Donald Trump löst Wahlversprechen ein und begleicht Rechnungen. Am Dienstag verfügte er die Begnadigung eines zu lebenslanger Haft verurteilten Straftäters.
„Erleben einen neuen Sonnenkönig“Nächste Begnadigung, Russland-Vorstoß – Trump regiert weiter im Eiltempo
Kurz nach der Begnadigung aller Straftäter der Kapitol-Attacke durch den neuen US-Präsidenten Donald Trump sind viele Verurteilte auf freiem Fuß – und triumphieren. An verschiedenen Orten im Land wurden in den ersten Stunden nach Trumps Amtseinführung Häftlinge entlassen, die wegen ihrer Beteiligung an dem gewaltsamen Sturm auf den Parlamentssitz vor vier Jahren schuldig gesprochen wurden. Darunter sind Leute, die damals brutal auf Polizisten und andere Sicherheitskräfte einprügelten.
Auch die bekanntesten Beschuldigten mit den höchsten Haftstrafen - die früheren Frontmänner der beiden rechtsradikalen Gruppen „Oath Keepers“ und „Proud Boys“, Stewart Rhodes und Henry „Enrique“ Tarrio – kamen nur Stunden nach Trumps Amtsantritt frei. Sie zeigten Genugtuung. Tarrio äußerte sich kurz nach seiner Freilassung in einem Interview mit dem rechten Verschwörungstheoretiker Alex Jones. Er sei sprachlos vor Freude, sagte der Rechtsextremist. Trump habe ihm „buchstäblich das Leben zurückgegeben“.
Donald Trump begnadigt alle – egal ob Gewalttäter oder nicht
Trumps rigorose Total-Begnadigung von aberhunderten Straftätern vom 6. Januar 2021 überraschte selbst Leute aus seinem Umfeld. Hochrangige Demokraten und Ex-Polizisten reagierten empört und höchst alarmiert. Trump rechtfertigte seine Entscheidung und sagte, viele Strafen seien „lächerlich“ und „exzessiv“ gewesen. Sein Schritt beweist einmal mehr, dass der Republikaner keinen Tabubruch scheut.
In der Tat fühlt sich in den USA mit Trump an der Macht mancher zurück in den „Wilden Westen“ versetzt. Der Polizist Michael Fanone, der am 6. Januar 2021 am Kapitol im Einsatz war, niedergeknüppelt und mit einem Elektroschocker malträtiert wurde, sagte dem Sender CNN, er habe nach der Begnadigung seiner Peiniger nun Angst um seine Sicherheit und die seiner Kinder.
Kritik zu Trumps ersten Amtshandlungen und seinen Ankündigungen kommt auch aus Deutschland. Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, äußerte scharfe Kritik an Trump. Die Begriffe Menschenwürde, Gerechtigkeit sowie eine wertebasierte Weltordnung seien in seiner DNA nicht verankert, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Mittwoch). Auf dieser Basis werde man nicht mit ihm verhandeln können. „Wir erleben einen neuen Sonnenkönig. Doch er verbreitet keine Sonnenstrahlen.“ Trump demonstriere „bewusst und kalkuliert, dass er die unumschränkte Staatsgewalt bei sich verortet“.
Während über seine ersten Amtshandlungen – dazu gehörte auch ein Dekret, das die Abschaffung des Erhalts der US-Staatsbürgerschaft durch Geburt vorsieht – immer noch heftig diskutiert wird, hat der 78-jährige Republikaner indes am Dienstag (Ortszeit) bereits nachgelegt.
US-Präsident Trump begnadigt Silk-Road-Gründer Ulbricht
So gab der 47. Präsident der Vereinigten Staaten eine weitere prominente Begnadigung bekannt. Demnach kommt der zu lebenslanger Haft verurteilte Gründer des illegalen Online-Handelsplatzes Silk Road, Ross William Ulbricht, frei. Er habe „zu Ehren der libertären Bewegung, die mich so stark unterstützt hat, eine vollständige und bedingungslose Begnadigung ihres Sohnes zu unterzeichnet“, erklärte Trump im Onlinedienst Truth Social zu einem Telefonat mit Ulbrichts Mutter.
Der heute 40-jährige Ulbricht hatte den Drogenumschlagplatz Silk Road im Internet betrieben und war damit zum Millionär geworden. Neben Drogen konnten Nutzer auf der Website auch Waffen und gefälschte Ausweise kaufen sowie Auftragsmörder anheuern. Alle, die an seiner Verurteilung mitgewirkt hätten, bezeichnete Trump als „Abschaum“, wie die „New York Post“ berichtet.
Trump startet Infrastruktur-Projekt zur Künstlichen Intelligenz
Der US-Präsident gab zudem am Dienstag den Start eines Infrastruktur-Projekts zur Künstlichen Intelligenz (KI) namens „Stargate“ bekannt gegeben, das Investitionen von „mindestens 500 Milliarden Dollar“ (479,6 Milliarden Euro) in den USA nach sich ziehen soll. Das Geld werde in „KI-Infrastruktur in den USA investiert“, sagte Trump. Auf diese Weite würden mehr als 100.000 Arbeitsplätze geschaffen.
Trump hatte zuvor ein Dekret seines Vorgängers Joe Biden zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz aufgehoben. Die USA, in denen die bedeutendsten KI-Entwickler tätigt sind, haben somit keine gültigen staatlichen Richtlinien zur Entwicklung von KI-Modellen mehr.
Trump beendet Personenschutz für seinen früheren Berater Bolton
In einem weiteren Beschluss entzog der US-Präsident seinem früheren Nationalen Sicherheitsberater John Bolton den Schutz durch den Secret Service. „Das kann man nicht ein Leben lang haben“, so Trump über seinen Kritiker Bolton, den er als „sehr dummen Menschen“ und als „Kriegstreiber“ bezeichnete. Bolton war Ziel eines mutmaßlich iranischen Attentatsplans, er war bei Trump durch sein Enthüllungsbuch „The Room Where It Happened“ in Ungnade gefallen. Darin hatte der Hardliner Trump als korrupt, inkompetent und ahnungslos dargestellt.
Trump äußert sich erstmals nach Amtseinführung ausführlich zu Russland-Plänen
Mit Spannung erwartet worden war, wann sich Donald Trump erstmals nach seiner zweiten Amtseinführung zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine äußern würde. Lange warten ließ der im Eiltempo regierende Trump die politischen Beobachter nicht. So stellte er weitere Sanktionen gegen Russland in Aussicht, zeigte sich aber auch offen für Verhandlungen zum Beenden des Ukraine-Kriegs. Wann immer Kremlchef Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bereit seien, werde er sich mit ihnen treffen, sagte Trump im Weißen Haus in Washington. Auf die Frage, ob er Sanktionen ergreifen werde, falls Putin nicht zu Verhandlungen bereit sei, antwortete Trump: „Klingt wahrscheinlich.“
Trump hatte im Wahlkampf großspurig angekündigt, er werde den Krieg in der Ukraine in kürzester Zeit beenden. Wie er das anstellen will, hatte Trump stets unbeantwortet gelassen. Zwar wolle die Ukraine Frieden haben, so Trump am Dienstag, „aber zum Tango gehören immer zwei“.
Trump zufolge hat der Krieg bereits „Millionen Menschen“ das Leben gekostet, darunter vor allem Soldaten auf beiden Seiten. „Es ist sehr flach, wissen Sie, es ist wunderschönes Ackerland, wirklich auf eine besondere Weise schön, aber es gibt keinen Schutz“, sagte der Republikaner. „Das Einzige, was eine Kugel aufhält, ist ein Körper.“ Nach Trumps Aussagen hat Russland etwa 800.000 Soldaten verloren, während die Ukraine 600.000 bis 700.000 Tote zu beklagen habe. Die enorm hohen Opferzahlen in solchen Konflikten lassen sich in der Regel nicht unabhängig verifizieren.
Die vielen Entscheidungen und Ankündigungen am Dienstag zeigen vor allem eins: Donald Trump legt in seiner zweiten Amtszeit ein rasantes Tempo vor. Er löst Wahlversprechen ein, übt ungezügelte Macht aus und begleicht Rechnungen. Zwei Tage Trump im Weißen Haus fühlten sich bereits an wie eine ganze Amtszeit, urteilte CNN am Dienstag.
Seine Anhänger dürften mehr als zufrieden sein mit Trumps Kaltstart in die Amtszeit. Allerdings ist jetzt schon fraglich, ob alle seine Entscheidungen Bestand haben. Einige seiner Verordnungen werden bereits juristisch angefochten. Die großen innenpolitischen und internationale Krisen warten indes noch auf Trump – und lassen sich nicht mit einer Unterschrift erledigen. (mit dpa, afp, kna)