Kontakte mit Verteidigern sind nur erschwert möglich, selbst Videotelefonate mit den Kindern werden verhindert.
Putsch um Heinrich XIII. Prinz ReußVerteidiger von mutmaßlichem „Reichsbürger“ reicht Verfassungsbeschwerde ein
Noch lässt die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft gegen die mutmaßlichen „Reichsbürger“-Verschwörer um Heinrich XIII. Prinz Reuß auf sich warten. Am 7. Dezember wurden bei einer groß angelegten Razzia 25 Verdächtige in Deutschland, Österreich und Italien festgenommen, darunter eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete, Ex-Offiziere und Polizeibeamte. 22 von ihnen sitzen noch in Untersuchungshaft.
22 mutmaßliche „Reichsbürger“ in Untersuchungshaft
Unter ihnen ist auch der 57-jährige Alexander Q., der auf Telegram und Online-Seminaren mutmaßlich Gleichgesinnte anwerben wollte. Q. wird Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Das hat auch Einfluss auf die Haftbedingungen und den Umgang mit den Verteidigern: Auch die normalerweise streng vertrauliche Verteidigerpost wird von einem „Leserichter“ geöffnet und laufend mitgelesen, Gespräche mit dem Anwalt sind nur mit einer Trennscheibe möglich, die Übergabe von Gegenständen, auch von Dokumenten und Aktenteilen, ist verboten. Eine rechtsstaatlich notwendige Verteidigung ist so kaum möglich.
Dagegen hat der Anwalt von Alexander Q. nun Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht. Er sieht seinen Mandanten und sich in seinen Grundrechten verletzt, weil ohne Prüfung des Einzelfalls derart stark in die Vertraulichkeit zwischen Anwalt und Mandant eingegriffen werde. Er könne mit seinem Mandanten so nur sehr erschwert über relevante Unterlagen für die Verteidigung sprechen, sagt der Berliner Rechtsanwalt Khubaib Ali Mohammed, der Q. vertritt.
Anwalt reicht Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein
Kürzlich hatte bereits die Bundesrechtsanwaltskammer gegenüber den 16 Landesjustizministern die Ausforschung von Verteidigerpost in einem Brandbrief moniert und um Abhilfe gebeten.
Der entsprechende Paragraf in der Strafprozessordnung geht auf die 1970er Jahre und den Kampf des Rechtsstaats gegen die Terroristen der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) zurück. Seitdem „soll“ bei Terrorverdächtigen die Übergabe von Schriftstücken und Gegenständen ohne Kontrolle untersagt werden.
Die Gruppe um Prinz Reuß plante laut Bundesanwaltschaft, das politische System in Deutschland mit Waffengewalt zu stürzen und eine neue Regierung zu installieren. Welche Gefahr aber geht von dieser Gruppe, die zum Losschlagen zum Teil zunächst auf das Signal einer außerirdischen „Allianz“ wartete, nach ihrer Zerschlagung noch aus? Und wie stark darf der Rechtsstaat, wenn er seine Grundrechte gegen solch krude Gegner verteidigt, wiederum deren Grundrechte einschränken?
Anwalt sieht Berufsstand „unter Generalverdacht gestellt“
Auch Alexander Q. habe gewusst und sich damit abgefunden, dass es am „Tag X“ zu vorsätzlichen Tötungen von Vertretern des Staates kommen würde, meint die Bundesanwaltschaft. In die konkreten Pläne sei er aber nicht involviert gewesen. Anwalt Mohammed weist in seiner Verfassungsbeschwerde auch darauf hin, dass noch nicht einmal im NSU-Prozess der Kontakt der Verteidiger zu Beate Zschäpe und ihren Mitangeklagten derart eingeschränkt gewesen sei - obwohl mehrere Anwälte wie ihre Mandanten klar rechtsextrem verortet waren.
Der Anwalt, selbst jeglicher Sympathie für Verschwörungserzählungen unverdächtig, sieht durch die Einschränkungen im Putschisten-Verfahren nun seinen gesamten Berufsstand „unter Generalverdacht gestellt“. Und er lässt es sich nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass kein Anwalt unter den sei - aber mit Beschuldigten sei, aber Malsack-Winkemann eine Richterin.
Mohammed erhebt auch schwere Vorwürfe gegen die Justizvollzugsanstalt Frankfurt, in der Q. einsitzt. Mit seinen neun- und elfjährigen Kindern durfte Q. erst Monate nach seiner Verhaftung zum ersten Mal telefonieren. Der Antrag auf ein Videotelefonat mit den Kindern wurde im März genehmigt, erst Ende Juli kam das Gespräch zustande. Für ein weiteres Videotelefonat, wurde ihm mitgeteilt, müsse er einen erneuten Antrag stellen. Ausgang ungewiss. Dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) sagt Mohammed: „Gerade Staatsschutzverfahren benötigen uneingeschränkte Legitimation. Wenn staatliche Stellen aber selber im „verfassungsrechtlichen Graubereich“ operieren, delegitimieren sie sich selbst.“