Sollte die CDU nun Koalitionen schmieden können, kann Friedrich Merz auf Rückenwind hoffen. Der Spätsommer ist als etwas ungenauer Termin für die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur der Union ausgegeben worden – und Merz parteiinterne Gegner warten nur auf ein Zeichen der Schwäche.

Merz war der Erfolg in den Ländern so wichtig, dass er seinen Parteifreunden im Osten Beinfreiheit gab, möglicherweise mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zu regieren, obwohl Wagenknecht die CDU mit Koalitionsbedingungen triezte. Mindestens Voigt in Thüringen dürfte Gespräche mit dem BSW aufnehmen. Ob das die CDU zerreißen werde, wird Generalsekretär Linnemann gefragt. „Es wird gar nichts zerreißen“, antwortet er. Doch besonders in den Westverbänden und unter Außenpolitikern gibt Widerstand gegen eine Koalition mit dem BSW. Und nicht alle in der CDU in Sachsen oder Thüringen sind von der Abgrenzung zur AfD überzeugt. An der Brandmauer zur AfD will die CDU-Führung aber festhalten. „Dabei bleibt es“, betont Linnemann leicht genervt.

Der Wahlerfolg der beiden rechtsextremen Landesverbände dürfte nun auch den zunehmend rechtsextremen Kurs der Bundes-AfD weiter stärken. Parteichefin Alice Weidel jedenfalls sagt in der ARD, man könne von den Spitzenkandidaten in beiden Ländern lernen.

Kubicki: „Die Ampel hat ihre Legitimation verloren“

Bei der FDP, die in Thüringen und Sachsen zur Splitterpartei verkümmert ist, schlägt Generalsekretär Bijan Djir-Sarai einen ungewöhnlich versöhnlichen Ton an. „Deutlicher auf den Tisch zu hauen ist kein guter Ratgeber“, sagt er in der ARD. FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat das offenbar nicht gehört: „Die Ampel hat ihre Legitimation verloren“, poltert er auf X (vormals Twitter).

Und Grünen-Chef Omid Nouripour verkündet zerknirscht: „Wir gehen Probleme an, wir lösen sie. Aber auf der Strecke gibt es dann Lautstärke, die das überdeckt.“ Eines zieht sich unisono durch viele Stellungnahmen: Das größte Problem sei, dass eine rechtsextreme Partei erstmals stärkste Kraft in einem Bundesland geworden sei.