Die Kanzlerkandidatur-Frage in der Union ist nicht geklärt. CDU-Chef Friedrich Merz gibt sich in einem Interview überraschend ehrlich. Wie geht es weiter?
Überraschende Merz-AussagenWie die Union die K-Frage klären will
Für die Union wird das kommende Jahr entscheidend: Nicht nur, weil zentrale Wahlen in Ostdeutschland stattfinden, die das Versprechen einer Brandmauer zur AfD erneut auf die Probe stellen werden, sondern auch wegen der offenen Frage um die Kanzlerkandidatur.
CDU-Chef Friedrich Merz, der als Parteivorsitzender und Fraktionschef in der Poleposition für die Kandidatur steht, zeigt sich nun zugleich machtbewusst und zurückhaltend. Er rechne nicht mit einem erneuten Machtkampf um die Kanzlerkandidatur wie 2021, sagt der Christdemokrat jetzt der Deutschen Presse-Agentur: „Ich werde es auch nicht zulassen, dass so etwas noch einmal geschieht.“ Das klingt nach Machtwort.
Allerdings mag er sich nicht als „geborenen Kanzlerkandidaten“ bezeichnen, nennt seine Bewerbung „keine Selbstverständlichkeit“ und behält Söder explizit im Rennen: „Die beiden Parteivorsitzenden sind jedenfalls ganz grundsätzlich immer auch potenzielle Kandidaten.“
Noch überraschender sind die vielen Bedingungen und Einschränkungen für seine Kandidatur, die der CDU-Chef selbst thematisiert: das Alter, die schlechten Beliebtheitswerte etwa bei Frauen, sein Privatleben. Er werde keine Entscheidung fällen, die nicht auf die Zustimmung seiner Familie treffe, sagt er etwa. Seine enge Beziehung zu seiner Frau ist bekannt. So oft er kann, ist er zu Hause im Sauerland, um Zeit mit der Familie zu verbringen.
Merz' Äußerungen: Parteiinterne Verwunderung
Gefragt, ob etwas gegen seine Kandidatur spreche, antwortet Merz: „Die Frage, welche Wählergruppen ich als Person erreiche, ist ein Thema.“ Zudem werde er im Herbst 2025 schon 70 Jahre alt. „Ich wäre damit nach Konrad Adenauer der älteste Bewerber um das Amt des Bundeskanzlers“, so Merz.
Damit verbalisiert Merz erstmals deutlich, welche Bedenken seine parteiinternen Kritiker bezüglich seiner Kandidatur haben. Dass er das gerade zum jetzigen Zeitpunkt macht, sorgt parteiintern für Verwunderung. Vielleicht wolle er reflektiert wirken oder er suche einen gesichtswahrenden Ausweg, mutmaßen Christdemokraten. Andere verweisen darauf, dass er eben ehrlich sei.
Denn sicher ist keineswegs, dass Merz die Union in die Wahl führen darf, auch wenn andere die Frage schon als beantwortet ansehen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer zum Beispiel: Merz sei CDU-Chef und damit als Kandidat gesetzt. Auch Generalsekretär Carsten Linnemann sagte, wenn Merz es wolle, „dann wird er Kanzlerkandidat“.
Dann meldete sich Hendrik Wüst zu Wort, der NRW-Ministerpräsident. „Wie auch die CSU nachvollziehbar beansprucht, hierbei mitzuentscheiden, tun dies auch die Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten der CDU“, sagte Wüst, dem selbst Ambitionen auf das Amt nachgesagt werden. Damit stellte er klar: Die Entscheidung ist eben noch nicht gefallen.
Wann genau es soweit sein soll, ist ebenfalls unklar. Vor den Landtagswahlen im Osten oder danach? Noch kurz vor Weihnachten ließ sich Merz damit zitieren, dass der Zeitplan erst im Frühjahr stehen soll. Kretschmer forderte eine offizielle Entscheidung erst nach den Wahlen. Dafür, die Ost-Wahlen abzuwarten, hatte öffentlich zuerst Markus Söder plädiert - ausgerechnet. Es wurde ihm als Winkelzug gegen Merz ausgelegt, immerhin strebt Merz große Präsenz im Wahlkampf an. Wenn die CDU dann dennoch abstürzt, wäre auch der CDU-Bundeschef beschädigt - und Söders Chancen wieder steigen. Dass er wirklich kein Interesse mehr an der Kanzlerkandidatur habe, glaubt ihm in der CDU jedenfalls keiner.
Neuwahl-Debatte bringt zusätzliche Schärfe
Zusätzliche Schärfe in die K-Frage der Union bringt die Neuwahl-Debatte. In aktuellen Umfragen ist die CDU/CSU fast so stark wie alle drei Ampel-Parteien zusammen. An diesem Freitag bescheinigte der „Meinungstrend“ von Insa und „Bild“ der SPD nur noch 15 Prozent, während die Union bei 32 Prozent liegt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist im Beliebtheits-Ranking von Platz 1, wo er nach seiner „Zeitenwende“-Rede lag, auf Rang 17 gesunken.
Würde die Ampel zerbrechen, dann wäre die Union klarer Favorit, bräuchte aber besonders schnell ihren offiziellen Kanzlerkandidaten. In der neuen Insa-Rangliste rangiert Friedrich Merz allerdings nur auf Platz 6, während die CDU-Ministerpräsidenten von NRW und Hessen, Hendrik Wüst und Boris Rhein, vor ihm auf 3 und 5 rangieren. Nach wie vor beliebtester Unions-Politiker: Markus Söder - die Nummer 2 hinter Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).
So war es wenig verwunderlich, dass es Söder war, der angesichts des Ampel-Streits und der Haushaltskrise als erster nach Neuwahlen gerufen hatte: Ende November hatte er gefordert, zum Termin der Europawahlen am 9. Juni auch gleich den Bundestag neu zu wählen. Inzwischen hat sich Merz der Forderung angeschlossen.
Im Gegensatz zu Söder, welcher ein Bündnis mit den Grünen strikt ablehnt, nennt Merz allerdings Hessen als Vorbild: So wie dort Boris Rhein, hätte er auch nach der nächsten Bundestagswahl - „ganz gleich wann sie stattfindet“, so Merz - gern die Wahl zwischen zwei möglichen Koalitionsoptionen. Die K-Frage ist in der Union eben auch eine Richtungsfrage.