Der Chef der Söldnergruppe Wagner rechnet mit 200.000 ukrainischen Soldaten – und widerspricht Propaganda-Botschaften des Kremls.
Streit mit dem KremlWagner-Chef Prigoschin widerspricht Putins Propaganda
Der Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, hat einem „Bloomberg“-Bericht widersprochen. Der Wirtschaftssender hatte zuvor berichtet, dass die Söldnertruppe sich aus der Ukraine zurückziehen wolle, um sich Aufträgen an anderen Orten zu widmen – und mit dieser Drohung den Druck auf Moskau zu erhöhen. Zuletzt hatte sich Prigoschin immer wieder über mangelnde Unterstützung beschwert. Auch am Donnerstag nutzte er ein Video-Statement, um Kremlchef Wladimir Putin zu widersprechen.
„Ich weiß nicht, was Bloomberg berichtet, aber anscheinend wissen sie besser als ich, was wir als Nächstes tun werden. Solange unser Land uns braucht, befinden wir uns in der Ukraine im Krieg“, konterte Prigoschin, der auch als „Putins Koch“ bekannt ist, jedoch zunächst auf Telegram den „Bloomberg“-Bericht.
Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin sendet widersprüchliche Signale Richtung Kreml in Moskau
Experten sehen in den widersprüchlichen Signalen, die vom Wagner-Chef immer wieder gesendet werden, eine Taktik. Nachdem er zu Wochenbeginn noch mehr Munition für seine Söldnertruppen, die vor allem im Kampf um Bachmut aktiv sind, gefordert hatte, schaltete Prigoschin nun rhetorisch einen Gang zurück – und lobte in seiner jüngsten Wortmeldung die russischen Streitkräfte.
Die Experten des amerikanischen Thinktanks „Institute for the Study of War“ (ISW) sehen in Prigoschins Vorgehen eine Taktik. Nachdem der Wagner-Chef in den letzten Wochen vor allem Kritik am Kreml geäußert hatte und noch zu Wochenbeginn in einem Brief an den russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu mehr Unterstützung gefordert hatte, scheint er nun seine Wortwahl abgemildert zu haben. „Vermutlich aus Angst darüber, seine Söldnertruppe in Bachmut komplett zu verlieren“, heißt es bei den ISW-Analysten.
Wagner-Gruppe: Jewgeni Prigoschin warnt vor Frühjahrsoffensive – Zweifel an Putin-Narrativ
Doch auch in dem 23 Minuten langen Video, das Prigoschin am Donnerstag veröffentlichte, sendet der Wagner-Chef erneut unterschiedliche Signale. So warnte er den Kreml nun davor, dass die Ukraine 200.000 Soldaten für eine Frühjahrsoffensive versammelt habe, 80.000 ukrainische Soldaten seien zudem rund um Bachmut konzentriert, behauptete Prigoschin. Mit diesen Aussagen verfolge Prigoschin das Ziel, „mehr Nachschub und Verstärkung“ aus Moskau zu erhalten – und so seine Truppen in Bachmut zu „retten“, schreiben die ISW-Analysten in ihrem täglichen Lagebericht.
Gleichzeitig nutzte Prigoschin sein Video-Statement jedoch auch, um dem Kreml zu widersprechen – der Wagner-Boss stellte dabei sogar eines der zentralen Narrative Moskaus infrage. Russland kämpfe „ausschließlich mit der Ukraine“, jedoch nicht mit der Nato, erklärte Prigoschin. In Moskau versucht man immer wieder den Krieg in der Ukraine als Auseinandersetzung zwischen Nato und Russland darzustellen. Dass die Ukraine Unterstützung von der Nato erhalten würde, sei laut Prigoschin vorhersehbar gewesen. „Es ist lächerlich, wenn man geglaubt hat, dass das nicht passieren würde“, erklärte er.
Wagner-Chef widerspricht russischer Propaganda: Kein Krieg mit der Nato
Prigoschin ging jedoch noch weiter – und zweifelte auch die Darstellung des Kremls an, dass es sich beim Krieg gegen die Ukraine um eine „Denazifizierung“ handle. Wladimir Putin hatte den völkerrechtswidrigen Angriff auf das russische Nachbarland stets damit begründet, dass Kiew von Faschisten regiert werde. Nun erklärte Prigozhin jedoch, er sei sich über das Ziel der „Entnazifizierung“ in der Ukraine nicht sicher, da er nicht wisse, ob es in der Ukraine „Nazis“ gebe.
Der Konflikt zwischen der Söldnertruppe und dem Kreml scheint somit anzudauern. Wie „Bloomberg“ berichtet, sei es Moskau ein großes Anliegen, dass Prigoschin sich nicht als Alleinverantwortlicher für einen eventuellen militärischen Erfolg in Bachmut darstellen könne. Auch deshalb habe der Kreml die Söldnertruppe zuletzt nicht in dem Ausmaß mit Munition versorgt, wie der Wagner-Chef es sich gewünscht habe.
Russische Führungsriege um Wladimir Putin will Jewgeni Prigoschin nicht zu populär werden lassen
Bei Kremlchef Wladimir Putin soll der Wagner-Chef laut den ISW-Analysten ohnehin schon länger in Ungnade gefallen sein. Bisher hatte Prigoschin darauf mit öffentlicher Kritik am Kreml und der Militärführung reagiert – nun scheint der Wagner-Chef seine Taktik zumindest teilweise zu ändern, um die Unterstützung aus Moskau nicht gänzlich zu verlieren.