Russland hat nach ukrainischen Angaben 100 Raketen auf die Ukraine gefeuert – auch auf Infrastruktur und Zivilisten. Die Ukraine spricht von den „schlimmste Angriffen“ seit Kriegsbeginn.
Biden: „Barbarisch“Ukraine meldet „schlimmste Angriffe“ seit Kriegsbeginn
Mit über 100 Raketen und Marschflugkörpern hat Russland am Dienstag das Energiesystem der Ukraine angegriffen und schwere Schäden verursacht. Es war ukrainischen Militärangaben zufolge der bislang massivste Angriff auf die Infrastruktur seit Kriegsbeginn vor gut acht Monaten.
Etwa sieben Millionen Haushalte saßen den Behörden zufolge am Dienstag zeitweise im Dunkeln, weil der Strom ausfiel oder abgeschaltet werden musste. Zwar sei es gelungen, etwa 70 der anfliegenden Geschosse abzuschießen, teilte das ukrainische Präsidialamt in Kiew mit.
Ukraine: Selenskyj bekräftigt erneut Durchhaltewillen
Doch 15 Objekte der Energieversorgung in verschiedenen Landesteilen seien getroffen worden, sagte Vizechef Kyrylo Tymoschenko im Nachrichtendienst Telegram. Auch die Hauptstadt Kiew wurde getroffen, wobei nach Behördenangaben eine Frau getötet wurde.
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Trotz der Treffer bekräftigte Präsident Wolodymyr Selenskyj den Durchhaltewillen der Ukraine. Der Feind werde sein Ziel nicht erreichen, sagte der 44-Jährige in einer Videobotschaft. Alles werde repariert und die Stromversorgung wieder hergestellt. Gleichzeitig lobte er mit geballter Faust die Ukrainer: „Ihr seid Prachtkerle!“
Der frühere Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, sprach bei den Attacken auf ukrainische Infrastruktur von den „schlimmsten“ Raketenangriffen seit Beginn des Kriegs, Melnyk bezeichnete ihn erneut als Überfall.
G20-Staaten unterzeichnen Abschlussserklärung mit Russland-Kritik
Außenminister Dmytro Kuleba verlangte, die in Indonesien tagende G20-Gruppe führender Wirtschaftsmächte solle den Angriff verurteilen. Die US-Regierung verurteilte die Raketenangriffe Russlands umgehend.
„Während die Staats- und Regierungschefs der Welt auf dem G20-Gipfel auf Bali zusammenkommen, um Fragen zu erörtern, die für das Leben und Auskommen der Menschen auf der ganzen Welt von großer Bedeutung sind, bedroht Russland erneut diese Leben und zerstört die kritische Infrastruktur der Ukraine“, teilte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, mit.
US-Präsident Joe Biden äußerte sich am Mittwochmorgen selbst und bezeichnete die jüngsten russischen Angriffe auf die Ukraine als „barbarisch“ bezeichnet. Während die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten auf Bali versuchten, Fortschritte beim Frieden zu erzielen, greife Russlands Präsident Wladimir Putin Kinder und Frauen an, sagte Biden am Mittwoch dem Redeprotokoll des Weißen Hauses zufolge bei einem Treffen mit dem neuen britischen Premierminister Rishi Sunak.
Am Mittwochmorgen unterzeichneten die G20-Staaten beim Gipfeltreffen auf Bali außerdem eine gemeinsame Abschlusserklärung, in der sie Russlands Krieg in der Ukraine verurteilten.
Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe wurden 73 Marschflugkörper und Raketen sowie 17 Drohnen abgeschossen. Der Angriff sei heftiger gewesen als Anfang Oktober kurz nach dem Anschlag auf die Brücke zur von Russland 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim, sagte Sprecher Jurij Ihnat im Fernsehen. Damals waren 84 Raketen auf die Ukraine abgefeuert worden. Tymoschenko bezeichnete die Situation nach den Einschlägen in Bezug auf die Energieinfrastruktur als „kritisch“.
Infrastruktur der Ukraine durch russische Raketen getroffen
„Die meisten Treffer wurden im Zentrum und im Norden des Landes festgestellt“, schrieb er im Nachrichtendienst Telegram. Der staatliche Energieversorger Ukrenerho habe zu außerordentlichen Stromabschaltungen übergehen müssen, um das Netz zu stabilisieren. Tymoschenko forderte die Bevölkerung zum Stromsparen auf. In Kiew war den Behörden zufolge etwa die Hälfte der Stadt ohne Strom.
Zeitweise fuhr die U-Bahn nicht, dafür stauten sich die Autos stundenlang auf den Straßen. Über der Hauptstadt dauerte der Luftalarm am Dienstag knapp vier Stunden. Im westukrainischen Gebiet Ternopil waren nach Angaben der regionalen Behörden 90 Prozent der Verbraucher ohne Strom. In der Stadt Lwiw waren es 80 Prozent. Deshalb seien auch Heizung und die Versorgung mit warmem Wasser ausgefallen, teilte Bürgermeister Andrij Sadowyj mit.
Die staatlichen Eisenbahnen warnten vor Zugverspätungen von bis zu einer Stunde. Wegen möglicher Stromausfälle seien Dieselloks als Reserve bereit gestellt worden. Russland ist Ende Februar in die Ukraine einmarschiert. Nach militärischen Rückschlägen und dem Rückzug aus gut der Hälfte der eroberten Gebiete setzt Moskau verstärkt auf Schläge zur Ausschaltung der Stromversorgung. Kiew will daher vom Westen Unterstützung bei der Raketen- und Drohnenabwehr. (mab/dpa)