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Kommentar

Spendenwahn, Wählerunterdrückung
Der US-Wahlkampf-Endspurt ist der dienstältesten Demokratie unwürdig

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Lesezeit 2 Minuten
Einwohner geben ihre Stimmen während der vorgezogenen Stimmabgabe in der Mount Pleasant Ministries in der Nähe von Parkville ab. (Symbolbild)

Spendenwahn, Wählerunterdrückung und Betrugsvorwürfe trüben den Wahlkampf in den USA. Das sind unhaltbare Zustände in einer Demokratie, kommentiert Steven Geyer.

Wenn die Vereinigten Staaten nicht bald ihr Wahlsystem reformieren, rutscht ihre Demokratie noch tiefer in die Krise, meint Steven Geyer aus Atlanta.

Nun sind es nur noch Stunden, bis in den USA ein Wahlkampf endet, der der dienstältesten Demokratie der Welt schlicht unwürdig war. Denn selbst wenn man vom inhaltlich dürren Niveau und den menschenverachtenden Tiraden des Kandidaten Trump absieht: Das Land ist jahrzehntelang Stück für Stück in unhaltbare Zustände gerutscht.

Dass die Parteien Milliarden verpulvern, die von Konzernen und Superreichen stammen, ist obszön - und widerspricht jeder Chancengleichheit auf politischen Einfluss. Und das finanzielle Wettrüsten war kein Zufall, sondern wurde durch Deregulierung von den Konservativen herbeigeführt.

Als müsste nicht schon das Mehrheitswahlrecht mit seinen fragwürdigen Wahlmännern reformiert werden, sabotieren die Republikaner zusätzlich: Aus Angst, dass der demografische Wandel ihre weiße Anhängerschaft schrumpft, schneiden sie Wahlbezirke zu ihrem Vorteil zurecht und erschweren Minderheiten die Stimmabgabe.

Angst vor Krawallen in Swing States

Unter Trump kamen haltlose Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Abstimmung und Auszählung hinzu, derentwegen der Zugang zur Wahl weiter verkompliziert und die Stimmung im Wahllokal vergiftet wurde. Schon jetzt fabulieren die Republikaner erneut von Betrug, um die nächste Lüge gestohlener Wahlen vorzubereiten. Wo das Rennen eng ist, herrscht längst Angst vor Gewalt. Im Westküstenstaat Washington wurde bereits die Nationalgarde in Bereitschaft versetzt.

2024 wirkt, als seien die USA an zu vielen Scheidepunkten der letzten Jahrzehnte falsch abgebogen. Dass die Wahlbeteiligung schon vor dem Wahltag auf Rekorde zusteuert, kann man positiv lesen: als Zeichen, dass die Amerikaner sich stärker einbringen. Die pessimistische Lesart wäre: Sie fürchten, ihre Stimme fällt sonst unter den Tisch, weil sie der Gegenseite misstrauen – und dem Wahlsystem. Man könnte es ihnen nicht verdenken.