Die Strafanzeige eines Priesters gegen die frühere Sekretärin von Kardinal Joachim Meisner nimmt die Initiative Maria 2.0 zum Anlass für scharfe Kritik am Kölner Erzbischof Rainer Woelki.
Protest von Maria 2.0Demo vor Kardinal Woelkis Amtssitz – „Einschüchterung“ von Zeugen kritisiert
Vor dem Amtssitz des Kölner Erzbischofs hat die Initiative Maria 2.0 am Wochenende gegen das Verhalten von Kardinal Rainer Woelki im Missbrauchsskandal demonstriert. Der Protest der etwa 70 Teilnehmenden unter dem Titel #Zeugenschutz richtete sich insbesondere gegen den Umgang mit aktiven und ehemaligen Mitarbeitenden des Erzbistums, die vor Gericht oder gegenüber den Ermittlungsbehörden zu den Vorgängen im Erzbistum und speziell zu Woelki ausgesagt hatten. Sie seien in der Öffentlichkeit diskreditiert, mit arbeitsrechtlichen Schritten bedroht und im Ergebnis eingeschüchtert worden, sagte die Sprecherin von Maria 2.0, Maria Mesrian.
An Woelkis Stelle verfolgte sein Generalvikar Guido Assmann die Kundgebung und sprach mit Teilnehmenden.
Besonders scharf verurteilten die Demonstrierenden, dass die ehemalige Sekretärin von Woelkis Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, nach ihrer Zeugenaussage im November vor dem Landgericht Köln zum Fall eines Priesters, gegen den wiederholt Missbrauchsvorwürfe erhoben worden waren, von dessen Anwalt mit Datum vom 23. Dezember eine Abmahnung und den Entwurf einer Strafanzeige zugestellt bekam. „An Weihnachten! Das ist einfach nur infam!“, so Mesrian. „Kein Anwalt, dem Anstand und Berufsethos etwas bedeuten, würde so etwas tun.“
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Ermittlungen gegen Kardinal Woelki wegen des Verdachts einer Falschaussage an Eides statt
Die Frau erkrankte daraufhin schwer. „Das hinderte die Gegenseite jedoch nicht daran, aus der Drohung Realität zu machen und Anfang Januar Strafanzeige gegen die Frau zu erstatten“, kritisierte Mesrian. „Wir verurteilen diese Vorgehensweise aufs Schärfste. Niemand im Erzbistum aus der Führungsebene darf das schweigend hinnehmen und sich mit diesen Methoden gemein machen.“
Schon seit geraumer Zeit wehrt sich Woelki presserechtlich gegen den Vorwurf, er habe bestimmte belastende Dokumente über den betreffenden Priester gekannt, als er ihn 2017 beförderte.
Über die juristischen Schritte gegen Meisners Ex-Sekretärin setzte Woelkis Carsten Brennecke das Landgericht „autonom und aufgrund der prozessualen Wahrheitspflicht“ in Kenntnis, zu der ein vollständiger Vortrag aller potenziell relevanten Faktoren gehöre, wie die Pressestelle des Erzbistums auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärte.
Woelki habe nicht vor, selbst juristisch gegen die ehemalige Sekretärin Meisners vorzugehen, betont das Erzbistum. Der Kardinal zeige sich „über den Gesundheitszustand der Zeugin besorgt“ und wünsche ihr baldige Genesung.
Im gleichen Zusammenhang ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln seit November 2022 gegen Woelki wegen des Verdachts einer Falschaussage an Eides statt. Auch in einem weiteren Fall gibt es Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörde wegen anderer eidesstattlicher Versicherungen des Erzbischofs. Hier geht es um seinen Kenntnisstand über Missbrauchsvorwürfe gegen den früheren „Sternsinger“-Präsidenten Winfried Pilz. Woelki bekräftigt in beiden Fällen die Stichhaltigkeit seiner Aussagen.
Mesrian kritisierte, es habe von Woelki „kein Wort des Bedauerns“ über das juristische Vorgehen gegen die Zeugin gegeben und auch keine Distanzierung. Kollateralschäden würden „billigend in Kauf genommen“. So weit habe es der Erzbischof von Köln kommen lassen „in seinem unseligen Vertrauen auf die Einflüsterungen von falschen Beraterinnen und eiskalten Juristen, die ihn von Verfahren zu Verfahren bugsieren“.
Nichts geahnt, nichts gewusst, nicht befasst: Das sei das Mantra des Kardinals in allen Rechtsstreitigkeiten, in denen „der normale Mensch schon lange nicht mehr durchblickt“, so Mesrian weiter. „Aber ist das nicht das eigentlich Skandalöse? Dass der oberste Leiter nichts wissen will von den Missetaten seiner Priester? Ist das nicht komplettes Leitungsversagen?“
Mesrian bekundete den Respekt der Demonstrierenden allen im Erzbistum, die „die Wahrheit sagen“ und sich gegen Vertreter eines Systems stellten, „die auch über Leichen gehen würden, um ihren ohnehin verlorenen Ruf zu retten“.
Von Woelki forderten die Demonstrierenden, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Insgesamt müsse ein Herumstochern „in einem sumpfigen Morast aus Ausreden und Ausflüchten, aus juristischen Haarspaltereien“ ein Ende haben.
Der Dormagener Pfarrer Klaus Koltermann erinnerte daran, wie massiv er selbst von der Bistumsleitung unter Druck gesetzt wurde, als er Ende 2020 den Rücktritt des Kardinals gefordert hatte. Ihm sei daraufhin die Pistole auf die Brust gesetzt worden. Er habe „alles zu verlieren“, sei ihm gesagt worden. Daran hätten ihn jetzt die Berichte über die Zeuginnen denken lassen und ihn bewogen, die Solidarität zurückzugeben, die er seinerzeit erfahren habe.
Laut „domradio“ zeigte sich Assmann im Anschluss an die Demonstration beeindruckt von der Offenheit in den Gesprächen mit Teilnehmenden. „Wir sind die eine Kirche, und dass es da eine Meinungsvielfalt gibt, muss man aushalten.“ Die Kirche zusammenzuhalten, sei wichtig. Wenn er – wie bei diesem Anlass – erlebe, dass sich Menschen engagieren, dann sei das wertvoll, und wo das Vertrauen sehr angekratzt oder gar zerstört sei, müsse man es langsam wieder aufbauen. Seine Eindrücke werde er „selbstverständlich mit zum Kardinal nehmen“. (mit kna)