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Kommentar

Demo gegen Waffenlieferungen
Von wegen Frieden – Worum es Wagenknecht wirklich geht

Ein Kommentar von
Lesezeit 4 Minuten
Die frühere Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht bei der vermeintlichen Friedensdemonstration in Berlin.

Die frühere Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht bei der vermeintlichen Friedensdemonstration in Berlin.

Sahra Wagenknecht versammelt erneut die „Friedensbewegung“ – und bereits der Kontext ist entlarvend. Auf der Bühne wurde es nicht besser.

Manchmal sagt der Kontext bereits so viel aus, dass der Inhalt zunächst in den Hintergrund tritt. So ist das auch mit Sahra Wagenknechts zweiter Berliner „Friedenskundgebung“. Diesmal ohne Alice Schwarzer, dafür aber nun auch offiziell mit eigener geplanter Partei, versammelte die abtrünnige Ex-Linke mal wieder die „Friedensbewegung“ am Brandenburger Tor.

Was Wagenknecht nicht ahnen konnte: In Moskau befand man, die Nacht auf Samstag sei ein guter Zeitpunkt für den bisher größten Drohnenangriff auf Kiew seit Kriegsbeginn. Insgesamt, so meldete es der ukrainische Generalstab, sollen 75 Drohnen aus Russland gestartet sein. Nahezu alle davon wurden von der ukrainischen Luftverteidigung abgeschossen. Nahezu alle davon hätten ukrainische Wohnhäuser und zivile Infrastruktur getroffen, wenn es diese Luftverteidigung nicht geben würde.

Russland schickt 75 Drohnen, während Wagenknecht gegen Waffenlieferungen demonstriert

Die gibt es, weil es jene Waffenlieferungen vom Westen gegeben hat, gegen die Wagenknecht und die Friedensbewegten vor dem Brandenburger Tor erneut demonstriert haben. Die russische Botschaft wäre fußläufig erreichbar gewesen. Die „Kriegsgegner“ entschieden sich aber für einen Protestmarsch durchs Regierungsviertel.

Populäre Weltsicht bei der Wagenknecht-Demonstration in Berlin: Auf Plakaten ist von einem „Genozid in Gaza“ und einem „Krieg gegen Russland“ die Rede.

Populäre Weltsicht bei der Wagenknecht-Demonstration in Berlin: Auf Plakaten ist von einem „Genozid in Gaza“ und einem „Krieg gegen Russland“ die Rede.

Und damit sind wir bei dem, was Wagenknecht ahnen konnte: Wer für Frieden demonstrieren will, in dem er sich vor das Haus desjenigen stellt, der das Opfer unterstützt, nimmt für diesen „Frieden“ in Kauf, dass der Täter nach 2008 in Georgien und 2014 auf der Krim auch 2022 in der Ostukraine das bekommt, was er will. Da ist er, der lästige Kontext.

Sahra Wagenknechts „Friedensdemo“: Ausdruck spürbarer Gleichgültigkeit

Denn vor die ukrainische Botschaft trauten sich Wagenknecht und ihre Anhänger schließlich ebenfalls nicht. Nicht Kiew soll also über das ukrainische Schicksal entscheiden, sondern Bundeskanzler Olaf Scholz – in dem er die Unterstützung beendet. Das allein ist bereits ein deutlicher Ausdruck einer ohnehin spürbaren Gleichgültigkeit den Ukrainern gegenüber, die Wagenknecht immer wieder vorgeworfen wird.

Wer einen weiteren Beleg dafür braucht, findet ihn erneut im Kontext – und wieder hätte Wagenknecht ihn erahnen können. Dass die Ukraine am 25. November den Toten des Holodomor gedenkt, des von Josef Stalin bewusst herbeigeführten Hungertodes von Millionen Ukrainern in den 1930er Jahren, ist kein Geheimnis. Auch damals war Moskau für das Elend in der Ukraine verantwortlich. Heute gab es 75 Kampfdrohnen zum Gedenktag vom Kreml.

Wagenknecht wählt Holodomor-Gedenktag für ihre Demonstration

Diesen Tag zu wählen, um gegen die Unterstützung der Ukraine zu demonstrieren, spricht eine deutlichere Sprache als jede vorgeschobene Versicherung, es gehe doch darum „ukrainische Leben zu retten“, es jemals könnte.

Wahrscheinlicher als dieser fromme Wunsch erscheint also, dass die Parteigründerin bereits früh erkannt hat, dass sie mit Russland-Nähe und Putin-Verständnis sowohl bei den Wählern der AfD als auch im linken Lager punkten kann. Und für alle, die sich keinem der beiden Lager verbunden fühlen, aber über hohe Energiepreise klagen, hat das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ dann noch günstiges russisches Gas im Gepäck.

Der Populismus-Geschenkkorb der Sahra Wagenknecht

„Russland erfüllt Verträge“, verkündete Wagenknecht schließlich kürzlich, ohne die der Aussage innewohnende Realsatire zu bemerken. So bekommt am Ende jeder etwas aus Wagenknechts Populismus-Geschenkkorb. Fast jeder zumindest.

Die Linken kriegen ihre pazifistische Friedensillusion, die AfD-Wähler die bewundernde Russlandtreue, die gebeutelten Steuerzahler endlich wieder billige Energie. Und Wagenknechts intellektuelle Mitstreitende wie Alice Schwarzer erleben wieder eine Nachtruhe ohne Weltkriegsängste.

Gegen die Nato-Erweiterung, aber die von Russland ist kein Problem?

Damit aber nicht genug: Wagenknechts Forderungen führen schließlich auch dazu, dass die laut vielen ihrer Unterstützer ohnehin für alles verantwortliche Nato sich nicht „erweitern“ (und die Ukraine somit auch in Zukunft nicht besser schützen) kann.

Erweitern kann sich dafür Russland mit seinem ewigen Herrscher Wladimir Putin – und zwar um fast zwanzig Prozent der Ukraine. Aber um die geht es der Parteigründerin ja ohnehin nicht, das zeigt bereits der Kontext.

Kriege und Konflikte: Es gibt viel zu holen – für Sahra Wagenknecht

Der Inhalt, um schließlich darauf zu kommen, lässt bei der „Friedensbewegung“ allerdings auch wenig Fragen offen. Am Samstag nutzte Wagenknecht ihre Bühnenzeit überdies, um auch den Krieg in Nahost für ihre Zwecke zu nutzen.

„Wir haben die Verantwortung, das Existenzrecht Israels ohne Wenn und Aber zu verteidigen“, erklärte sie – und ließ prompt das Aber folgen. Die „rücksichtslose Kriegsführung Israels“ dürfe schließlich auch nicht unterstützt werden, so die Parteigründerin.

Auch in diesem Krieg, das hat Wagenknecht schnell erkannt, gibt es viel zu holen. Zwar nicht für Israel oder die Palästinenser, wohl aber für Sahra Wagenknecht.