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Interview nach HinrichtungTochter von Jamshid Sharmahd fordert Abbruch aller Beziehungen zu Teheran

Lesezeit 3 Minuten
Gazelle Sharmahd, Tochter des im Iran zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd. (Archivbild)

Gazelle Sharmahd, Tochter des im Iran zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd. (Archivbild)

Gazelle Sharmahd hat bis zuletzt um das Leben ihres Vaters gekämpft, der in den Iran verschleppt und dort zum Tode verurteilt wurde.

Das iranische Regime hat vor wenigen Tagen die Hinrichtung des iranischstämmigen Deutschen Jamshid Sharmahd (69) verkündet. Im Interview des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) übt seine Tochter Gazelle Sharmahd (42) schwere Kritik: Die Bundesregierung habe sich nie ausreichend dafür eingesetzt, das Leben ihres Vaters zu retten, beklagt sie. Die nach seinem Tod verhängten Strafmaßnahmen hält sie für ungenügend. Gazelle Sharmahd erklärt außerdem, welche persönlichen Konsequenzen es für sie hat, dass sie den Tod ihres Vaters nicht verhindern konnte.

Das iranische Regime hat am Montag die Hinrichtung Ihres Vaters bekannt gegeben. Wie haben Sie davon erfahren?

Ich weiß noch nicht, ob es eine Hinrichtung war. Niemand konnte das bis jetzt verifizieren. Ich habe einen Anruf bekommen von der Angehörigen einer anderen deutschen Geisel im Iran. Wenn sie anruft, sind das meist keine guten Nachrichten. Und bevor ich überhaupt antworten konnte, habe ich Beileidsbekundungen von Aktivisten und Journalisten auf meinem Telefon gesehen. Ich habe nur noch geschrien.

Zweifeln Sie tatsächlich daran, dass Ihr Vater hingerichtet wurde?

Uns wurde von höchster Stelle im Auswärtigen Amt gesagt, der Außenminister des Terrorregimes in Teheran habe behauptet, mein Vater sei verstorben. Aber seit wann verlassen wir uns auf das Wort von Terroristen? Vielleicht wurde er zu Tode gefoltert, vielleicht wurde er vergiftet, vielleicht wurde er hingerichtet. Die Umstände, unter denen er ermordet wurde, sind wichtig. Bevor sie nicht geklärt sind, nehme ich weder Beileidsbekundungen an, noch veranstalte ich eine Trauerfeier.

Wissen Sie, ob Sie die Leiche Ihres Vaters bekommen werden?

Das ist die wichtigste Forderung, die wir an das Auswärtige Amt und das State Department gestellt haben. Und es ist das mindeste, was man erwarten kann.

Ihr Vater war deutscher Staatsbürger und Inhaber einer Green Card, hat also in den USA gelebt und gearbeitet. Sie haben in der Vergangenheit immer wieder kritisiert, die Bundesregierung und die US-Regierung übten nicht genug Druck aus, um Ihren Vater freizubekommen. Meinen Sie, mehr Druck hätte Ihren Vater retten können?

Mehr Druck würde voraussetzen, dass es überhaupt ernsthaften Druck gab. Es gab ein paar Sanktionen, aber das ist ein Witz. Das Regime in Teheran ist trotzdem immer stärker geworden. Das Regime hat meinen Vater, einen deutschen Staatsbürger, aus Dubai in den Iran verschleppen lassen. Was für Reaktionen gab es darauf? Welche Reaktion gab es, als ihm die Zähne ausgeschlagen wurden? Als er 1500 Tage in Isolationshaft saß? Als er immer und immer wieder in Schauprozesse gezerrt wurde? Deutschland und die USA haben immer wieder Gefangenenaustausche gemacht, zum Beispiel mit Russland. Niemand kann mir erklären, warum das für meinen Vater nicht ging.

Die iranische Justiz hat ihrem Vater die Beteiligung an Terroranschlägen vorgeworfen…

Das sind Lügen, die sogar in den Nachrichten in Deutschland wiederholt worden sind. Mein Vater ist ein Freiheitskämpfer gegen das Regime gewesen. Auch die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen ist zu dem Schluss gekommen, dass er entführt wurde, weil er sein legitimes Recht auf freie Meinungsäußerung ausübte. Dass sein Name noch nach seinem Tod durch den Schmutz gezerrt wird, ist eine Unverschämtheit. Zum Tode verurteilt wurde er wegen angeblicher „Korruption auf Erden“. Das ist ein Todesurteil, das alle Dissidenten bekommen. Übrigens wurde meinem Vater auch vorgeworfen, für den Bundesnachrichtendienst gearbeitet zu haben. Damit würden sich etwaige Terrorvorwürfe auch gegen die Bundesregierung richten.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat „die Ermordung von Jamshid Sharmahd durch das iranische Regime“ auf das Schärfste verurteilt, wie sie mitteilte. Sie kündigte „schwerwiegende Folgen“ an und ließ die drei iranischen Generalskonsulate in Deutschland schließen, die iranische Botschaft in Berlin aber bleibt geöffnet. Sind das aus Ihrer Sicht ausreichende Konsequenzen?

Natürlich nicht. Ich frage mich auch: Warum wurden die Generalkonsulate nicht schon vor vier Jahren geschlossen, als ein deutscher Staatsbürger entführt und in einem Schauprozess mit dem Tode bedroht wurde? Warum haben wir abgewartet, bis mein Vater tot ist? Und warum wird die Botschaft offengehalten? Hat die Hamas, haben die Taliban in Berlin eine Botschaft? Das sind genauso Terrororganisationen. Abgesehen davon interessiert sich das Regime in Teheran nur für Geld, nicht für Diplomatie. Und Deutschland macht immer noch Geschäfte mit dem Iran. Wir müssten alle Beziehungen abbrechen.

Sie sind eigentlich Krankenschwester in Los Angeles, haben Ihren Job aber aufgegeben, um für das Leben Ihres Vaters zu kämpfen. Was werden Sie künftig tun?

Ich habe von Anfang an geschworen, dass ich entweder meinen Vater zurückbekommen oder seinen Kampf fortsetzen werde. Was meinem Vater passiert ist, geschieht tagtäglich im Iran, ohne dass darüber berichtet wird. Ich trete jetzt in die großen Fußstapfen meines Vaters. Ich möchte nicht zulassen, dass das, was ich erleben muss, einer anderen Tochter geschieht.