Sergei Schoigu hat mit dem französischen Verteidigungsminister Sébastien Lecornu telefoniert – danach folgte prompt ein Dementi.
Putin spricht von Hitler und NapoleonTelefonat zwischen Moskau und Paris endet mit „Lügen und Drohungen“
Nach dem ersten Telefongespräch der Verteidigungsminister Frankreichs und Russlands seit 2022 haben Moskau und Paris widersprüchliche Angaben zum Inhalt des Gesprächs gemacht. Das russische Verteidigungsministerium erklärte nach dem Telefonat am Mittwoch, Minister Sergei Schoigu und sein französischer Amtskollege Sébastien Lecornu hätten „Bereitschaft zum Dialog über die Ukraine festgestellt“. Das französische Verteidigungsministerium dementierte dies wenig später. „Frankreich hat nichts dergleichen akzeptiert oder vorgeschlagen“, hieß es aus dem direkten Umfeld Lecornus.
Das russische Verteidigungsministerium hatte zuvor erklärt, der Ausgangspunkt für einen Dialog könne die „Friedensinitiative von Istanbul sein“. Nähere Angaben dazu machte das Ministerium nicht. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich im März bei einem Besuch des ukrainischen Staatschefs Wolodymyr Selenskyj als Gastgeber für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine angeboten.
Paris widerspricht russischen Angaben zu Telefonat zwischen Schoigu und Lecornu
Der Kreml hatte in der Folge immer wieder behauptet, damals sei eine diplomatische Lösung möglich gewesen, diese sei jedoch durch die Intervention westlicher Staaten unterbunden worden. Belege für diese Behauptung, die auch von AfD und BSW immer wieder aufgestellt wurde, gibt es derweil keine.
Zuletzt hatte das „Wall Street Journal“ über die damaligen Pläne des Kremls berichtet, die demnach eher einem Unterwerfungsplan ähnelten. Hätte die Ukraine den Entwurf damals unterschrieben, wäre das einem „Diktatfrieden“ gleich gekommen, sagte der ehemalige Nato-General Erhard Bühler im März dem MDR zu den vom „Wall Street Journal“ berichteten russischen Plänen.
Paris und Moskau sprechen über Terroranschlag auf Crocus-Konzerthalle
Das französische Verteidigungsministerium hatte zuvor zu dem Telefonat erklärt, die beiden Minister hätten über den russischen Krieg in der Ukraine sowie den von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) reklamierten Angriff auf eine Konzerthalle bei Moskau gesprochen. Lecornu habe an die Bereitschaft Frankreichs zu einem „verstärkten Austausch“ mit Moskau im Kampf gegen den Terrorismus erinnert, hieß es weiter. Zugleich habe er „den Angriffskrieg, den Russland in der Ukraine begonnen hat, vorbehaltlos verurteilt“.
Mit Blick auf den Anschlag in Moskau sagte Lecornu demnach, Frankreich verfüge über keinerlei Informationen, die auf Verbindungen zur Ukraine hindeuteten. Er habe Russland dazu aufgefordert, „jede Instrumentalisierung einzustellen“, fuhr das Ministerium fort.
Schoigu äußert Verdacht über Verwicklung französischer Geheimdienste
Der russische Verteidigungsminister Schoigu spielte den Angaben aus Moskau zufolge auf eine mögliche Verwicklung französischer Geheimdienste in den Anschlag an. „Das Regime in Kiew tut nichts ohne die Zustimmung seiner westlichen Aufseher. Wir hoffen, dass in diesem Fall nicht der französische Geheimdienst dahinter steckt“, erklärte das Verteidigungsministerium.
Maskierte Angreifer waren am 22. März in die voll besetzte Crocus City Hall im nordwestlich gelegenen Moskauer Vorort Krasnogorsk eingedrungen und hatten dort das Feuer eröffnet. Dabei wurden mindestens 144 Menschen getötet. Der IS reklamierte die Tat kurz nach dem Angriff für sich. Der russische Präsident Wladimir Putin räumte zwar ein, dass „radikale Islamisten“ für die Tat verantwortlich seien – er sprach aber von Verbindungen der Täter in die Ukraine.
Russland droht Frankreich mit „Problemen“
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte seine Haltung gegen Russland zuletzt weiter verschärft. So schloss er im Februar den Einsatz von Bodentruppen durch sein Land in der Ukraine nicht aus. Im Telefonat mit Lecornu kommentierte Russlands Verteidigungsminister Schoigu nach Angaben aus Moskau diese Aussagen Macrons. Schoigu habe „darauf hingewiesen, dass die Umsetzung dieser Äußerungen in der Praxis zu Problemen für Frankreich selbst führen würde“.
Zuvor hatte Kremlchef Wladimir Putin dem Westen vorgeworfen, sich für „historische Misserfolge im Kampf gegen Russland“ an Moskau „rächen“ zu wollen.
Wladimir Putin spricht von Adolf Hitler und Napoleon
„Nach dem Zusammenbruch der UdSSR machten sich unsere geopolitischen Kritiker daran, die Überreste des historischen Russland, der Russischen Föderation, noch weiter zu zerstören und alles, was noch übrig war, ihren geopolitischen Interessen zu unterwerfen“, erklärte Putin zu Wochenbeginn. „Überraschenderweise sucht jemand Rache für historische Misserfolge im Kampf gegen Russland, etwa Hitlers erfolglose Feldzüge gegen Russland und Napoleon“, fügte Putin an.
Russland- und Politik-Experten werten das nunmehrige Gespräch zwischen Schoigu und Lecornu unterdessen nicht als ernsthaftes Zeichen für eine russische Verhandlungsbereitschaft. Die „Gesprächsbereitschaft“ in Moskau bestehe aus „Lügen und Drohungen“, kommentierte der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter).
Auch der Historiker Matthäus Wehowski betonte, Putins Position habe sich seit Kriegsbeginn nicht geändert. Nach der Ansicht des Kremlchefs dürfe die Ukraine als souveräner Staat nicht existieren. „Verhandlungen“ wolle der Kreml daher weiterhin nur dann, wenn alle russischen Forderungen erfüllt würden, so Wehowski.