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Kommentar

„Friedensdemo“ in Berlin
Fünf Gründe, die gegen die Bewegung von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer sprechen

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Lesezeit 4 Minuten
Alice Schwarzer (l.) und Sahra Wagenknecht (r.), stehen beim „Aufstand für den Frieden“ auf der Bühne. Die Publizistin und die Linken-Politikerin hatten zuvor erklärt, es sei Zeit, ihnen zuzuhören. Wenn man das tut, fragt man sich allerdings schnell, warum man das tun sollte.

Alice Schwarzer (l.) und Sahra Wagenknecht (r.), stehen beim „Aufstand für den Frieden“ auf der Bühne. Die Publizistin und die Linken-Politikerin hatten zuvor erklärt, es sei Zeit, ihnen zuzuhören. Wenn man das tut, fragt man sich allerdings schnell, warum man das tun sollte.

„Es ist Zeit, uns zuzuhören“, fordern Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht. Wer genau das macht, findet schnell Gründe, die gegen ihren Vorstoß sprechen. Ein Überblick.

In Berlin versammelten sich am Samstag (25. Februar) rund 13.000 Menschen um Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer, die zuvor in ihrem „Manifest für Frieden“ gefordert hatten: „Es ist Zeit, uns zuzuhören“. Unser Redakteur hat das getan – und dabei fünf Gründe gefunden, die gegen die selbsternannte Friedensbewegung sprechen.

1. Falsche Behauptungen von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer

Falsche Behauptungen prägten die Kundgebung ebenso wie die Talkshowauftritte von Wagenknecht und Schwarzer in den letzten Wochen. Aus den 13.000 Menschen, die Berliner Behörden vor dem Brandenburger Tor gezählt haben, wurden bei Wagenknecht, Schwarzer und Co. so mal eben mehr als 50.000. Die Quelle für diese Zahl: Eigene Beobachtungen.

Doch nicht nur was die Teilnehmerzahl angeht, wurde der großzügige Umgang der Friedensbewegten mit der Wahrheit deutlich. So behauptete Wagenknecht in ihrer Rede erneut, der ehemalige israelische Premierminister Naftali Bennett habe berichtet, frühe Verhandlungen seien an einer westlichen Intervention gescheitert. Die Wahrheit ist: Bennett berichtete zwar durchaus davon, dass es bereits früh Verhandlungspotential zwischen Kiew und Moskau gegeben habe, erklärte jedoch auch den Grund für das schnelle Scheitern: die Gräueltaten von Butscha und Borodjanka.

„Die Verhandlungen sind nicht an der russischen Seite gescheitert“, wurde daraus am Samstag bei Wagenknecht. Die Linken-Politikerin übergeht die russischen Kriegsverbrechen bereits seit Monaten in jedem Interview – und zeigt damit vor allem, dass sie nur hört, was sie auch hören will.

2. Es geht Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer gar nicht um die Ukraine

Die Redebeiträge bei der Demo in Berlin beschäftigten sich so gut wie gar nicht mit der Ukraine. Die Rednerinnen und Redner begannen ihre Beiträge zwar meist mit einem kurzen Satz dazu, wie schrecklich alles für die Bevölkerung vor Ort sei – sprachen dann jedoch konsequent vor allem über ihre eigenen Atomkriegsängste, die vermeintlichen Fehler Wolodymyr Selenskyjs und die Rolle der Vereinigten Staaten. „Wer keine Angst hat, ist ein Dummkopf oder Zyniker“, erklärte Schwarzer – und belehrte damit nicht nur ihre Kritikerinnen, sondern auch die Ukrainer, die trotz aller Atomdrohungen aus Moskau aktuellen Umfragen zufolge weiterkämpfen wollen.

Ukrainische Flaggen fanden sich bei der Demo in Berlin gar nicht, die der russischen Föderation vereinzelt schon. Echtes Mitgefühl mit der Ukraine? Kaum spürbar. Das Land bleibt für Wagenknecht, Schwarzer und Co. offenbar bloße Verhandlungsmasse zwischen dem Westen und dem Kreml – und somit eine gute Möglichkeit, dem eigenen Antiamerikanismus zu frönen.

3. Messen mit zweierlei Maß

Ein „Tsunami von Beschimpfungen“ habe sie und ihre Mitstreiter getroffen, beklagte Schwarzer am Samstag auf der Bühne – und macht es dann selbst mal wieder nicht besser. Während die Frauenrechtlerin ihre Kritiker also zu „Dummköpfen“ erklärte und von Redakteuren erzählte, „die Panzer nur aus Computerspielen kennen“, während sie selbst die Ukraine nur von Landkarten kennt, holte Wagenknecht sogar noch weiter aus.

Außenministerin Annalena Baerbock, die bei jeder Erwähnung von der Menge mit Buh-Rufen bedacht wurde, sei wie ein „Elefant im Porzellanladen“, Anton Hofreiter nannte sie „Panzer-Toni“, die Grünen „Waffennarren“ und Marie-Agnes Strack-Zimmermann eine „Rüstungslobbyistin“.

Das hat bei den Friedensbewegten System: Jeder, der die militärische Unterstützung Kiews richtig findet, wird von Schwarzer, Wagenknecht und vielen ihrer Anhänger in den letzten Monaten als blutrünstiger Kriegstreiber oder gewaltaffiner Bellizist betitelt. Medien, die sich entsprechend positionieren, werden verächtlich gemacht. Hinweise, dass die eigenen Positionen eine ziemliche Nähe zu denen des Kremls haben, verbitten sich Schwarzer und Wagenknecht.

4. Mit Rechtsextremen und Neo-Nazis demonstriert man nicht

Wagenknecht, Schwarzer und Co. gaben sich weder im Vorfeld noch bei der Kundgebung selbst große Mühe, ihre Bewegung von Rechtsextremen und Faschisten abzugrenzen. Über Lippenbekenntnisse kamen die Abgrenzungsversuche kaum hinaus. Das Ergebnis zeigte sich vor Ort: Mehrere bekannte Rechtsextreme, wie Nicolai Nerling und AfD-Politiker Gunnar Lindemann, wurden bei der Kundgebung gesichtet. Faschistische Slogans tauchten auf – und Vergleiche von Olaf Scholz und Annalena Baerbock mit Hitler durften in der Menge auch nicht fehlen.

Einen Tiefpunkt erlebte die Kundgebung unterdessen bereits vor dem offiziellen Beginn: Als die Veranstalter das Publikum darüber aufklärten, dass Symbole der russischen Streitkräfte – zum Beispiel das „Z“ – nicht gestattet seien, gingen Buhrufe durch die Menge vor dem Brandenburger Tor. Auch wenn Baerbocks Name erwähnt wurde, buhte die Menge zuverlässig. Schwarzer brachte das zum freudigen Grinsen. Buhrufe gegen Wladimir Putin gab es nicht.

5. Bevormundung der Ukraine durch Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht

Wagenknecht und Schwarzer machten bei ihrer Demo erneut klar, dass die Interessen der Ukraine für sie nachrangig gegenüber ihren eigenen, aber auch denen des Kremls sind. Die Friedensbewegten wollen ihre Ruhe vor dem Krieg – und sind dafür offensichtlich bereit, die Ukraine als Verhandlungsmasse an den Kreml zu verteilen. Putin müsse man ein Angebot machen, erklärte Wagenknecht – und entlarvte damit ihren Paternalismus.

Nach der Kundgebung wurde die westliche Bevormundung, die Wagenknecht und Schwarzer sich für die Ukraine wünschen, in einem Interview mit dem TV-Sender Phoenix noch deutlicher. „Ich finde, das ist jetzt nicht der Moment“, entgegnete Schwarzer auf die Frage, ob die Ukraine ohne weitere Waffenlieferungen nicht zusammenbrechen zu drohe – und fragte dann empört zurück: „Wer setzt sich mehr als wir hier für das ukrainische Volk ein?“