Das ARD-Magazin „Monitor“ berichtet über die Beteiligung deutscher Firmen am Aufbau der von Russland zerstörten Stadt Mariupol.
NRW-Unternehmen soll beteiligt seinDeutsche Firmen helfen Putin angeblich bei Aufbau von Mariupol
Deutsche Firmen sind mit ihren Produkten am Wiederaufbau der von Russland besetzten ukrainischen Stadt Mariupol beteiligt, das berichtet das ARD-Magazins „Monitor“. Die Recherchen der TV-Journalisten beziehen sich dabei auf umfangreiches Bildmaterial und Geschäftsberichte, die von „Monitor“ ausgewertet worden seien. Diese sollen belegen, dass unter anderem Baustoffe der fränkischen Firma Knauf auf mehreren Baustellen in Mariupol zum Einsatz kommen.
Dabei profitiere das deutsche Unternehmen zumindest indirekt von Aufträgen der russischen Regierung. Dies geht laut „Monitor“ aus der Darstellung eines offiziellen Knauf-Händlers hervor, der mit einem Wohnhaus-Projekt in Mariupol wirbt, das im Auftrag des russischen Verteidigungsministeriums mit Knauf-Produkten erbaut wurde.
Deutsche Unterstützung für Wladimir Putins wichtiges Propaganda-Projekt
Der Wiederaufbau der von Russland besetzten ukrainischen Stadt zählt zu einem der wichtigsten Projekte des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Ukraine-Krieg. Putin reiste in der Vergangenheit selbst nach Mariupol, besichtigte neue Häuser. Baufirmen zogen die Objekte in kurzer Zeit hoch. In russischen Staatsmedien wird der Wiederaufbau Mariupols als „russische Stadt“ propagandistisch immer wieder ausgeschlachtet.
Eine Beteiligung deutscher Firmen am Wiederaufbau von Mariupol könnte laut „Monitor“ ein Verstoß gegen europäische Sanktionen darstellen, selbst wenn der Export von Baustoffen grundsätzlich nicht unter die Sanktionsregeln der EU fällt. Deutsche Unternehmen „müssen effektiv ausschließen können, dass es irgendeinen militärischen Zusammenhang gibt, von dem, was sie liefern“, sagte der Sanktionsrechtsexperte Viktor Winkler gegenüber der ARD. Dabei genüge es, „dass die militärischen Handlungen indirekt davon profitieren“. Darunter könnte somit auch die völkerrechtswidrige militärische Besatzung von Mariupol fallen.
Knauf behauptet, „ausschließlich für russischen Markt“ zu produzieren
Das Unternehmen selbst erklärte auf „Monitor“-Anfrage: „Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und (…) befolgen sämtliche Sanktionen der EU gegen Russland“. Man fertige in Russland „mit lokaler Wertschöpfung ausschließlich für den russischen Markt.“
Diese Einschätzung bezweifelt Sanktionsrechtsexperte Winkler. „Die Vorstellung, dass es sanktions-unerheblich sei, wenn sich ein Unternehmen oder seine Tochtergesellschaften nur auf den russischen Territorien bewege“, sei „ein absoluter Mythos und könnte nicht weiter weg sein von der Realität“, erklärte er gegenüber „Monitor“.
CDU-Politiker Kiesewetter über Knauf: „Zementieren russische Macht in Mariupol“
Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, Roderich Kiesewetter, verurteilt die Beteiligung deutscher Firmen an den Bauarbeiten in Mariupol. Sie stellten sich in den „Dienst eines völkerrechtswidrigen Krieges“, erklärte Kiesewetter. „Das ist bei Knauf sehr augenscheinlich, weil sie in den besetzten Gebieten auch in Mariupol tatsächlich russische Macht zementieren.“
Mariupol wurde von der russischen Armee großflächig zerstört. Die Bombardierung einer Geburtsklinik in Mariupol und die Zerstörung des Theaters werden als Kriegsverbrechen eingestuft. Zehntausende Zivilisten wurden getötet, Hunderttausende Ukrainer vertrieben. Allein bei der Bombardierung des Theaters sind Hunderte Menschen gestorben, darunter viele Kinder und Familien.
Immer wieder russische Propaganda-Berichte über Aufbau von Mariupol
Der Angriff hatte für internationale Empörung gesorgt, da das Theater deutlich sichtbar als Rückzugsort für Kinder gekennzeichnet war. Zuletzt hatte Russland vermehrt Propaganda-Berichte über den angeblich schnellen Wiederaufbau der durch russische Angriffe völlig zerstörten Stadt forciert. Bei den Bauprojekten in der Stadt handelt sich laut Recherchen russischer Exil-Medien jedoch oftmals um mehr Schein als Sein, so seien vor allem die Fassaden von Häusern instand gesetzt worden, um sie präsentieren zu können. Immer wieder ist die Rede von „potemkinschen Dörfern“ in Bezug auf Mariupol.
Das deutsche Familienunternehmen Knauf macht Milliardenumsätze und ist Weltmarktführer in der Gipsherstellung. Firmenpatriarch Nikolaus Knauf pflegte „Monitor“ zufolge jahrelang enge Kontakte zum russischen Machthaber Wladimir Putin und war 23 Jahre lang russischer Honorarkonsul.
Die Sanktionen gegen Russland nach der Annexion der Krim bezeichnete er 2018 als „schrecklich“. Auch nach dem russischen Angriffskrieg zog sich der Konzern nicht aus Russland zurück und ist mit seinen Tochterfirmen und Produkten weiter auf dem russischen Markt präsent.
Auch Firma aus NRW soll an Aufbau von Mariupol beteiligt sein
Nach den Recherchen der ARD-Journalisten sind noch weitere deutsche Firmen in den Wiederaufbau Mariupols involviert. Dazu zähle der Maschinen- und Anlagenbauer WKB-Systems mit Sitz in Hörstel in Nordrhein-Westfalen. Auch Produkte dieses Unternehmens, sogenannte Porenbausteine, würden auf zahlreichen Baustellen verwendet, berichtet „Monitor“. Hauptgesellschafter der Firma sei der russische Oligarch und Bauunternehmer Viktor Budarin, dessen Porenbetonsteine „VKBlok“ mithilfe deutscher Technologie hergestellt würden.
Budarin kaufte sich dafür 2010 den Maschinen- und Anlagenbauer WKB Systems. WKB rüstete mehrere seiner Fabriken mit Maschinen aus. Zolldaten, die „Monitor“ eigenen Angaben zufolge auswerten konnte, zeigten demnach, dass die WKB Systems GmbH auch nach Kriegsbeginn noch wichtige Bauteile für ein neues Werk von Budarin lieferte. Trotz seiner Beteiligung am Wiederaufbau Mariupols wurde Budarin von der EU bislang nicht sanktioniert.
Die Vereinigung von Ukrainerinnen und Ukrainerin in Deutschland „Vitsche“ forderte nach Bekanntwerden der Monitor-Recherchen, „dass deutsche Firmen den russischen Markt verlassen“. Die Unterstützung des Aufbaus von Mariupol sei „inakzeptabel“, deutsche Firmen, die sich daran beteiligten, seien „mitschuldig an der Vertuschung von Kriegsverbrechen“ hieß es weiter in einem Beitrag im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter). (das)