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„Hart aber fair“ zur UkraineNorbert Röttgen zeigt klare Kante

Lesezeit 4 Minuten
HAF Röttgen 140222

Norbert Röttgen 

Köln – Es ging gesittet zu am Montagabend bei „Hart aber fair“, größter Aufreger war der kleine Sendekasten des Plasbergschen Mikrofons, der sich zwischenzeitlich verselbstständigt hatte und vom Moderator wieder an Ort und Stelle am Hosenbund verstaut werden musste. So viel vorweg. Der Titel der Sendung klang nach harscher Regierungskritik: „Hauptsache friedlich und warm: Scheut Deutschland klare Kante gegen Putin?“ Frank Plasberg diskutierte darüber mit folgenden Gästen:

Michael Roth, SPD, Bundestagsabgeordneter, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, Mitglied im SPD-Präsidium und Parteivorstand

Norbert Röttgen, CDU, Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss

Sarah Pagung, Politikwissenschaftlerin, Russland-Expertin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)

Mariam Lau, Redakteurin im Politikressort der „Zeit“

Vassili Golod, Redakteur und Reporter im WDR-Newsroom, Podcaster

„Hart aber fair“. Wenig Kritik an Scholz

Viel Kritik bekam Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen und für den nächsten Tag eine Reise nach Moskau zu Gesprächen mit Russlands Staatschef Wladimir Putin geplant hatte, allerdings nicht ab. Die Runde hielt es eher so wie es aktuell auch die EU und die Nato tun: Alle gegen Putin. Es wurde weniger diskutiert und mehr gemeinsam über dies und das sinniert. Etwa darüber, warum viele Deutsche meinen, die Ukraine sei weit weg und ein dort drohender Krieg ginge sie nichts an.

Hier sprach CDU-Politiker Norbert Röttgen klare Kante: „Das, was wir wirklich erreicht haben, nach zwei Weltkriegen, nach Jahrzehnten und Jahrhunderten des Krieges, dass wir seit 75 Jahren Frieden haben, das ist das, worum es geht. Wenn wir das nicht bewahren, das Prinzip des Friedens, die Einsicht, was die Voraussetzungen sind, dann werden wir am Ende viel, viel mehr zu bezahlen haben als höhere Energiepreise.“

Gibt es eine Sprachregelung zu Nord Stream 2?

Nächstes Thema: Warum macht Wladimir Putin das? Warum riskiert er den Frieden – und das Projekt Nord Stream 2? Olaf Scholz vermeidet es ja konsequent, den Namen der noch nicht angeschlossenen Gas-Pipeline bei Sanktionsdrohungen gegen Russland auszusprechen. Das scheint eine parteiinterne Sprachregelung zu sein, auch Michael Roth geriet seine Einlassung zum Thema am Montagabend recht schwurbelig: „Wenn man Eins und Eins zusammenzählt und wenn man weiß, dass der Fanblock in Europa für Nord Stream 2 sehr begrenzt ist und dass es in den USA überhaupt keinen Fanblock gibt für Nord Stream 2, dann dürfte klar sein, dass im Falle eines Falles, den wir ja hoffentlich noch abwenden, auch dieses Projekt eben auf dem Tisch liegt und keine Zukunft haben wird, sollte es denn wirklich zu einer militärischen Intervention kommen.“

Nochmal klare Kante von Röttgen: „Wenn es zu einer Gewaltanwendung kommt, wenn es zum Krieg kommt, dann ist dieses Projekt tot, das weiß jeder.“ Im Sinne Putins wäre das nicht, das weiß auch jeder. Was also treibt den russischen Präsidenten an, das Säbelrasseln an der ukrainischen Grenze immer lauter werden zu lassen?

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Dazu schöne Einigkeit unter Plasbergs Gästen, von Roth wie folgt zusammengefasst: „Die größte Angst von Herrn Putin geht doch nicht von den paar Nato-Soldaten in den baltischen Staaten aus, die größte Angst geht aus von Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit.“ Der starke Mann Russlands sorgt sich um seine Macht. Und könnte sich verzockt haben, so die Analyse von Zeit-Journalistin Mariam Lau: „Er hat darauf spekuliert, dass sowohl die Nato als auch Europa gespalten, uneins, handlungsunfähig sind. Ich glaube, dass er jetzt gerade erlebt, dass seine Aggressionen den Westen, von dem es hieß, er sei hirntot, wie Macron gesagt hat, doch zusammenschweißt.“

Golod vergleicht Putin mit seinem Opa

Politikwissenschaftlerin Sarah Pagung bezeichnete es als Schwäche des russischen Systems, Demokratiebewegungen wie in der Ukraine stets als vom Westen initiiert zu betrachten und die Bevölkerung nicht als „Akteur mit Wünschen, Bedürfnissen, mit einer politischen Meinung“ zu sehen. „Wenn man diese Sichtweise hat, versteht man ganz viele Entwicklungen im postsowjetischen Raum nicht. Man denkt, dass man mit Abschottung, mit Repressionen dem beikommen kann. Das sind Mittel, um eine gewissen Stabilität für eine Zeit zu wahren, aber es sind keine langfristigen Lösungskonzepte“, sagte sie.

Einblicke ins russische und ukrainische Innenleben gab WDR-Redakteur Vassili Golod, der Familie in beiden Ländern hat. So führe er mit seinem russischen Großvater am Telefon oft laute Diskussionen, weil dieser althergebrachtes imperiales Denken verinnerlicht habe und darin vom russischen Staatsfernsehen auch beständig bestärkt werde. Golods irritierende Vermutung: „Wahrscheinlich geht es mir bei Gesprächen mit meinem Opa so, wie es Olaf Scholz morgen beim Treffen mit Wladimir Putin gehen wird.“

Einigkeit wie in der jüngsten „Hart aber fair“-Gästerunde wird es kaum geben.