Der Bundeskanzler vermied zwar klare Schuldzuweisungen, er sieht aber Zusammenhänge, die auf eine russische Beteiligung schließen lassen. Der tschechische Außenminister verglich die Zerstörung derweil mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen Zivilisten.
Reaktionen auf Kachowka-StaudammScholz sieht Zerstörung von Staudamm als „neue Dimension“ des Ukraine-Kriegs
In der Nacht zu Dienstag (6. Juni) wurde der Kachowka-Staudamm und das angrenzende Wasserwerk in Cherson, ein von Russland besetztes Gebiet im Süden der Ukraine, zerstört. Es werden schwere Überschwemmungen befürchtet – 16.000 Menschen sollen in der nahegelegenen Stadt Nowa Kachowka leben.
Seitens der ukrainischen Regierung wird Russland für die Sprengung verantwortlich gemacht. Ein Sabotageakt, um eine russische Gegenoffensive auszubremsen. Von russischer Seite wird derweil Beschuss der ukrainischen Armee als Grund genannt.
Wer auch immer verantwortlich sein mag: Weltweit wird die Zerstörung des Kachowka-Staudamms und die Folgen für die Menschen und den weiteren Verlauf des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine kritisch verfolgt.
Scholz: Zerstörter Staudamm passt zur russischen Kriegsführung
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Dienstag beim „Europaforum“ des WDR, dass die Geschehnisse in Kachowka eine „neue Dimension“ des Ukraine-Kriegs seien. Die Zerstörung des Staudamms sei etwas, „das zu der Art und Weise passt, wie Putin diesen Krieg führt“. Es sei eine Entwicklung, „die wir mit Sorgfalt und mit Sorge betrachten“.
Konkrete Schuldzuweisungen vermied der deutsche Bundeskanzler, jedoch verwies er auf Anzeichen, die die Beteiligung Russlands vermuten lassen könnten. Russland habe „jetzt viele Rückschläge erleben müssen“ und „daraus immer den Schluss gezogen, mit noch gesteigerter Aggression gegen die Ukraine vorzugehen“, so Scholz.
Die Zerstörung des Staudamms reihe sich in „viele, viele der Verbrechen, die wir in der Ukraine gesehen haben, die von russischen Soldaten ausgegangen sind“, ein, sagte Scholz weiter. Der Bundeskanzler bezog sich dabei auf die russische Kriegsführung, bei der auch zivile Ziele wie Städte, Krankenhäuser oder Schulen angegriffen wurden.
„Deshalb war das so wichtig, dass wir die Ukraine unterstützen – finanziell, aber auch mit Waffenlieferungen“, fügte Olaf Scholz hinzu. Dabei sei die Botschaft wichtig, dass man so lange die Ukraine unterstützen wird, wie es notwendig ist, „damit es eben nicht immer noch zu einem weiteren Eskalationsschritt kommt“.
Tschechischer Außenminister: Angriff auf Staudamm gleicht Einsatz von Massenvernichtungswaffen
Auch Jens Stoltenberg, Generalsekretär der Nato, hat die Zerstörungen in Cherson in einem Tweet am Dienstag verurteilt. Sie gefährden Tausende Zivilisten und verursachten schwere Umweltschäden. „Dies ist eine ungeheuerliche Tat, die einmal mehr die Brutalität von Russlands Krieg in der Ukraine demonstriert“, so Stoltenberg.
Bestürzt zeigte sich auch EU-Ratspräsident Charles Michel: „Die Zerstörung ziviler Infrastruktur gilt eindeutig als Kriegsverbrechen – und wir werden Russland und seine Stellvertreter zur Rechenschaft ziehen“, twitterte er am Dienstag. Michel will die Geschehnisse beim EU-Gipfel Ende Juni ansprechen und auch mehr Hilfe für die überfluteten Gebiete im Süden der Ukraine vorschlagen. „Meine Gedanken sind bei allen von der Katastrophe betroffenen Familien in der Ukraine“, so der EU-Ratspräsident.
James Cleverly, der Außenminister von Großbritannien, äußerte sich ähnlich auf Twitter: „Vorsätzliche Angriffe auf rein zivile Infrastruktur sind ein Kriegsverbrechen.“ Die Briten stünden bereit, die Ukraine und die Betroffenen der Katastrophe in Cherson zu unterstützen. Zu der Frage, wer verantwortlich dafür sei, äußerte er sich nicht.
Der tschechische Außenminister Jan Lipavsky fand derweil deutlichere Worte für Russland, das er für die Zerstörungen direkt verantwortlich macht. „Der Angriff auf den Staudamm von Nowa Kachowka oberhalb von bewohnten Gebieten ist vergleichbar mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen Zivilisten“, schrieb er auf Twitter. Auch die Präsidenten der drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen haben Russland für die Zerstörung des Staudamms verantwortlich gemacht. (rxa mit dpa)