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Kommentar

Naher Osten
Donald Trumps Fantasie namens Mar-a-Gaza

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Was, wenn die Palästinenser hier nicht weichen wollen? Strand bei Deir al Balah in Gaza.

Was, wenn die Palästinenser hier nicht weichen wollen? Strand bei Deir al Balah in Gaza.

Man muss kein Experte für Völkerrecht oder Menschenrechte sein, um massive Bedenken an Trumps Pläne für Gaza zu haben, meint RND-Chefautor Matthias Koch.

Das Tolle an Donald Trump sei, dass er „outside the box“ denke. So formulierte es Benjamin Netanjahu in der Nacht zum Mittwoch.

Lächelnd stand Israels Premier neben dem US-Präsidenten im Weißen Haus vor der Presse und überhäufte seinen Gastgeber kübelweise mit Lob. Trump spreche Dinge aus, die andere nicht zu sagen wagen: „Erst fällt dann vielen Kinnlade runter – doch dann kratzen sie sich am Kopf und sagen: Er hat recht.“

Mit seinem neuen Gaza-Plan allerdings konnte Trump nur Reaktion Nummer eins auslösen, die mit den Kinnladen. Bei Teil 2 scheint es schwierig zu werden. Seriöse Stimmen, die ihm recht geben, sind weltweit nicht zu hören.

Noch nie hat ein amerikanischer Präsident ein so abenteuerliches Konzept für den Nahen Osten vorgelegt. Medienvertreter dachten anfangs, sie hören nicht richtig. Doch Trump wiederholte es mehrfach: Allen Ernstes sollen fast zwei Millionen Palästinenser und Palästinenserinnen aus dem Gazastreifen in neue Wohngebiete umgesiedelt werden, etwa in Jordanien und Ägypten. Unter der Kontrolle von US-Truppen soll dann Gaza mit Blick auf die attraktive Lage am Meer umgebaut werden zur „Riviera des Nahen Ostens“.

Trumps Plan „hat wohl ein paar Macken“

Spontan mutmaßte ein Parteifreund Trumps, Senator Thom Tillis aus North Carolina, der Plan habe „wohl ein paar Macken“. Das ist die Untertreibung des Jahres. Tatsächlich muss man kein Experte für Völkerrecht oder Menschenrechte sein, um massive Bedenken zu haben.

Wann wurde zuletzt vorgeschlagen, als Lösung eines jahrzehntealten Konflikts eine Bevölkerungsgruppe aus dem betreffenden Gebiet komplett zu entfernen? Schnell landet man in den düstersten Kapiteln der Weltgeschichte. Und mit welchem Recht wollen sich die USA zu einer eigentümerartigen Position mit Blick auf Gaza aufschwingen?

Ausdehnung der Macht im Fokus

Es gibt ein klares Wort für Selbstermächtigungen wie diese: Kolonialismus. Weil Trump bereits übergriffige Erwägungen mit Blick auf Grönland, den Panamakanal und Kanada losgelassen hat, erscheint er nun auch im nahöstlichen Kontext nicht als Helfer, sondern als jemand, dem es allein um die Ausdehnung seiner Macht geht. Dass er damit ein schlechtes Beispiel gibt in der Auseinandersetzung mit Russland und China, geht dem US-Präsidenten nicht auf.

Trump präsentiert Ideen, die zwar außenpolitisch tatsächlich als „originell“ und „kreativ“ bezeichnet werden können. Dafür sind sie in anderer Weise innerhalb der Box: Sie folgen den schlichten Routinen dessen, was man in den USA Real Estate Development nennt. Trump erwähnte ausdrücklich, man müsse den Gaza-Streifen zunächst „planieren“. Zu besichtigen ist das Denken des New Yorker Immobilienmoguls.

Nutznießer ist Netanjahu, egal was passiert

Der 78-Jährige, könnte man wohlwollend sagen, mache sich immerhin seine ganz eigenen Gedanken zum Nahen Osten. Dass Trump in diesem Zusammenhang sogar die Entsendung von US-Truppen in Erwägung zieht, ist bemerkenswert. Genau an dieser Stelle allerdings werden ihm seine Republikaner nicht folgen. Eher werden sie in jenen Spott einstimmen, der bei den Demokraten schon die Runde macht: Danach entstand wegen Trumps häufiger Präsenz in Mar-a-Lago eine Fantasie namens Mar-a-Gaza.

Der größte Nutznießer ist Netanjahu. Israels Premier ist jetzt politisch stabilisiert, mit sofortiger Wirkung, egal was aus Trumps Plänen langfristig wird. Oppositionsführer Yair Lapid räumte ein, die Pressekonferenz in Washington sei „gut für den Staat Israel“ gewesen. Gestärkt ist Netanjahu zugleich im Verhältnis zu den radikalen Rechten in seiner Koalition. Der Premier, dem sie eine zu weiche Linie vorwerfen, kann jetzt kontern, er habe Trump dazu gebracht, sich selbst um nichts Geringeres zu kümmern als die Vertreibung der Palästinenser aus Gaza.