Die UN sieht immer mehr Beweise für systematische Folter – Opfer schildern schlimmste Methoden in den besetzten Gebieten.
Schlimmste Foltermethoden berichtetImmer mehr Beweise – Moskau setzt sexuelle Gewalt systematisch als Kriegstaktik ein
Hinweis: Der Text enthält explizite Schilderungen sexueller Gewalt.
Nach Angaben einer UN-Untersuchungskommission häufen sich die Beweise für systematische Folter von Ukrainern in russischer Gefangenschaft. In fast allen Haftanstalten komme es zu einer „immer wiederkehrenden Anwendung von sexueller Gewalt als Folter“, berichtete der Vorsitzende der Ukraine-Kommission, Erik Møse, in einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrates in Genf.
Die Kommission kam laut Møse zu dem Schluss, „dass Folter von den russischen Behörden als gängige und akzeptable Praxis eingesetzt wird“. Demnach lägen auch Beweise vor, dass bestimmte russische Staatsdienste in koordinierter Weise für solche Misshandlungen eingesetzt würden.
Schlimmste Foltermethoden in besetzten ukrainischen Gebieten
Nach Angaben der ukrainischen Zeitung „Ukrainska Pravda“ zählen auch außerhalb von Haftanstalten schlimmste Misshandlungen zu den eingesetzten Foltermethoden gegen Zivilisten in den besetzten Gebieten, vor allem gegen Frauen.
So seien Fälle von Genitalverstümmelung, Sexsklaverei, sexueller Folter, Zwangsprostitution und Zwangssterilisation nachgewiesen worden. Mitunter seien Frauen vor den Augen ihrer Angehörigen vergewaltigt worden – oder hätten die Vergewaltigung ihrer eigenen Kinder mitansehen müssen.
Opfer schildern sexuelle Gewalt und Folter durch russische Soldaten
Die Zeitung beruft sich bei ihren Angaben auf einen Untersuchungsbericht des polnischen Pilecki-Insituts. In dem 89 Seiten umfassenden Dokument kommen zahlreiche Opfer zu Wort. Ihre Schilderungen sind mitunter kaum zu ertragen.
„Da war ein Mädchen mit einer sehr schönen Figur. Sie vergewaltigten sie alle“, erinnerte sich eine Frau im Gespräch mit dem Institut an die Situation in den besetzten Gebieten und das Verhalten der russischen Soldaten.
„Sie haben sie sechs Monate lang vergewaltigt“
„Sie haben sie sechs Monate lang vergewaltigt. Sie nahmen sie mit und brachten sie nach einer Weile zurück. Es ist schwer, überhaupt darüber zu sprechen. So wie sie aussah, schien sie einfach nicht mehr leben zu wollen“, schilderte die Frau, die laut Pilecki-Institut zusammen mit anderen ukrainischen Frauen in den besetzten Gebieten gefangen gehalten worden war.
In den von Russland besetzten Gebieten herrsche Angst, heißt es weiter in dem Bericht. Frauen würden sich bewusst schlechte Kleidung anziehen, sich nicht waschen und keinen Schmuck tragen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Die meisten würden das Haus nur zur Not verlassen, um das Risiko, russische Soldaten zu treffen, so gering wie möglich zu halten. Missbrauchsfälle seien nicht örtlich begrenzt, sondern kämen nahezu überall vor, auch an Evakuierungsstellen für jene, die in die Ukraine überstellt werden wollten, so das Pilecki-Institut.
„Je schöner eine Frau war, desto länger wurde sie belästigt“
„Das russische Militär hat die Autos, die das Besatzungsgebiet verlassen wollten, mehrere Tage lang aufgehalten“, erinnerte sich eine der betroffenen Frauen. „Je schöner eine Frau war, desto länger wurde sie belästigt.“ Viele der Opfer hätten angesichts ihrer Missbrauchserfahrungen Suizidgedanken, schilderte die Frau weiter und erinnerte sich an eine Ukrainerin, die sich bei einer Sammelstelle darum bemüht habe, ein Messer zu erhalten.
Als die Frau von besorgten Ukrainerinnen gefragt worden sei, was sie mit dem Messer vorhabe, sei sie zusammengebrochen und habe geschildert, dass sie oral von einem russischen Soldaten vergewaltigt worden war. Ihr Mann, ihr Vater und ihr Sohn hätten dabei zuschauen müssen. Der Missbrauch sei an einem der Kontrollpunkte geschehen, wo die Familie mit ihrem Auto gewartet habe, habe die Frau erzählt.
UN: Auch ukrainische Männer erfahren Folter und sexuelle Gewalt
Die sexuelle Gewalt trifft jedoch nicht nur Frauen, berichtet unterdessen die UN-Untersuchungskommission. Insbesondere in russischen Haftanstalten komme es zum „wiederkehrenden Einsatz sexueller Gewalt gegen männliche Opfer“, diese Foltermethode komme in „fast allen Haftanstalten“ zum Einsatz, heißt es in dem UN-Bericht.
„Das Erschreckendste war, dass die Täter alles in aller Stille und sehr professionell taten. Mir war klar, dass sie das vielen Leuten antaten und uns nicht als menschliche Wesen wahrnahmen“, zitierte die Kommission einen Ukrainer, der zehn Tage lang in russischer Haft gefoltert worden war. „Die große Streuung der Standorte und die Häufigkeit gemeinsamer Muster bei der Art und Weise, wie Folter begangen wird, zeigen, dass Folter eine gängige und akzeptierte Praxis ist“, stellte die UN-Kommission fest.
„Vergewaltigungskultur“ als Fundament für sexuelle Gewalt
Ein Grund für den hemmungslosen Einsatz sexueller Gewalt durch russische Soldaten sei die „Vergewaltigungskultur“ in Russland, sagte die britische Journalistin Christina Lamb, die ein Buch über sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten veröffentlicht hat, der „Pravda“.
Das Ausmaß der Gewalt sei daher kein Zufall, sondern werde durch die russische Gesetzgebung befördert. Bereits 2017 habe das russische Parlament häusliche Gewalt entkriminalisiert, „wenn sie nicht schwerwiegend genug ist“, erklärte Lamb. „Das heißt, wenn die Opfer nicht ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen.“
Insbesondere gegen ukrainischen Soldaten und ihre Angehörigen werde von Russland in den besetzten Gebieten sexuelle Gewalt als Foltermethode eingesetzt, berichtete auch die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft. „Das heißt, sexuelle Gewalt ist auch eine der Waffen, die gegen das ukrainische Volk eingesetzt werden, um möglichen Widerstand zu unterdrücken“, teilte die Behörde laut der „Pravda“ mit. Russland gelinge es so, den Widerstand in den besetzten Gebieten oftmals weitgehend zu unterbinden.