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Tanzendes Gedenken?„Feiern den Krieg“ – Entsetzen über pro-russische Demos in Deutschland

Lesezeit 3 Minuten
Mit russischen Fahnen und solchen der untergegangenen UdSSR sind hunderte Menschen bei einer pro-russischen Demonstration unter dem Motto „Gedenkaktion für Kriegsopfer“ durch die Frankfurter Innenstadt unterwegs.

Mit russischen Fahnen und solchen der untergegangenen UdSSR sind hunderte Menschen bei einer pro-russischen Demonstration unter dem Motto „Gedenkaktion für Kriegsopfer“ durch die Frankfurter Innenstadt unterwegs.

Nach Demonstrationen in Köln und Frankfurt wird scharfe Kritik laut. Nicht nur Ukrainer zeigen sich empört.

Mehrere pro-russische Demonstrationen am Wochenende in Deutschland haben scharfe Kritik auf sich gezogen. Zunächst hatten am Samstag in Köln und dann am Sonntag in Frankfurt am Main pro-russische Kundgebungen stattgefunden. Vor allem Szenen von der Demonstration in der hessischen Großstadt führen nun zu empörten Reaktionen.

Insbesondere ein Video, das Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer prorussischen Demonstration in Frankfurt freudig tanzend zeigt, während russische und sowjetische Fahnen geschwungen werden, sorgt für viel Kritik in den sozialen Netzwerken. Fast 800.000 Aufrufe verzeichnete der kurze Clip bei Twitter bis zum Montagnachmittag.

Historiker kritisiert prorussische Demonstration in Frankfurt: „Das müsste unterbunden werden“

„Eine offene Gesellschaft muss vieles aushalten und ertragen – hier aber greift eigentlich Poppers Toleranzparadoxon: Das ist ein militanter Angriff auf die freiheitliche Ordnung und müsste unterbunden werden“, kommentierte der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk die Szenen.

Auch Politikwissenschaftler Benjamin Tallis von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, einer außenpolitischen Denkfabrik, äußerte sich kritisch. „Wir müssen in der Lage sein, mit dem bedeutenden politischen Unterschied zwischen der Flagge eines Landes, das sich tapfer gegen eine Völkermord-Invasion verteidigt (Ukraine) und der des Landes, das sie verübt (Russland), umzugehen“, schrieb er bei Twitter.

Ukrainer reagieren entsetzt auf prorussische Demonstrationen in Deutschland: „Mir fehlen die Worte“

Auch bei Ukrainerinnen und Ukrainern sorgten die Bilder von pro-russischen Demonstrationen in Deutschland für scharfe Kritik. „Hier versagen die deutsche Demokratie und Erinnerungskultur“, schrieb die in Berlin lebenden Ukrainerin Nata Druhak auf Twitter und bekam dafür viel Zuspruch.

Die pro-russischen Demonstranten würden nicht den Opfern des Zweiten Weltkriegs gedenken, sondern den russischen „Krieg, ihre Überlegenheit, den Tod und das Leid anderer“ feiern, führte Druhak aus. Dass so etwas in europäischen Städten möglich sei, mache sie sprachlos. „Mir fehlen die Worte, um zu erklären, wie das möglich sein kann.“

Muss die Demokratie das aushalten? „Jeder Idiot darf zeigen, dass er ein Idiot ist“

Während sich viele weitere Nutzerinnen und Nutzer in den sozialen Netzwerken kritisch über die pro-russischen Demonstrationen äußerten, wiesen einige auch darauf hin, dass eine Demokratie derartiges aushalten müsse. „Das nennt man Freiheit“, schrieb ein Nutzer. „Jeder Idiot darf zeigen, dass er ein Idiot ist“, befand ein weiterer.

Seit Kriegsbeginn führen pro-russische Demonstrationen in Deutschland immer wieder zur Empörung. In Köln waren zuletzt am Samstag rund 100 pro-russische Demonstranten auf die Straße gegangen. Sie sahen sich etwa 400 Gegendemonstranten gegenüber. Auch in Köln wurden russische und sowjetische Fahnen geschwenkt.

Die Demonstrationen sorgen immer wieder für Kritik und Diskussionen um mögliche Verbote von russischen und sowjetischen Fahnen. Zuletzt hatte die Polizei Berlin versucht, derartige Flaggen zu unterbinden – und hatte damit nur mit Mühe Erfolg.

Ein Verwaltungsgericht kassierte das Vorhaben zunächst und erlaubte in zwei Eilentscheidungen, dass am 8. und 9. Mai sowohl ukrainische als auch russische und sowjetische Fahnen in der Hauptstadt wehen dürfen. Am Montag gab das Oberverwaltungsgericht dann schließlich einer Beschwerde der Berliner Polizei statt – das Zeigen russischer oder sowjetischer Fahnen ist damit an den Berliner Ehrenmalen am 9. Mai verboten.