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Vertrauensfrage, Neuwahlen & Co.Wie geht es nach dem Koalitionsbruch weiter?

Lesezeit 4 Minuten
Von links nach rechts sind zu sehen: Christian Lindner (FDP), Robert Habeck (Grüne) und Olaf Scholz (SPD).

Ein Bild aus besseren Tagen (von links): Christian Lindner (FDP), Ex-Finanzminister, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Seit dem Abend des 6. November 2024 ist die Ampelkoalition Geschichte.

Bundeskanzler Olaf Scholz entlässt Finanzminister Christian Lindner und kündigt die Vertrauensfrage an. Das sind die nächsten Schritte.

Was bereits seit Tagen schwelte, hat sich am Mittwochabend im großen Knall entladen: Die Ampelkoalition ist Geschichte. Was ist geschehen? Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen hat, reichten am Folgetag auch Bundesjustizminister Marco Buschmann und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (beide FDP) ihre Rücktritte ein. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hingegen tritt aus der FDP aus und bleibt zunächst im Amt.

Bruch der Ampelkoalition: Wie geht es nun weiter?

Ein weiterer Fahrplan nimmt derweil langsam Gestalt an, damit Deutschland zukünftig wieder eine handlungsfähhige Regierung bekommt. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

1. Was sind nun die nächsten Schritte?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat angekündigt, in der ersten Sitzungswoche 2025, genauer gesagt: am 15. Januar, dem Bundestag die Vertrauensfrage stellen zu wollen.

Die kommenden Wochen möchte Scholz mit den verbliebenen Koalitionspartnern, also SPD und Grünen, nutzen, um als Minderheitsregierung eine Reihe von Projekten durchzubringen: Als konkrete Themen nannte Scholz den Effekt der Inflation bei der Einkommensteuer auszugleichen, die gesetzliche Rente zu stabilisieren, die Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems umzusetzen sowie den Industriestandort Deutschland zu stärken. Letzteres soll zum Beispiel durch eine Deckelung der Netzentgelte für Unternehmen sowie die Sicherung von Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie geschehen.

Derweil werden Forderungen laut, die Vertrauensfrage sofort zu stellen. Dafür spricht sich unter anderem der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz aus. Der geschasste Finanzminister Lindner forderte am Donnerstag in einem Statement: „Unser Land braucht eine Regierung, die nicht nur amtiert, sondern die agieren kann. Das Richtige für unser Land wären die sofortige Vertrauensfrage und Neuwahlen.“

2. Wann muss die Vertrauensfrage gestellt werden?

Ob und wann er die Vertrauensfrage stellt, entscheidet Bundeskanzler Olaf Scholz allein – also auch, ob er dies zeitnah tun oder wie angekündigt bis Mitte Januar abwarten wird. Was dann passiert, ist in Artikel 68 des Grundgesetzes geregelt: Zunächst bringt der Bundeskanzler einen Antrag in den Bundestag ein, in dem er die Abgeordneten auffordert, ihm ihr Vertrauen auszusprechen. Zwischen Antrag und Abstimmung sieht das deutsche Grundgesetz eine Beratungszeit von 48 Stunden vor.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schaut auf Christian Lindner (FDP), ehemaliger Bundesminister der Finanzen.

Bundeskanzler Olaf Scholz will nach dem Bruch der Ampel-Koalition Mitte Januar dem Bundestag die Vertrauensfrage stellen.

3. Wie geht es dann weiter?

Mit der Vertrauensfrage kann der Bundeskanzler überprüfen, ob die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten ihn noch unterstützt. Tatsächlich ist dieses Vorgehen umstritten; meistens ist geplant, die nötige Mehrheit zu verfehlen, damit Neuwahlen angesetzt werden können.

Sollte der Bundestag Olaf Scholz mehrheitlich das Vertrauen entziehen, kann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Bundestag auf Vorschlag von Olaf Scholz auflösen. Dies muss innerhalb von 21 Tagen geschehen, anschließend werden Neuwahlen terminiert.

Nach Olaf Scholz’ Zeitplan müsste die Auflösung des Bundestags bis zum 5. Februar stattfinden, um die Frist einzuhalten.

4. Wann finden Neuwahlen statt?

Wird der Bundestag aufgelöst, greift eine Regelung aus Artikel 39 des Grundgesetzes, um Neuwahlen anzusetzen. Darin heißt es: „Im Falle einer Auflösung des Bundestages findet die Neuwahl innerhalb von sechzig Tagen statt.“ Bei Auflösung des Bundestags am 5. Februar müsste dies bis spätestens zum 6. April geschehen. Sollte Bundespräsident Steinmeier noch am Abend der Vertrauensfrage das Parlament auflösen, wäre der 16. März der spätestmögliche Wahlsonntag.

Laut Medienberichten stehen bereits der 2. oder 9. März als mögliches Wahldatum im Raum. In einer Pressekonferenz hatte Olaf Scholz angekündigt, dass es bis spätestens Ende März Neuwahlen geben solle.

Sollte Olaf Scholz die Vertrauensfrage schon in den kommenden Tagen stellen, wie von CDU-Chef Merz gefordert, könnten die Neuwahlen bereits im Januar stattfinden.

5. Welche Regierung folgt dann?

Aktuellen Umfragen zufolge dürften sich die Mehrheiten im Parlament bei der kommenden Bundestagswahl deutlich verschieben: Die FDP droht an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern und so den Wiedereinzug in den Bundestag zu verpassen. Expertenmeinungen zufolge könnte nach vorgezogenen Neuwahlen erneut eine Große Koalition, also eine Regierung aus CDU/CSU und SPD, zustande kommen.

6. Wann tritt die neue Regierung ihr Amt an?

Nach der vergangenen Bundestagswahl im Jahr 2021 lagen zwischen Wahl und Amtsantritt der Ampel-Regierung 72 Tage. Gehen wir von einer ähnlichen Zeitspanne zur Regierungsbildung bei Neuwahlen Anfang März aus, dürfte Deutschland Mitte Mai wieder über eine handlungsfähige Regierung verfügen. Sollte es hingegen bereits im Januar zu Neuwahlen kommen, könnte analog zur Dauer der vergangenen Regierungsbildung bereits Ende März oder Anfang April eine neue Regierung ihr Amt antreten.

Bundeskanzler Olaf Scholz und sein Kabinett würden das Amtsgeschäft übrigens bis zur Ernennung einer Nachfolgeregierung weiterführen. Diese Regelung tritt auch bei regulären Neuwahlen in Kraft.