Der Krieg im Gazastreifen findet auch in den sozialen Medien statt. Jetzt macht dort jedoch auch ein Manifest die Runde. Sein Autor ist weltbekannt: Osama bin Laden.
„Brief an das amerikanische Volk“Warum das Manifest von Osama bin Laden zum Tiktok-Trend wird
Ein Jahr nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wandte sich der Hauptverantwortliche Osama bin Laden mit seinem „Brief an das amerikanische Volk“ an die Weltöffentlichkeit, vor allem aber an die USA und ihre Bevölkerung.
Darin erklärt der Top-Terrorist, warum er die Anschläge auf die USA durchgeführt hat. Er verweist dabei insbesondere auf die Unterstützung der USA für Israel, prangert aber insgesamt die militärische Präsenz der US-Streitkräfte in den arabischen Staaten an und klagt auch über die angebliche Verkommenheit der US-amerikanischen Gesellschaft. Dabei beruft sich bin Laden auf seine fundamentalistische Interpretation des Islam und äußert sich wiederholt antisemitisch.
Zum Schluss seines wenige Seiten umfassenden Manifests fordert er die USA auf, sich aus der Region zurückzuziehen, die Unterstützung Israels zu beenden und gleichberechtigte Beziehungen zu den muslimischen Staaten aufzubauen. Folgten die USA diesen Forderungen nicht, würde der Krieg der Islamisten gegen die westlichen Staaten weitergehen.
Das vergessene Manifest des Osama bin Laden
21 Jahre sind seit diesem Brief vergangen. Die meisten dieser Jahre waren vom fortlaufenden Versuch der westlichen Staaten gekennzeichnet, die Präsenz der islamistischen Taliban, die bin Laden und seinen Männern Zuflucht in Afghanistan gewährt hatten, zurückzudrängen. Heute herrschen die Taliban wieder am Hindukusch.
Bin Laden dagegen wurde 2011 durch ein US-Kommando in seinem pakistanischen Versteck getötet. Sein Terror-Netzwerk al-Quaida spielte in den letzten Jahren kaum noch eine Rolle in den Medien. Genausowenig wie der „Brief an das amerikanische Volk“. Bis jetzt.
Denn im Zuge des jüngsten Kriegs im Gaza-Streifen wird das Manifest wieder verbreitet. Allerdings nicht, wie man denken könnte, in fundamentalistischen Moscheen und nicht einmal von Islamisten, die mittlerweile ja auch in den sozialen Medien ihre Propaganda verbreiten. Stattdessen sind es junge nicht islamistische, oft nicht einmal muslimische Menschen, die den Brief auf Tiktok teilen.
Bin Ladens Manifest im Tiktok-Hype
Es sind hauptsächlich amerikanische Jugendliche, die berichten, dass sie das Manifest entdeckt und gelesen hätten. Und sie empfehlen es ihren Followerinnen und Follower zustimmend weiter.
So fordert die Userin Lynette Adkins dazu auf, alles stehen und liegen zu lassen und den Brief zu lesen. Er habe bei ihr eine „existenzielle Krise“ ausgelöst. Andere berichten davon, der Brief haben ihnen „die Augen geöffnet“.
„The Guardian“ stoppt Verbreitung des Briefs
Mittlerweile hat der Social-Media-Hype erste Reaktionen hervorgerufen. Die britische Zeitung „The Guardian“, die den Brief kurz nach seiner Veröffentlichung auf Englisch veröffentlicht hatte, löschte den alten Post. In vielen Tiktoks war auf die Seite des Guardian verwiesen worden.
Dieser Versuch, die Verbreitung der unkommentierten Fassung zu begrenzen, rief wiederum prompt eine Welle an Reaktionen in den sozialen Medien hervor. Hier wurde dem „Guardian“ vorgeworfen, Zensur zu betreiben und auf andere Seiten verwiesen, wo der Brief noch abrufbar ist.
Gleichzeitig fanden sich jedoch auch viele Userinnen und User, die sich entsetzt über die augenscheinliche Begeisterung junger Menschen im Westen für das Manifest eines Terroristen zeigten, dessen Anschläge tausende Menschen in den Tod rissen.