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„Hart aber fair“ zur UkraineIst Putin möglicherweise verbittert und krank?

Lesezeit 4 Minuten
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Norbert Röttgen bei „Hart aber fair“

Köln – Am Montagabend hat sich die Situation im Ukraine-Konflikt dramatisch zugespitzt: Der russische Präsident erkannte die selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine als unabhängige Staaten an. Das sagte Wladimir Putin in einer vom Staatsfernsehen übertragenen Rede. Zuvor hatte Putin den nationalen Sicherheitsrat angehört. Dessen Mitglieder sprachen sich mehrheitlich für die Anerkennung aus.

Die Redaktion von „Hart aber fair“ wechselte aufgrund der Entwicklung das Thema. Statt um die zuvor geplante Diskussion über Inflation und Preisschock ging es nun um die Ukraine. „Wir haben und heute um 19.30 Uhr entschlossen, das Thema zu wechseln“, sagte Plasberg und begrüßt seine spontanen Gäste Norbert Röttgen (CDU), Udo Lielischkies (ehemaliger Leiter des ARD-Studios in Moskau), Vassili Golod (WDR-Journalist), Sarah Pagung (Russland-Expertin), Christian Dürr (FDP) sowie die ARD-Korrespondentin Ina Ruck in Moskau und den ARD-Korrespondenten Markus Preiß in Brüssel. Röttgen, Golod und Pagung diskutierten bereits in der Vorwoche zum selben Thema, allerdings noch unter anderen sicherheitspolitischen Vorzeichen.

Runde bei Plasberg analysiert Putins Auftritt

Norbert Röttgen stieg mit klaren Worten in den Talk ein. Putins Handeln sei ein eklatanter Bruch des Völkerrechts, seine Rede sei eine „Kriegsrede“ gewesen, die alle bisherigen übertroffen habe, meinte der CDU-Außenexperte. Sowohl Plasbergs Gäste als auch die ARD-Korrespondenten zeigten sich erstaunt über eine Entwicklung, die sie in ihrer Schärfe und Aggression so nicht vorgesehen hatten. Putin wollte nicht verhandeln, das hätte er am Montag völlig eindeutig klargestellt, so Röttgen. Sanktionen müssten nun komplett und einheitlich kommen, einschließlich der Abkehr von Nord Stream 2.

Alles zum Thema Hart aber fair

Auch die inszenierten Bilder zuvor von der „Unterhaltung“ im Sicherheitsrat, zu dem auch Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu gehören, wurden von der Talkrunde diskutiert. Vassili Golod sagte, die Situation „wirkte fast wie eine Netflix-Serie“. Golod, der Familie sowohl in Russland als auch in der Ukraine hat, war sichtlich bewegt und sprach von einem „krassen Tag“. Er fühlte sich angesichts der derzeitigen Entwicklung an die Annexion der Krim erinnert.

Auch Christian Dürr sprach von einem Schauspiel, dessen „Plot“ nun zuende gespielt werde. Putin gehe es offenbar nicht nur um Teile, sondern um die ganze Ukraine, deren Existenzrecht er in Frage stellte. Lielischkies nannte die seltsam anmutende Inszenierung des russischen Sicherheitsrats ein „Bauerntheater“ mit Lawrow. Er kritisierte Teile der SPD, die immer noch auf eine Verhandlungslösung pochen würden.

Putin handelt irrational – Ist der russische Präsident krank?

Ina Ruck brachte einen neuen Aspekt in die Diskussion und meinte, Putin schaue wirklichkeitsfremd auf die Ukraine. Besonders die jüngere Bevölkerung dort hätte sich komplett von Moskau abgenabelt. Putin bekomme das nicht mit. Es werde im Fall einer russischen Aggression sehr viele Menschen geben, die sich dem entgegenstellen. Bei der Ukraine handelte es sich mitnichten mehr um das von Putin beschworene Brudervolk.

„Ich bezweifle, dass er wirklich Berater hat, die wissen, was dort los ist“, meinte Ruck. „Er hatte vielleicht in den langen Coronajahren viel Zeit, historische Bücher zu lesen“, spekulierte sie. Putin hätte seine eigene Weltsicht, die nicht unbedingt mit der Realität zu tun habe. Für Putin sei die Ukraine die „Wiege russischer Kultur“. Möglicherweise genüge ihm auch die Ukraine nicht, sondern Putin wolle die Sowjetrepublik zurück, sagte Ruck.

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Lielischkies sprach von einem „verbitterten“ Präsidenten, der eventuell angeschlagen sei. Bei seiner TV-Ansprache wirkte Putin blass und nicht gesund. Eine US-Autorin habe die These aufgestellt, er würde mit Steroiden behandelt, so der Russlandkenner. Es sei umgeben von Beratern, die ihn nur noch nach dem Mund redeten. Lielischkies bezeichnete den russischen Präsidenten einen „Hobby-Historiker“, der sich nur noch mit großen Visionen beschäftige.

Nato stellt keine reale Gefahr für Russland dar

Golod, der auch Einblicke in den Alltag der russischen Bevölkerung hat, spürt bei seiner Verwandtschaft die Wirkung des staatlichen Propaganda. Die Erzählung von der Bedrohung Russlands durch die Nato würde bei ihnen greifen, sagte Golod. Die Runde war sich einig, dass es dabei um keine reale Gefahr geht. Die „Reality-Show“ der Putinschen Inszenierungen mit langem Tisch und machtvollen Bildern funktioniere aber bei einem Großteil der Bevölkerung, so Golod.

Das sah auch Sarah Pagung so: „Die Vorstellung, dass die Nato Russland angreifen würde, ist absolut nicht haltbar“. Es gehe Putin eher um den Großmachtanspruch, um die Dominanz über andere Völker.