Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Entsendung von Truppen in die Ostukraine angeordnet. Die Einheiten sollen in den von Moskau nun als unabhängige Staaten anerkannten „Volksrepubliken Luhansk und Donezk“ für Frieden sorgen. Wann die Soldaten entsendet werden, war zunächst unklar. Zudem wies Putin das Außenministerium an, diplomatische Beziehungen zu den beiden Regionen aufzunehmen, die völkerrechtlich zur Ukraine gehören.
Zuvor hatte Putin die selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten anerkannt. Der Kremlchef unterzeichnete am Abend ein entsprechendes Dekret. Die USA und die EU kündigten Strafmaßnahmen an.
Die Reaktionen im Überblick
EU
Die EU wird mit Sanktionen auf Russlands Entscheidung reagieren. Die Strafmaßnahmen sollen diejenigen treffen, die an der Handlung beteiligt seien, kündigten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel am Montagabend an. Beide verurteilten die Entscheidung des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf das Schärfste.
„Die Anerkennung der beiden Separatistengebiete in der Ukraine ist ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht, die territoriale Integrität der Ukraine und die Vereinbarungen von Minsk“, schrieben sie. „Die EU und ihre Partner werden geschlossen, entschlossen und bestimmt in Solidarität mit der Ukraine reagieren.“
Was für Sanktionen nun verhängt werden, blieb zunächst offen.
Deutschland
Bundesregierung: Bundeskanzler Olaf Scholz, US-Präsident Joe Biden und der französische Präsident Emmanuel Macron seien sich in einem Gespräch einig gewesen, dass es sich um einen klaren Bruch des Minsker Friedensabkommens für die Ostukraine handele, erklärte der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montagabend. Dieser Schritt werde nicht unbeantwortet bleiben.
Scholz, Biden und Macron hätten sich solidarisch mit der Ukraine erklärt und die bislang zurückhaltende Reaktion von Präsident Wolodymyr Selensky gewürdigt, erklärte Hebestreit weiter. „Die Partner waren sich einig, nicht nachzulassen in ihrem Einsatz für die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine. Zugleich werde man sich nach Kräften dafür engagieren, eine weitere Eskalation der Lage zu verhindern.“
Außenministerin Annalena Baerbock: „Die heutige Anerkennung der separatistischen selbsterklärten „Volksrepubliken“ in der Ostukraine durch Präsident Putin stellt einen eklatanten Bruch des Völkerrechts dar und ist ein schwerer Schlag für alle diplomatischen Bemühungen zur friedlichen Beilegung und politischen Lösung des aktuellen Konflikts“, erklärte Baerbock (Grüne) am Montagabend. „Jahrelange Bemühungen im Normandie-Format und der OSZE werden damit willentlich und ohne nachvollziehbaren Grund zunichte gemacht.“
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht: „Unsere Antwort darauf wird kraftvoll und deutlich sein“, schrieb die SPD-Politikerin am Montagabend auf Instagram. „Unsere Linie mit Blick auf Russland und die Ukraine ist eindeutig: Wir setzen auf klare und glaubwürdige Abschreckung. Es ist undenkbar, dass in Europa erneut Grenzen gewaltsam verschoben werden.“ Der Konflikt könne nicht militärisch gelöst werden.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat sich nachdrücklich für einen Stopp der russisch-deutschen Erdgasleitung Nord Stream 2 ausgesprochen. „Das war immer unsere Position, daran hat sich nichts geändert“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag im Deutschlandfunk. „Das müssen wir in der Bundesregierung gemeinsam durchsetzen. Ich hoffe, dass auch unsere Koalitionspartner das nicht anders sehen. Spätestens jetzt ist doch der Zeitpunkt da, dieses Projekt auf Halt zu stellen und deutlich zu machen: Jetzt bitte alle Schalter umstellen auf erneuerbare Energien.“
CDU-Politiker Norbert Röttgen: „Es ist eine Invasion, wenn Putin jetzt Truppen schickt. Es ist ein Angriffskrieg auf Kosten der Ukraine“, sagte der CDU-Politiker Norbert Röttgen am Dienstagmorgen zur Eskalation in der Ukraine. Der CDU-Mann, der auch im Rennen um den Spitzenkandidaten-Posten zur Bundestagswahl war, begründet seine Positon: „Ob Russland Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten anerkennt, ist völkerrechtlich völlig egal. Sie sind es nicht, sondern Teil der Ukraine“, schrieb der Politiker bei Facebook.
Frankreich
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats als Reaktion auf die russische Anerkennung der Separatistengebiete in der Ostukraine gefordert. Bei der Entscheidung handele sich eindeutig um eine einseitige Verletzung der internationalen Verpflichtungen Russlands und um einen Angriff auf die Souveränität der Ukraine, teilte der Élyséepalast am Montagabend mit.
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Macron unterstützte zudem gezielte europäische Sanktionen, wie sie die EU-Spitzen schon angekündigt hatten. Macron hatte sich zuvor in einem gemeinsamen Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und US-Präsident Joe Biden beraten.
Polen
Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki hat die angekündigte Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken in der Ostukraine durch Russland als „Ablehnung des Dialogs“ gewertet. „Es ist ein Akt der Aggression gegen die Ukraine, der mit einer unmissverständlichen Antwort und sofortigen Sanktionen beantwortet werden muss“, schrieb Morawiecki am Montag auf Twitter. Dies sei die einzige Sprache, die Russlands Präsident Wladimir Putin verstehe. Er forderte eine Dringlichkeitssitzung des Europäischen Rats.
Tschechien
Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala hat die Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine durch Russland scharf kritisiert. Das sei eine „Verletzung internationalen Rechts und ein Akt der Aggression“, schrieb der liberalkonservative Politiker am Montagabend bei Twitter. Tschechien stehe hinter einer freien und unabhängigen Ukraine, betonte der 57-Jährige. Prag unterstütze eine einheitliche Reaktion der EU auf Moskaus Entscheidung.
„Aus der eigenen Geschichte wissen wir, dass derartige Schritte, die sich gegen einen souveränen Nachbarstaat richten, niemals zum Frieden führen“, schrieb Fiala weiter. Im Münchner Abkommen von 1938 hatten England, Frankreich, Deutschland und Italien die Abtretung der Sudetengebiete von der Tschechoslowakei beschlossen. Es gilt als Höhepunkt der Beschwichtigungspolitik gegenüber Nazi-Deutschland, die den Zweiten Weltkrieg indes nicht verhindern konnte.
Estland
„Russland hat die Minsker Vereinbarungen in Stücke gerissen. Das zeigt, dass es Moskaus Ziel ist, den Konflikt zu vertiefen, nicht ihn zu lösen“, erklärte der estnische Staatspräsident Alar Karis am Montagabend in Tallinn. Regierungschefin Kaja Kallas sprach von einem „schweren Angriff auf die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine.“
Lettland
In Lettland rief die gesamte Staatsführung in einer gemeinsamen Erklärung die internationale Gemeinschaft dazu auf, die „stärksten Maßnahmen zu ergreifen, um die russische Aggression zu stoppen und der Ukraine Hilfe anzubieten.“
Litauen
Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda bezeichnete die Anerkennung der Separatistengebiete auf Twitter als „nicht hinnehmbare Verletzung des Völkerrechts“. Regierungschefin Ingrida Simonyte betonte: „Was wir heute Abend erlebt haben, mag für die demokratische Welt surreal erscheinen. Aber die Art und Weise, wie wir darauf reagieren, wird uns für die nachfolgenden Generationen definieren.“
Ukraine
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reagierte zurückhaltend auf die russische Anerkennung der Volksrepubliken. „Wir sind dem friedlichen und diplomatischen Weg treu und werden nur auf diesem gehen“, sagte Selenskyj in einer Ansprache in der Nacht zum Dienstag. „Die Anerkennung der Unabhängigkeit der besetzten Kreise der Gebiete Donezk und Luhansk kann den einseitigen Austritt aus den Minsker Vereinbarungen bedeuten.“ Auf Provokationen werde Kiew nicht reagieren - aber auch kein Territorium aufgeben.
Der Ex-Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, schrieb bei Facebook: „Mit der heutigen kriminellen Entscheidung drängt der Kreml die Welt an den Rand eines neuen Weltkrieges.“ Weiter schrieb er: „Putin hasst unsere Souveränität so sehr, ihn „schmerzt“ unsere Unabhängigkeit so sehr, er möchte so sehr keine Erfolg von uns sehen, dass er zu jedem Wahnsinn bereit ist.“
Großbritannien
Der britische Premierminister Boris Johnson will am Dienstag Sanktionen im Zusammenhang mit der Eskalation im Ukraine-Konflikt verkünden. Ein Sprecher seines Büros erklärte am Montagabend, dass Johnson am frühen Dienstagmorgen eine Krisensitzung des Kabinetts leiten werde, auf der ein „bedeutendes Sanktionspaket beschlossen“ werden solle, das „sofort“ umgesetzt werden soll. Gegen wen diese Sanktionen explizit verhängt werden sollen, teilte der Sprecher nicht mit. Die britische Außenministerin Liz Truss hatte zuvor für Dienstag Sanktionen gegen Russland angekündigt, „weil es gegen internationales Recht verstoßen und die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine verletzt hat“.
Die britische Regierung hat Sanktionen gegen Russland wegen der Anerkennung der ostukrainischen Separatistengebiete angekündigt. „Daraus können wir schließen, dass die Invasion der Ukraine begonnen hat“, sagte Kabinettsmitglied Sajid Javid am Dienstag dem Sender Sky News mit Blick auf Berichte über russische Panzer in der Separatistenhochburg Donezk. Daher werde London Sanktionen beschließen.
Downing Street hatte zuvor mitgeteilt, auf einer Sitzung des Sicherheitskabinetts am frühen Morgen werde ein „umfangreiches Sanktionspaket, das sofort eingeführt werden soll“, beschlossen. „Wir haben von Beginn dieser Krise an sehr deutlich gemacht, dass wir nicht zögern würden, Maßnahmen zu ergreifen“, sagte Gesundheitsminister Javid. „Wir wachen an einem sehr dunklen Tag in Europa auf.“
In einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj drückte Johnson in der Nacht zum Dienstag seine „tiefe Besorgnis“ über die Entwicklung aus, teilte Downing Street mit. Er werde „weitere defensive Unterstützung“ für die frühere Sowjetrepublik erwägen, wenn Kiew dies wünsche. Großbritannien hat unter anderem Panzerabwehrwaffen an die Ukraine geliefert.
UN
Russlands Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine verstößt nach Einschätzung von UN-Generalsekretär António Guterres gegen die Charta der Vereinten Nationen. Russland habe damit die Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine verletzt, sagte Guterres laut Mitteilung am Montag. Er sei stark besorgt und rufe erneut zu einer friedlichen Lösung des Konflikts auf. Die Charta ist der Gründungsvertrag und damit eine Art Verfassung der Vereinten Nationen.
USA
Auch die US-Regierung wird mit Sanktionen auf Russlands Entscheidung reagieren. US-Präsident Joe Biden werde in Kürze eine entsprechende Anordnung erlassen, teilte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, am Montag mit. Die Maßnahmen sollen demnach neue Investitionen, Handel und Finanzierung durch US-Personen in Donezk und Luhansk verbieten. „Wir haben mit einem solchen Schritt Russlands gerechnet und sind bereit, sofort zu reagieren“, erklärte Psaki.
Das Weiße Haus betonte, dass diese Maßnahmen sich von jenen Sanktionen unterscheiden, die im Falle eines russischen Einmarsches in die Ukraine mit den Verbündeten vereinbart seien. „Wir beraten uns weiterhin eng mit unseren Verbündeten und Partnern, einschließlich der Ukraine, über die nächsten Schritte und über Russlands anhaltende Eskalation an der Grenze zur Ukraine“, so das Weiße Haus. Auch die Europäische Union reagierte mit Sanktionen.
Griechenland
Das griechische Außenministerium hat die Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine durch Russland verurteilt. Dieser Akt sei „eine schwere Verletzung der Grundprinzipien des internationalen Rechts, der territorialen Integrität der Ukraine und der Vereinbarungen von Minsk“, hieß es in einer Erklärung des Ministeriums am Dienstag.
Das Verhältnis Griechenlands mit Russland ist gespalten. Einerseits stehen sich die beiden orthodoxen Staaten traditionell nahe - andererseits kann Griechenland wegen der Abtrennung des Nordteils Zyperns nach einer türkischen Militärintervention im Jahr 1974 kein Verständnis zu ähnlichen Aktionen Moskaus zeigen.