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Kommentar

Türkei
Erdogan hat Angst vor seinem mächtigsten Gegner

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Eine Frau protestiert mit einem Plakat, das den Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu zeigt vor einem Polizeiaufgebot in Istanbul

Eine Frau protestiert mit einem Plakat, das den Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu zeigt vor einem Polizeiaufgebot in Istanbul

Besorgt sein reicht nicht. Europa muss nach der Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Druck auf den türkischen Präsidenten ausüben. 

Erdogan hat Angst vor seinem mächtigsten Gegner. Und dazu hat der türkische Präsident auch allen Grund. Bei den vergangenen Wahlen hat er viele wichtige, finanziell starke türkische Städte an die Opposition verloren, im Südosten der Türkei vor allem an die kurdische Dem-Partei. Auch dort werden gewählte Bürgermeister unter fadenscheinigsten, geheimen Vorwürfen verhaftet, abgesetzt und durch regierungstreue Zwangsverwalter ersetzt. Alle anderen Oppositions-Bürgermeister müssen in ständiger Angst vor der Festnahme leben wie etwa die Oberbürgermeisterin Serra Bucak in Diyarbakir.

Jetzt also der beliebte Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu, ohne Frage Erdogans gefährlichste politischer Konkurrent – der in wenigen Tagen zum Präsidentschaftskandidaten der sozialdemokratischen CHP für die nächste reguläre Präsidentschaftswahl im Jahr 2028 gekürt werden sollte. Istanbul ist die wichtigste und westlichste Stadt der Türkei. Die Aberkennung von Imamoglus Universitäts-Abschluss ist absurd, immergleich die Strategie, unliebsame Politiker mit dem Vorwurf der Korruption oder Terror-Unterstützung festzunehmen.

Jetzt gibt es in der Türkei Demonstrationsverbote, wichtige soziale Netzwerke wie Instagram gedrosselt, um Informationen zu unterdrücken und die Verabredung gemeinsamer Proteste zu erschweren. Erdogan hat seine Macht in den vergangenen Jahren durch Angst und Terror im Inneren erhalten. Ob er mit der Verhaftung von Imamoglu - und weiteren 100 politisch unliebsamen Personen - einen Schritt zu weit gegangen ist, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Erster Widerstand in der Bevölkerung wird gewaltsam niedergeschlagen.

Erdogan wird darauf zählen, dass weder Wladimir Putins Russland noch Donald Trumps USA sein Verhalten sanktionieren. Umso wichtiger, dass politischer Druck aus Europa auf Erdogan ausgeübt wird. Der türkische Präsident ist nicht der zuverlässige Partner, den sich jetzt manche nach dem Ausfall der USA erhoffen. Die immer mehr unterdrückte Zivilgesellschaft in der Türkei, die für Demokratie kämpft, aber auch alle, die aus Angst schweigen, brauchen jetzt unsere Solidarität und Unterstützung. Besorgt sein reicht nicht.

Ein kleines schönes Zeichen kam sehr schnell aus Köln, Istanbuls deutscher Partnerstadt: Oberbürgermeisterin Henriette Reker verurteilte die Verhaftung ihres türkischen Kollegen scharf.