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Kastrationen und Elektroschocks„Sie hatten Spaß daran“ – Ukrainer berichten von Folter durch russische Soldaten

Lesezeit 4 Minuten
Ukrainische Soldaten im Gegenlicht. Viele ehemalige Kriegsgefangene berichten von grausamen Foltermethoden, die von russischen Soldaten gegen sie angewendet worden seien. (Archivbild)

Ukrainische Soldaten im Gegenlicht. Viele ehemalige Kriegsgefangene berichten von grausamen Foltermethoden, die von russischen Soldaten gegen sie angewendet worden seien. (Archivbild)

Die Vereinten Nationen sehen Hinweise dafür, dass die grausamen Foltermethoden russischer Soldaten vom Kreml erwünscht sein könnten.

Seit mehr als einem Jahr führt Russland seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Tausende Soldaten sind auf beiden Seiten gefallen, unzählige in Kriegsgefangenschaft geraten. Der Umgang mit den festgenommenen feindlichen Streitkräften unterscheidet sich jedoch offenbar eklatant. Während russische Soldaten in ukrainischer Kriegsgefangenschaft Berichten zufolge teilweise die Rückkehr in ihr Heimatland fürchten, berichten ukrainische Soldaten von grausamsten Foltermethoden, die gegen sie in russischer Gefangenschaft angewendet worden seien.

So soll es zu Kastrationen bei ukrainischen Soldaten in russischer Kriegsgefangenschaft gekommen sein. Das berichtet die britische „Sunday Times“, die sich auf Angelika Jatsenko beruft, eine ukrainische Psychologin, die mit zwei suizidgefährdeten ukrainischen Soldaten Gespräche geführt hat.

Brutale Foltermethoden: Ukrainische Soldaten berichten von Kastrationen in russischer Kriegsgefangenschaft

Demnach hätten sich die Soldaten im Alter von 25 und 28 Jahren zwischen einem und drei Monaten in russischer Gefangenschaft befunden. Jatsenko zufolge wurden die beiden Männer während ihrer Haft zunächst brutal zusammengeschlagen und anschließend von betrunkenen russischen Soldaten mit einem Messer kastriert.

„Ich habe noch nie zuvor so etwas Schreckliches gehört“, sagt die Psychologin, die laut eigenen Angaben viele von Folter betroffene Soldaten betreut. „Ich sagte ihnen, dass ich ins Bad gehen müsste. Ich ging und weinte und weinte. Ich wollte nicht, dass sie das sehen und vielleicht denken, dass es keine Hoffnung mehr gibt.“

„Ihre Würde wurde so sehr verletzt, dass es unmöglich ist, das zu vergessen“, führte Jatsenko aus. „Die Russen haben ihnen gesagt: ‚Wir tun das, damit ihr keine Kinder mehr bekommen könnt‘. Für mich ist das Genozid.“

Ukrainische Psychologin über Gespräch mit gefolterten Soldaten: „Ich ging und weinte und weinte“

Die Kastrationen seien unterdessen kein Einzelfall, berichtete Jatsenko. „Sie sagten mir, dass die Russen die Kastration sehr geschickt durchführten, als ob sie wüssten, wie man es macht.“ Zudem habe sie von Kollegen ebenfalls von vielen weiteren derartigen Fällen gehört.

Die Foltermethoden der russischen Streitkräfte treffen unterdessen offenbar nicht nur ukrainische Soldaten, sondern auch die Zivilbevölkerung. So schilderte Olena Yahupova gegenüber der englischen Zeitung „The Guardian“ zuletzt eine monatelange Tortur.

Eine ukrainische Frau bricht in Tränen aus. Auch ukrainische Zivilisten werden in den völkerrechtswidrig besetzten Gebieten immer wieder Opfer von russischer Folter. (Archivbild)

Eine ukrainische Frau bricht in Tränen aus. Auch ukrainische Zivilisten werden in den völkerrechtswidrig besetzten Gebieten immer wieder Opfer von russischer Folter. (Archivbild)

Die Bewohnerin von Enerhodar, einem kleinen Ort in der Nähe der Atomkraftwerks Saporischschja, wurde laut eigenen Angaben im letzten Oktober von russischen Truppen gefangen genommen. Daraufhin sei sie zwei Tage lang von russischen Geheimdienstoffizieren gefoltert worden, erklärte Yahupova.

„Sie hatten Spaß daran“, schilderte die Ukrainerin ihre Erfahrungen. „Sie haben getan, was sie wollten.“ In diesen zwei Tagen seien ihre Hände an ihre Knöchel gefesselt worden, dann habe man sie mit einer vollen Plastikflasche verprügelt. Auch zu Strangulationen sei es regelmäßig gekommen. „Ein Kerl hielt deinen Hals, ein anderer kniff dir in die Nase“, sagte die Frau, die in den Fokus der Russen geraten war, da ihr Mann bei der ukrainischen Armee im Einsatz ist.

Ukrainerin schildert Folter durch russischen Geheimdienst: „Sie hatten Spaß daran“

Man habe ihr zudem eine Waffe an die Stirn gehalten und sie mit Stromschlägen traktiert, erinnert sich Yahupova. „Ich hatte nicht einmal Zeit zum Schreien … es gab keine Zeit zum Nachdenken, es war so schockierend“, sagte sie im Gespräch mit dem „Guardian“.

Nach den zwei Tagen habe man sie in einer überfüllten Zelle eingesperrt – „im Grunde haben sie mich dort vergessen“, erinnert sich Yahupova. Lediglich einmal hätte ein russischer Geheimdienst-Beamter erneut Kontakt zu ihr gesucht – und sie gezwungen, für ein Video der russischen staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti zu posieren.

Ich hatte nicht einmal Zeit zum Schreien … es gab keine Zeit zum Nachdenken, es war so schockierend
Olena Yahupova

„Er hat gedroht, mich zu erschießen“, erklärte Yahupova. Sie habe sich in dem Video über angeblichen ukrainischen Beschuss beschweren sollen. Den habe es jedoch nicht gegeben, schilderte Yahupova. Die Angriffe seien von russischen Streitkräften durchgeführt worden. Das mit ihr angefertigte Propaganda-Video ist derweil immer noch online.

Nach dem Propaganda-Auftritt habe sie monatelang Zwangsarbeit für die russische Armee verrichten müssen. Erst im März sei sie ohne weiteren Kommentar von den russischen Truppen freigelassen worden und dann zunächst nach Estland geflohen.

Auf Geheiß von Wladimir Putin? UN sieht Hinweise für „direkte Genehmigung“ von russischer Folter

Mittlerweile ist Yahupova nach Saporischschja, was unter ukrainischer Kontrolle ist, zurückgekehrt. Dort habe sie sich für die Einberufung in die Armee gemeldet – und ihren Mann ein zweites Mal kirchlich geheiratet.

Die jüngsten Schilderungen können als Beleg für die Angaben des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen dienen. In der letzten Woche hatte die UN-Sonderberichterstatterin Alice Edwards ihre Besorgnis über die zahlreichen Berichte über russische Foltermaßnahmen geäußert. „Zu den mutmaßlichen Praktiken gehören Elektroschocks, Schläge, Vermummungen, Scheinhinrichtungen und andere Morddrohungen“, erklärte Edwards.

Die Methoden der mutmaßlichen Folter durch russische Streitkräfte legten zudem ein „Maß an Koordination, Planung und Organisation sowie die direkte Genehmigung oder offizielle Duldung durch höhere Behörden“ nahe, erklärte Edwards. „Folter ist ein Kriegsverbrechen, und die systematische oder weit verbreitete Anwendung von Folter stellt ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar“, stellte die Sonderberichterstatterin klar.