Die AfD wird mit gut 18 Prozent zweitstärkste Kraft in Hessen. Wer sind die Wähler, die ihr Kreuz bei den Rechtspopulisten gemacht haben?
Wahl in HessenIn welchen Gruppen die AfD besonders stark zulegen konnte
Es kam, wie erwartet: Die Union ging bei der Landtagswahl in Hessen am Sonntag als Wahlsieger hervor, die SPD und Innenministerin Nancy Faeser scheiterten mit ihrem Plan, wieder stärkste Kraft im Landtag zu werden. Besorgniserregend: Der starke Zuwachs der AfD, die nicht nur deutlich zulegen konnte (+ 5 Prozentpunkte) und am Ende gut 18 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen konnte, sondern auch zweitstärkste Partei wird – noch vor den Sozialdemokraten.
Dass alle Ampel-Parteien Verluste hinnehmen mussten, liegt nicht zuletzt am starken bundespolitischen Fokus der Wählerinnen und Wähler. In einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen, bei der in der Woche vor der Landtagswahl 1258 zufällig ausgewählte Wahlberechtigte und 16.973 Wählerinnen und Wähler am Wahltag befragt wurden, gaben 40 Prozent an, dass die Bundespolitik wichtiger für die Wahlentscheidung war als die Landespolitik.
Dabei spielte der rechtspopulistischen AfD auch die derzeitige Asyldebatte in die Wahlkarten. Für 36 Prozent der Befragten waren Zuwanderung, Asyl und Integration das bestimmende Thema der hessischen Landtagswahl. Bildung und Energie beziehungsweise Klima folgen mit jeweils 24 Prozent dahinter.
Gaben 2018 noch 70 Prozent der hessischen Wählerinnen und Wähler an, das Bundesland könne die vielen Flüchtlinge verkraften, waren es bei dieser Wahl nur noch 41 Prozent. Kompetenzen bei der Problemlösung in diesem Bereich gestehen die Menschen dabei am ehesten der Union zu. Allerdings gerade einmal ein Viertel der Befragten, die AfD folgt mit 20 Prozent knapp dahinter. 2018 hatten nur 13 Prozent der Wählerinnen und Wähler der Partei hier Problemlösungen zugetraut.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die als Spitzenkandidatin für die SPD in Hessen angetreten war, kann hier nicht von ihrem Amt profitieren – eher im Gegenteil. Statt wie bei der letzten Wahl 15 Prozent sahen nur noch 12 Prozent SPD-Kompetenzen bei diesem Thema.
Auch in der Energiepolitik sind die Christdemokraten bei den Kompetenzwerten vorn – allerdings nur zwei Punkte vor den Grünen. Größer ist der Abstand nur im Bereich Bildung, wo die Union mit 32 Prozent mit Abstand den besten Wert erreicht.
Entsprechend fallen die Zahlen bei den Wählerwanderungen aus. Während die SPD an fast alle anderen Parteien Stimmen abgeben muss, können Union und AfD im Vergleich zu 2018 zahlreiche Stimmen hinzugewinnen. Auch die Grünen verlieren Zehntausende Wählerinnen und Wähler.
Jung, männlich, Arbeiter, AfD-Wähler?
Überraschend stark schneidet die AfD in bestimmten Wählergruppen ab. So verzeichnet sie wie in Bayern eher untypisch hohe Zustimmung bei den Wählerinnen und Wählern unter 30 Jahren. Hier kommt die Partei auf 17 Prozent – ein Plus von 7 Punkten im Vergleich zur letzten Landtagswahl. Die Rechtspopulisten überholen in dieser Altersgruppe sogar die Grünen, die hier normalerweise stark abschneiden und im Vergleich zu 2018 etwa 10 Prozentpunkte einbüßen müssen.
Die Union schneidet wenig überraschend bei den Wählern und Wählerinnen über 60 Jahren stark ab, kann ihr Ergebnis von 2018 (damals 35 Prozent) aber noch einmal steigern und legt 8 Prozentpunkte zu, bei der Altersgruppe der 45- bis 59-Jährigen sind es sogar 10 Prozentpunkte mehr. Die SPD dagegen büßt in allen Altersgruppen Wählerinnen und Wähler ein. Die FDP fährt in der jüngsten Gruppe mit 9 Prozent der Stimmen ihr stärkstes Ergebnis ein.
Auffällig ist, wie stark die Wahlentscheidung bei den Geschlechtern auseinander geht. Zwar kann die AfD auch sonst tendenziell etwas mehr Männerstimmen für sich gewinnen, bei dieser hessischen Landtagswahl ist die Lücke aber erstaunlich groß.
AfD holt bei Männern deutlich mehr Stimmen
Gleich 21 Prozent der männlichen Wählerinnen und Wähler gaben laut Forschungsgruppe Wahlen an, das Kreuz bei der Partei zu machen. Bei den Frauen sind es gerade einmal 13 Prozent. Dort schneiden Grüne und SPD mit 17 beziehungsweise 16 Prozent stärker ab.
In den Berufsgruppen liegt die Union durchgängig vorn, die FDP, die am Abend noch um den Einzug in den Landtag bangen musste, schneidet hier bei den Selbstständigen mit 9 Prozent der Stimmen besonders stark ab. Während die Grünen bei den Arbeitern ihr schwächstes Ergebnis holen, rückt die AfD in dieser Berufsgruppe nah an die CDU heran und kommt auf 27 Prozent der Stimmen.
Wähler mit Hauptschulabschluss: Nur 3 Punkte trennen Union und AfD
Noch stärker schneidet die rechtspopulistische Partei bei den Wählerinnen und Wählern ab, die einen Hauptschulabschluss als höchsten Bildungsabschluss haben. 36 Prozent, als mehr als ein Drittel der Wählenden in dieser Gruppe, machten ihr Kreuz bei der AfD. Das ist ein Zuwachs von 20 Prozentpunkten zur vergangenen Landtagswahl. Zum Vergleich: Bei Wählerinnen und Wählern mit Hochschulabschluss kann die Partei gerade einmal einen Prozentpunkt mehr einfahren.
Auch die Union legt bei Wählenden in der unteren Bildungsgruppe zu und steigert sich von 32 auf 39 Prozent. Die Grünen verlieren am stärksten bei den Menschen mit Abitur. Kamen sie 2018 noch auf 26 Prozent der Stimmen in dieser Bildungsgruppe, waren es am Sonntag nur noch 18 Prozent.
Zum Erfolg der AfD beigetragen haben könnten auch die Spitzenkandidaten von Union und SPD im Wahlkampf. Ministerpräsident Boris Rhein fährt bei den Bürgern trotz der Zugewinne bei der Landtagswahl eher mittelmäßige Beliebtheitswerte ein. Nur 61 Prozent geben an, dass er als Ministerpräsident in Hessen einen guten Job macht.
Boris Rhein überzeugt im Gegensatz zu Nancy Faeser
Im Vergleich zu seiner SPD-Herausforderin Faeser kann der CDU-Mann die Wählerinnen und Wähler aber von seiner Person überzeugen. Fast die Hälfte der Befragten hält ihn für sympathischer, glaubwürdiger und gesteht ihm mehr Sachverstand zu. Faeser bleibt hier blass und erreicht nur niedrige Zustimmungswerte.
Ob das Wahldebakel Faesers auch Konsequenzen im Bund haben wird, war am Abend noch nicht klar. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert betonte, mit dem Ergebnis sei „nichts über die Bilanz der Bundesinnenministerin Nancy Faeser gesagt“ und fügte an, die habe „unseren klaren Rückhalt als Bundesinnenministerin“. Faeser selbst erklärte, das Wahlergebnis sei „sehr enttäuschend; was auch sonst“. Über ihre Zukunft sagte sie nichts.