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Nach AschaffenburgWarum die Migrationsforderungen der CDU rechtswidrig sein könnten

Lesezeit 4 Minuten
28.01.2025, Berlin: Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, gibt ein Pressestatement vor Beginn der Fraktionssitzung der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.

CDU-Chef Friedrich Merz gibt ein Pressestatement vor Beginn der Fraktionssitzung der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Nach dem zweifachen Mord in Aschaffenburg wollen CDU und CSU einen strengeren Kurs in der Migrationspolitik verfolgen.

Die CDU will die Migrationsgesetze verschärfen. In zwei Anträgen fordert die Union unter anderem dauerhafte Grenzkontrollen und die Abweisung aller Asylsuchenden.

Nach dem zweifachen Mord in Aschaffenburg wollen CDU und CSU einen strengeren Kurs in der Migrationspolitik verfolgen. In zwei Anträgen, die dem Bundestag vorgelegt werden sollen, fordern die Unionsfraktion und Kanzlerkandidat Friedrich Merz unter anderem die Abweisung von Asylsuchenden sowie dauerhafte Grenzkontrollen. Vorschläge, die juristisch umstritten und nach Ansicht von Europarechtsexperten nicht mit EU-Recht vereinbar sind.

Sind dauerhafte Kontrollen an den deutschen Grenzen zulässig?

CDU und CSU fordern in ihrem Fünf-Punkte-Plan: „Die deutschen Staatsgrenzen zu allen Nachbarstaaten müssen dauerhaft kontrolliert werden.“ Wie Grenzen in Europa organisiert sind, regelt das Schengen-Abkommen. Nationale Alleingänge sind dabei nicht vorgesehen. Nur in Notfällen kann hier gehandelt werden.

„Das Schengen-Recht erlaubt nur vorübergehende Grenzkontrollen, und zwar ausschließlich in einer akuten Notlage. Ich sehe derzeit keine solche Notlage in Deutschland“, sagt der Rechtswissenschaftler Constantin Hruschka, der zum europäischen Asylrecht forscht, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Dürfen Asylsuchende an den deutschen Grenzen abgewiesen werden?

Die Unionsfraktion fordert die „Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche illegaler Einreise“. Das solle unabhängig davon gelten, „ob sie ein Schutzgesuch äußern oder nicht“. Weiter heißt es: „In unseren europäischen Nachbarstaaten sind sie bereits sicher vor Verfolgung, einer Einreise nach Deutschland bedarf es somit nicht.“

„Ein Gesetz, das Asylbewerber an der Grenze einfach abweist, würde das Grundrecht auf Asyl und die Dublin-Verordnung verletzen“, sagt Hruschka. Eine direkte Zurückweisung an der Grenze ohne Prüfung wäre demnach nicht zulässig. Bestätigt werde das auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: „Dieser verurteilte Deutschland kürzlich wegen direkter Zurückweisungen nach Griechenland“, sagt Hruschka.

Dieser Auffassung widerspricht der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier. Im Fernsehsender „Welt“ bekräftigte er vor wenigen Tagen seine Ansicht, dass eine solche Zurückweisung ohne weiteres zulässig sei. „Paragraf 18 des Asylgesetzes sagt ganz klar, Ausländer, die aus sicheren Drittstaaten einreisen [...], sind zurückzuweisen“, sagte er. Das Europarecht könne und dürfe da keine „rigorose Einschränkung der deutschen Souveränität“ anordnen.

Wie verhält es sich mit der Inhaftierung ausreisepflichtiger Menschen?

In Punkt drei fordert die Union: „Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, dürfen nicht mehr auf freien Fuß sein. Sie müssen unmittelbar in Haft genommen werden.“

„Die Inhaftierung vollziehbar ausreisepflichtiger Personen widerspricht der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem EU-Recht. Freiheitsentzug aus administrativen Gründen ist in der Regel nicht zulässig“, sagt der Experte. Laut Paragraf 62 des Aufenthaltsgesetzes könne ein Asylbewerber nur dann inhaftiert werden, wenn dies notwendig sei, um die Abschiebung durchzusetzen, und dies müsse immer individuell von einem deutschen Gericht geprüft werden.

Können die Befugnisse der Bundespolizei für Abschiebungen erweitert werden?

Neben mehr Unterstützung der Bundesländer bei der Abschiebung fordert die CDU im vierten Punkt des Antrages: „Die Bundespolizei muss die Befugnis erhalten, bei im eigenen Zuständigkeitsbereich aufgegriffenen, ausreisepflichtigen Personen auch selbst und unmittelbar Haftbefehle für Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam beantragen zu können.“

Die Einschätzung des Experten: „Aktuell werden Haftbefehle für Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam durch die für die Regelung des Aufenthalts zuständigen Ausländerbehörden beantragt“, erklärt Hruschka. Eine Erweiterung der Kompetenzen der Bundespolizei in diesem Bereich hält er für rechtlich problematisch.

„Es gibt einen guten Grund, warum Polizeibehörden nicht an der Entscheidung über Freiheitsentzug beteiligt sind und die Entscheidung den Gerichten vorbehalten ist. Die Justiz soll diese sensiblen Entscheidungen unabhängig und in Übereinstimmung mit den Grundrechten treffen“, sagt Hruschka.

Können Straftäter und „Gefährder“ unbefristet in Arrest genommen werden?

Die Union fordert im letzten Punkt: „Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen in einem zeitlich unbefristeten Ausreisearrest bleiben, bis sie freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren oder die Abschiebung vollzogen werden kann.“ Eine Bundesregierung kann das Aufenthaltsrecht für Straftäter und Gefährder innerhalb der rechtlichen Rahmenbedingungen verschärfen, allerdings sind dabei nationale und internationale Vorgaben zu beachten.

„Es gibt klare rechtliche Vorgaben dazu, wann einem Menschen die Freiheit entzogen werden darf. Eine pauschale Festsetzung von Personen im ‚Ausreisearrest‘ widerspricht EU-Recht und dem Grundgesetz“, sagt Hruschka. Die Feststellung, ob jemand ein „Gefährder“ oder Straftäter ist, obliege den Strafgerichten. Wenn ein Verdacht vorliegt, dass eine Person eine Straftat begangen hat, kann ein Gericht Untersuchungshaft anordnen. „Diese Unterscheidung ist entscheidend – nur in einem Strafverfahren kann dies klar geregelt werden.“ (rnd)