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UmfrageWem vertrauen Sie in schwierigen Zeiten? – Neues Ranking überrascht

Lesezeit 4 Minuten
Papst Franziskus.

Er zählt zu den großen Verlierern des Rankings: Papst Franziskus. 2015 hatten noch 60 Prozent der Befragten großes Vertrauen zum Papst, heute sind es gerade einmal 16 Prozent.

Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat für ein Institutionen-Ranking Tausende Menschen befragt - wer gut und wer schlecht abschneidet.

Pandemie, Ukrainekrieg, Klima, Inflation, Energie - die Krisen schichten sich in den vergangenen Jahre übereinander und dauern an. Viele Menschen sind genervt oder verlieren den Überblick, viele geraten in soziale Schieflage oder misstrauen dem Staat nur noch.

Das Berliner Meinungsforschungsinstitut Forsa hat in seinem 25 Institutionen umfassenden Vertrauensranking für rtl/ntv, das jährlich erstellt wird, knapp mehr als 4000 in Deutschland Lebende gefragt, wem sie Ende 2022 noch über den Weg trauen. Vor allem die Ergebnisse im Mittelfeld können überraschen.

Ärzte ganz weit vorne in Umfrage

Klar vorn liegen Ärzte, zu denen 81 Prozent Vertrauen haben - aber sie haben gegenüber 2021 sechs Prozentpunkte verloren. Stabil dagegen steht die Polizei auf Platz 2 mit 79 Prozent da. Es folgen die Universitäten auf Platz 3 mit 74 Prozent (-5). Ganz am Ende sind die Werbeagenturen mit vier Prozent (+1) zu finden.

Erstaunliche 58 Prozent (-3) bringen den Meinungsforschungsinstituten auf Platz 8 Vertrauen entgegen. Schon ab Platz 9 hat weniger als die Hälfte der Befragten Vertrauen. Immerhin: Die Volks- und Raiffeisenbanken (+2) und die Sparkassen (+3) gehören mit jeweils 37 Prozent auf den Plätzen 14 und 15 zu den Gewinnern des Rankings. Auch die Banken auf Platz 19 gewinnen mit 27 Prozent (+4) in Krisenzeiten an Vertrauen hinzu.

Doch wie sieht es bei denen aus, die für den Seelenfrieden zuständig sind und Trost in der Not spenden sollten - den Religionen und Kirchen? Düster, muss man sagen.

Am besten schneidet hierbei der Zentralrat der Juden mit 38 Prozent auf Platz 13 ab. Er hat jedoch mit minus fünf Prozentpunkten gegenüber 2021 auch viel Vertrauen eingebüßt. Die evangelische Kirche hält sich mit 31 Prozent (-2) auf Platz16 - doch nicht einmal ein Drittel der befragten Deutschen bringt ihr noch Vertrauen entgegen.

Dramatisch sieht es bei der katholischen Kirche und für den Islam aus. Die katholische Kirche rangiert mit acht Prozent (-4) auf dem drittletzten Platz nur noch vor dem Islam mit sechs Prozent (-2) und den Werbeagenturen . Nur der Papst ist mit 16 Prozent einen Platz besser als seine Kirche - allerdings wird für ihn mit zehn Prozent ein rapider Vertrauensverlust gegenüber 2021 registriert.

Die vom RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) angefragte Reaktion der Deutschen Bischofkonferenz fällt knapp aus. „Wir möchten das Ranking nicht kommentieren und bitten dafür um Verständnis“, so eine Sprecherin. Auch die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) ist lieber auf Tauchstation gegangen.

Forsa-Gründer Manfred Güllner sagte dem RND, zur evangelischen Kirche hätten zwar noch mehr Bundesbürger Vertrauen als zur katholischen Kirche und zum Papst, doch mit 31 Prozent sei das Vertrauen geringer als zum Kanzler, zur Bundesregierung oder zum Bundestag und liegt nur noch knapp über dem zum Fernsehen. „Bedenklich für die katholische Kirche ist, dass auch von den Katholiken nur noch 22 Prozent großes Vertrauen zur eigenen Kirche haben. Größer als zur eigenen Kirche ist das Vertrauen der Katholiken mit 32 Prozent zur evangelischen Kirche.“

Güllner erinnert daran, dass 2015 noch 60 Prozent der Befragten großes Vertrauen zum Papst hatten, die heutigen 16 Prozent seien der absolute Tiefststand. „Die Kirchen wären gut beraten, diese Befunde ernster zu nehmen als die politischen Akteure, die die frühzeitigen Alarmsignale über ihr sinkendes Ansehen ignorierten und so ihren dramatischen Vertrauens- und Bedeutungsverlust beschleunigten“, so der Meinungsforscher.

Insofern ist die Umfrage eine Ohrfeige für uns“
Aiman A. Mazyek

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman A. Mazyek, empfindet die Ergebnisse der Umfrage als „bedrückend“, sagte er dem RND. „Leider setzt sich hier ein Trend fort, der auch damit zusammenhängt, dass es kaum wahrnehmbare Positionen der islamischen Community in Deutschland zu den drängenden gesellschaftlichen Fragen gibt. Insofern ist die Umfrage eine Ohrfeige für uns, aber auch für das Diskursniveau über den Islam in unserer Gesellschaft insgesamt.“

Mazyek sieht den Islam aber auch im Strudel der Debatten in den christlichen Kirchen. „Die religiösen Institutionen sind in Deutschland vermutlich auch in den Sog der Missbrauchsskandale in der Katholischen Kirche und der Debatten darüber geraten. Wir dürfen uns aber alle nichts vormachen: Offenbar schaffen wir es im Moment nicht, Menschen in schwieriger sozialer Lage und in den Krisen dieser Zeit ein Fundament zu schaffen, auf dem sie Halt finden.“

Als Muslim schöpfe er jedoch auch aus seinem Glauben Hoffnung, so der ZMD-Vorsitzende. „Mut machen mir die Revitalisierung des christlichen Glaubens in Lateinamerika und das Festhalten in den Religionen im Nahen Osten trotz größter Krisen.“ Es seien Regionen, die schon länger von Kriegen und Verwerfungen betroffen wären.

In Deutschland und weiten Teilen Westeuropas gehe es den Menschen dagegen ökonomisch so gut wie noch nie, zeitgleich ginge der Zuspruch für die Religion zurück. „Wegen mangelnder seelischer Nahrung im Glauben sozusagen scheint der Nährboden für Hass, Burn Out oder Depressionen zu wachsen. Die religiösen Institutionen müssen aufpassen, dass der Glauben durch diese Entwicklungen nicht noch weiter ausgehöhlt wird.“