AboAbonnieren

Kampf gegen „woke“Trump stürzt Amerikaner mit Ausgabenstopp ins Chaos

Lesezeit 4 Minuten
Donald Trump im Weißen Haus am 23. Januar 2025

Donald Trump im Weißen Haus am 23. Januar 2025

Der Präsident will abrupt öffentliche Leistungen von drei Billionen Dollar auf Eis legen. In letzter Minute verzögert ein Gericht das Inkrafttreten.

Karoline Leavitt wirkte zunächst bemerkenswert souverän, als sie am Dienstag im überfüllten Briefing Room des Weißen Hauses zum ersten Mal vor die Presse trat. Ruhig beantwortete die 27-jährige Präsidentensprecherin die ersten Fragen.

Doch dann wollte ein Reporter wissen, ob der radikale staatliche Ausgabenstopp, der vier Stunden später in Kraft treten sollte, auch die Krankenversicherung Medicaid betreffe, bei der immerhin 70 Millionen Amerikaner mit geringem Einkommen abgesichert sind.

Für eine kurzen Moment war Leavitt ratlos. „Das muss ich herausfinden. Ich melde mich mit der Antwort“, erwiderte sie dann.

„Das ist eine vorübergehende Unterbrechung“

Trumps Sprecherin war nicht die einzige, die das drastische Ausmaß einer Anordnung des Haushaltsbüros des Weißen Hauses nicht überblickte. Am Montag hatte diese Behörde abrupt angeordnet, dass am Folgetag ein großer Teil der bundesstaatlichen Zuschüsse und Kreedite bis auf weiteres eingestellt werden müsse, um sicherzustellen, dass die Ausgaben nicht gegen politische Vorgaben des neuen Präsidenten verstoßen. „Das ist eine vorübergehende Unterbrechung“, spielte Leavitt den Eingriff herunter. Direkte Leistungen wie die Rente und Lebensmittelmarken seien nicht betroffen.

Buchstäblich in letzter Minute wurde das für Dienstag 17 Uhr terminierte Inkrafttreten des Erlasses zwar von einer Washingtoner Distriktrichterin mit einer Eilentscheidung zunächst verhindert und mindestens bis zum nächsten Montag hinausgezögert. Trotzdem herrschen vielerorts in den USA nun Unsicherheit, Chaos und Ärger. Insgesamt will Präsident Donald Trump nämlich einen gewaltigen Ausgabenblock von rund drei Billionen Dollar auf Eis legen, obwohl viele Leistungen bereits vom Kongress bewilligt wurden. Damit wären viele öffentliche Dienstleistungen paralysiert. Laut amerikanischen Medienberichten sind unter anderem Gelder für Vorschulprogramme, Katastrophenhilfe und Raumfahrt gefährdet. Programme zur Suizid-Prävention von Kriegsveteranen, zur Unterstützung von Terroropfern und Krebsforschung sind genauso gestoppt wie Kredite für Keinunternehmen und Mietzuschuss-Gutscheine.

„Das ist ein Blitzkrieg“, schlug der demokratische Senator Chris Murphy Alarm: „Trump will die ganze Demokratie zum Zusammensturz bringen, um dann die absolute Kontrolle zu übernehmen.“ Sein Parteifreund Chuck Schumer nannte das Vorhaben „verfassungswidrig, gefährlich und zerstörerisch“. Die Justizminister von mehr als 20 demokratischen Bundesstaaten reichten eine Klage an, die mutmaßlich vor dem Supreme Court landen dürfte. „Der Präsident hat seine Kompetenzen überschritten“, erklärte die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James: „Er hat die Verfassung gebrochen und trampelt auf einer gleichberechtigte Regierungsgewalt herum.“

Krankenversicherung Medicaid ist zeitweise nicht mehr erreichbar

Das genaue Ausmaß der beispiellosen Ausgabensperre war zunächst nicht zu ermessen. Zeitweise ging die Homepage der Krankenversicherung Medicaid offline, und in einigen Bundesstaaten konnten keine Zahlungen an Ärzte und Krankenhäuser geleistet werden. Das sei eine vorübergehende Panne, versicherte die Regierung eilig. Doch die weitreichende Maßnahme wurde so kopflos und  überstürzt verkündet, dass selbst Republikaner im Kongress perplex waren. „Das sind reale Menschen, die von diesen Zahlungen abhängen“, sagte der Abgeordnete Don Bacon dem „Wall Street Journal“: „Alles, was ich im Moment sagen kann ist: Ich hoffe, dass das nicht lange dauert.“

Das folgenreiche Memo des Weißen Hauses, das vom kommissarischen Haushaltsdirektor Matthew Vaeth abgezeichnet ist, betont die Verpflichtung der Verwaltung zu überprüfen, ob sämtliche Ausgaben den politischen Vorgaben des Präsidenten entsprechen. Vaeth spekuliert, ein großer Teil des Geldes werde für „woke“ Ideen wie „marxistische Gleichheit“, „Transgender-Ideologie“ oder den im „Green New Deal“ verankerten Klimaschutz verschwendet. Außerdem will der Präsident offenbar verhindern, dass staatliche Mittel auf irgendeine Weise an Abtreibungskliniken oder irreguläre Migranten fließen.

Kein Geld mehr für Aids-Bekämpfung in Afrika

„Das ist eine sehr verantwortliche Sache“, verteidigte Leavitt den Ausgabenstopp und behauptete, die Biden-Regierung habe Steuergelder „wie ein betrunkener Seemann“ verschwendet. Mit dieser Begründung hatte Trump in der vergangenen Woche bereits ein Dekret unterzeichnet, das sämtliche Auslandshilfen der USA für 90 Tage aussetzt. Diese abrupte Sperre gefährdet sowohl Militärhilfen für die Ukraine wie die Gehaltszahlung für kurdische Milizen, die islamistische Teroristen im Nordosten Syriens bewachen und die Verbreitung von Anti-HIV-Medikamenten in Afrika.

Mit dem jüngsten Stopp sämtlicher Bundeshilfen eskaliert Trump seinen Disruptionskurs weiter. Gleichzeitig will er mit brachialen Methoden den Regierungsapparat drastisch reduzieren. Am Dienstagabend veröffentlichte er ein Abfindungsangebot, das wie eine Drohung formuliert ist. Die Jobs in der öffentlichen Verwaltung seien nicht mehr sicher, heißt es darin. Alle Staatsbediensteten, die bis zum 6. Februar freiwillig kündigen, sollen bis zum September weiter ihr Gehalt erhalten, ohne dafür arbeiten zu müssen.