Die Verurteilung seines Sohnes Hunter wegen illegalen Waffenbesitzes belastet Joe Biden persönlich und politisch. Der Straftäter Trump aber wettert nun gegen „das kriminelle Familien-Imperium“ seines Gegners. Kurz vor der Wahl droht ein weiterer fataler Schuldspruch.
US-Präsident im Dilemma gefangenHunter Biden in Waffen-Prozess schuldig gesprochen
Die Nachricht hätte kaum zu einem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können. Joe Biden bereitete sich in Washington gerade auf einen Vortrag über schärfere Waffengesetze vor, als die Geschworenen in seinem Heimatort Wilmington im aufsehenerregenden Prozess gegen seinen Sohn Hunter zu einem Urteil fanden: „Schuldig in allen drei Anklagepunkten.“
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der heute 54-Jährige im Oktober 2018 beim Kauf eines Revolvers falsche Angaben machte und seine damalige Drogensucht verleugnete. Elf Tage lang hat der Präsidentensohn illegal die Colt Cobra besessen, was ihm heute groteskerweise die ungewollten Sympathien einiger Waffenlobbyisten einbringt. Seine damalige Lebensgefährtin hatte die Waffe in Hunter Bidens Auto gefunden und aus Sorge, ihr Partner könne sich etwas antun, in einem öffentlichen Mülleimer entsorgt.
US-Präsident Joe Biden im Dilemma gefangen
„Ich bin der Präsident, aber ich bin auch ein Vater“, erklärte Joe Biden kurz nach dem Urteilsspruch. Prägnanter könnte man das Dilemma, vor dem der 81-Jährige nun fünf Monate vor der Präsidentschaftswahl steht, kaum beschreiben: Aus politischen Gründen müsste der Präsident auf maximale Distanz zu seinem Problem-Sohn gehen, der während seiner exzessiven jahrelangen Alkohol- und Drogensucht für zahlreiche Probleme sorgte. Doch persönlich dürfte sich der Mann, der eine tragische Familiengeschichte erlebt hat, seinem Sohn nun noch stärker verpflichtet fühlen.
„Der Präsident fürchtet nicht nur, dass sein Sohn möglicherweise ins Gefängnis muss, sondern auch, dass der Fall dessen Abstinenz gefährden könnte“, berichtet das Magazin „Politico“. Tatsächlich änderte Biden am Dienstag überraschend seinen Tagesplan und wollte vor der beabsichtigten Reise zum G7-Gipfel in Italien noch nach Wilmington fliegen.
Hunter Biden nach eigenen Angaben abstinent seit 2019
Hunter Bidens Alkohol- und Drogenprobleme sind seit längerem bekannt. Er selbst hat sie in einer Autobiografie 2021 öffentlich gemacht. Nach eigenen Angaben ist er seit Mitte 2019 abstinent. Zuvor jedoch stürzte ihn seine Sucht in zahlreiche Krisen. So zeugte er ein uneheliches Kind, für das er die Vaterschaft nicht akzeptieren wollte, verlor seinen Laptop mit Fotos, die ihn halbnackt mit Prostituierten und Crackpfeifen in der Hand zeigen, und erwarb den fraglichen Revolver.
Alle diese Episoden kamen während des Prozesses nun wieder zur Sprache. Genau das hatten Hunter Bidens Verteidiger ursprünglich verhindern wollen und sich mit der Staatsanwaltschaft auf einen Deal geeinigt, der jedoch im vergangenen Sommer überraschend platzte. Theoretisch drohen Hunter Biden nun bis zu 25 Jahre Haft. Beobachter erwarten jedoch, dass das Straßmaß für einen Ersttäter deutlich geringer ausfällt. Richterin Maryellen Noreika dürfte es noch vor der Präsidentschaftswahl verkünden. Ebenfalls vor dem schicksalhaften Urnengang im November steht Hunter Biden im September ein zweiter, schwerwiegender Prozess in Kalifornien bevor. Dort geht es um die Hinterziehung von 1,4 Millionen Dollar Steuern.
Trump wettert gegen „kriminelles Familien-Imperium“
Die rechtlichen Probleme des Sohnes drohen nun den Wahlkampf von Joe Biden zu belasten und zugleich von der Verurteilung seines Gegenkandidaten Donald Trump abzulenken. Dessen Republikaner deuteten das Urteil in dem Revolver-Prozess als „Spitze des Eisbergs“. Der Sohn habe mit korrupten Geschäftsaktivitäten im Ausland viele Millionen Dollar für die „Biden-Familie“ verdient, erklärte der Abgeordnete James Comer. „Die Herrschaft des korrupten Joe Biden über sein kriminelles Familien-Imperium kommt am 5. November zu Ende“, verkündete die Trump-Kampagne. Tatsächlich gibt es keinerlei Belege dafür, dass Joe Biden in die geschäftlichen Aktvitäten seines Sohnes verwickelt war.
Emotional freilich ist er mit Hunter Biden eng verbunden. Joe Biden hatte als junger Mann seine erste Frau und eine Tochter bei einem Autounfall verloren. 2015 starb dann sein Lieblingssohn Beau, den er als seinen Nachfolger sah, an Krebs. Hunter, der damals das Gefühl gehabt haben soll, als „falscher“ Sohn überlebt zu haben, stürzte daraufhin noch tiefer in seine Sucht ab. Während des Prozesses in Wilmington saß seine Schwiegermutter Jill Biden mehrfach zur emotionalen Unterstützung im Publikum.
Gleichwohl hatte Joe Biden in einem Interview schon vor einigen Tagen eine mögliche Begnadigung seines Sohnes ausgeschlossen. Diese Position wiederholte er nach dem Schuldspruch vom Dienstag, gegen den Hunter Biden ein Berufungsgesuch erwägt: „Ich werde den Ausgang dieses Falls akzeptieren und weiter den juristischen Prozess respektieren“, versicherte der US-Präsident.