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Kommentar

Gelegenheit für Transparenz verpasst
Verfassungsschutz hätte AfD-Gutachten selbst veröffentlichen sollen

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Lesezeit 2 Minuten
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die Alternative für Deutschland als eine bestätigte rechtsextremistische Bestrebung ein.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die Alternative für Deutschland als eine bestätigte rechtsextremistische Bestrebung ein.

Das AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes wurde von Medien veröffentlicht. Der Nachrichtendienst hätte das besser gleich selbst erledigen sollen. Damit hätte er Vertrauen in seine Arbeit schaffen können, meint Felix Huesmann.

Nun kann es jeder lesen: Das Magazin „Cicero“ und das rechtspopulistische Onlineportal Nius haben eine vollständige Kopie des AfD-Gutachtens des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) veröffentlicht. 1108 Seiten, auf denen der Nachrichtendienst die Entwicklung der AfD seit 2021 nachzeichnet und zu dem Schluss kommt: Diese Partei ist „gesichert rechtsextremistisch“.

Es ist gut, dass das Gutachten jetzt in Gänze öffentlich ist. Es ist zu begrüßen, dass sich jeder und jede Interessierte ein Bild davon machen kann, wie die AfD tickt und worauf genau der Verfassungsschutz sein Urteil stützt.

Quellenschutz kann kein Argument sein

Schlecht ist hingegen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz und das ihm übergeordnete Bundesinnenministerium das Gutachten nicht selbst veröffentlicht haben. Das wäre eine gute Gelegenheit für Transparenz gewesen und eine Entscheidung, die geeignet ist, Vertrauen in die Arbeit des Nachrichtendienstes zu schaffen. Mit Quellenschutz lässt sich schlecht dagegen argumentieren: Das Gutachten bezieht sich nicht auf Erkenntnisse aus Abhörmaßnahmen oder von verdeckten Ermittlern und V-Leuten. Die Belege für die verfassungsfeindliche Haltung der AfD stammen wie erwartet aus öffentlichen Reden, Interviews oder Social-Media-Posts führender AfD-Politiker und Parteigliederungen. Lediglich hätten einzelne Stellen gegebenenfalls geschwärzt werden müssen. Das Gutachten nennt vereinzelt auch einfache Parteimitglieder namentlich – in diesen Fällen könnte das Persönlichkeitsrecht der Veröffentlichung im Wege stehen.

Die Argumentation des Verfassungsschutzes zur Hochstufung der AfD hat Hand und Fuß. Doch das BfV ist nun in einer misslichen Lage: Das von ihm unter Verschluss gehaltene Gutachten ist jetzt nicht nur öffentlich, sondern auch Gegenstand einer kontroversen Debatte. Kritiker der AfD-Beobachtung greifen einzelne Abschnitte heraus, um die Bewertung durch den Verfassungsschutz in Zweifel und ins Lächerliche zu ziehen.

Das BfV ist nun in einer misslichen Lage

Das Bundesamt ist nun aber kein öffentlicher Teil dieser Debatte mehr. Es darf sich dazu bis auf Weiteres nicht äußern, weil es dem Verwaltungsgericht Köln gegenüber eine Stillhaltezusage abgegeben hat. Damit verpflichtet sich der Nachrichtendienst, die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ bis zu einer Entscheidung über die Eilklage der Partei zunächst auszusetzen – und sie auch nicht öffentlich so zu bezeichnen. Eine Aussage über die Rechtmäßigkeit der Hochstufung und die Klagechancen der AfD ist damit nicht getroffen – auch wenn die AfD und ihre Anwälte so tun, als wäre das Gegenteil der Fall.